LG Frankenthal: Provider-Auskunft gegen Tauschbörsennutzer nicht verwertbar
Gespeichert von Jan Spoenle am
In einem im Verfügungsverfahren ergangenen Beschluss vom 21. Mai 2008 hat das LG Frankenthal entschieden, dass die staatsanwaltschaftlich eingeholte Provider-Auskunft in zivilrechtlichen Verfahren gegen Tauschbörsennutzer nicht verwertet werden kann (Az. 6 O 156/08). Denn die Auskunftserteilung verstoße nach der jüngsten (Eil-)Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung gegen die Grundrechte des Betroffenen Anschlussinhabers.
Diese auf den ersten Blick erstaunliche Entscheidung geht auf zwei Denkfehler zurück: Zum einen begründet das LG Frankenthal seine Auffassung fehlerhaft mit der Eilentscheidungs des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März 2008 (Az. 1 BvR 256/08), zum anderen stellt es auf die Übermittlung von Verkehrsdaten vom Provider an die Staatsanwaltschaft ab, wo es sich genau umgekehrt verhält - nach einer Anfrage zu bereits vorliegenden Verkehrsdaten übermittelt der Provider lediglich (der StA bislang unbekannte) Bestandsdaten.
Im Einzelnen:
Das Gericht argumentiert, dass dynamische IP-Adressen als Verkehrsdaten anzusehen sind, was auch kaum mehr ernsthaft bestritten werden kann. Es folgert daraus, dass diese Daten nach der zitierten Entscheidung des BVerfG vom entsprechenden Provider ausschließlich zu Verfolgung schwerer Straftaten nach § 100a Abs. 2 StPO herausgegeben bzw. übermittelt werden dürfen. Dabei übersieht es jedoch, dass sich die Entscheidung des BVerfG allein auf nach § 113a TKG gespeicherte Verkehrsdaten bezieht, also auf im Wege der sog. Vorratsdatenspeicherung erhobene Daten. Im Bereich der Internet-Provider gilt derzeit eine Übergangsfrist bis zum 01. Januar 2009, weshalb derzeit kein deutscher Internet-Provider - auch wegen der bestehenden Unsicherheiten in Bezug auf eine Verwerfung der entsprechenden Vorschriften durch das BVerfG - auf Vorrat speichert. Vorliegend muss es sich also um eine Auskunft gehandelt haben, die der Provider aufgrund der nach §§ 96, 100 TKG erlaubterweise gespeicherten Daten noch rechtzeitig vor der Löschung beantworten konnte. Die Entscheidung des BVerfG vom 11. März 2008 ist daher insoweit gar nicht einschlägig.
Weiterhin verwechselt das Gericht den Abruf (!) von Bestandsdaten und Verkehrsdaten. Letzteres ist nur möglich, wenn die fraglichen Verkehrsdaten nicht - wie in solchen Fällen - schon bekannt sind. Der Provider "übermittelt" daher an die Staatsanwaltschaft keine weiteren Verkehrsdaten (was auf der Grundlage von § 100g StPO derzeit mangels Vorratsdatenspeicherung ohnehin ins Leere laufen würde), sondern Namen und Anschrift des Anschlussinhabers, also Bestandsdaten. Dieses grundlegende Missverständnis untermauert das LG Frankenthal mit Hinweisen auf die einschlägige Literatur zum Thema "dynamische IP-Interessen sind Verkehrsdaten", ohne zu erkennen, dass hier keine Übermittlung von dynamischen IP-Adressen vom Provider zur Staatsanwaltschaft stattgefunden hat, sondern diese Übermittlung vielmehr umgekehrt stattfand. Dabei zitiert das Gericht als abweichende Meinung die Entscheidung des LG Offenburg vom 17.04.2008 (Az. 3 Qs 83/07), ohne zu bemerken, dass diese Entscheidung auf einer geänderten Rechtslage seit dem 01.01.2008 beruht.
Insofern dürfte der vermeintliche "Etappensieg" für zivilrechtlich verfolgte Tauschbörsennutzer schnell wieder vom Tisch sein. Auf die erste ausführliche Besprechung des Beschlusses darf man sich gespannt freuen.