Voll daneben gegangen: Der Übergang vom Strafverfahren ins Sicherungsverfahren!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 28.07.2016
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Manchmal fragt man sich schon, wie manche schrägen Sachverhalte zustandekommen. Etwa hier: Da ist ein Angeklagter, der schuldunfähig ist. Das AG denkt: "Der muss untergebracht werden." War wohl auch richtig. Das AG hatte das Verfahren nach Anklageerhebung bereits eröffnet. Nun gibt es das Verfahren aber an das LG ab, das das Verfahren dann einfach mir nichts, dir nichts in ein Sicherungsverfahren überleitet, die vorläufige Unterbringung anordnet und seine Entscheidung nach Ende des Sicherungsverfahrens und Unterbringung dann auch noch dem BGH vorlegt. Leider war bis dahin keiner auf die Idee gekommen, einmal zu prüfen, ob das alles so verfahrensmäßig ok war. War es natürlich nicht. Und der BGH sagt das auch deutlich:

Die Staatsanwaltschaft erhob am 24. Oktober 2014 gegen den Beschuldigten
Anklage zum Amtsgericht Zossen, das am 11. Februar 2015 die Anklage
unter Eröffnung des Hauptverfahrens zur Hauptverhandlung zuließ. Nach Einholung
eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Schuldfähigkeit des
Beschuldigten legte das Amtsgericht am 28. Oktober 2015 das Verfahren ge-
mäß § 225a StPO dem Landgericht Potsdam zur Übernahme vor. Die Staatsanwaltschaft
beantragte mit Verfügung vom 24. November 2015, „nunmehr in
das Sicherungsverfahren überzugehen“. Das Landgericht Potsdam übernahm
am 26. November 2015 – von ihm als „im Sicherungsverfahren“ bezeichnet –
das vom Amtsgericht vorgelegte Verfahren und brachte den Beschuldigten
nach § 126a StPO einstweilig in einem psychiatrischen Krankenhaus unter.

2. Die Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen
Krankenhaus im Sicherungsverfahren ist rechtsfehlerhaft. Im Sicherungsverfahren
tritt an die Stelle einer Anklageschrift eine Antragsschrift nach
§ 414 Abs. 2 StPO. Sie ist eine Prozessvoraussetzung, die nicht durch eine
Anklageschrift ersetzt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2001
2 StR 136/01, BGHSt 47, 52; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 414
Rn. 3). Nach Eröffnung des Hauptverfahrens muss das Strafverfahren durchgeführt
werden. Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens heraus, dass der
ursprüngliche Angeklagte schuldunfähig ist, ist ein Übergang vom Strafverfahren
zum Sicherungsverfahren ausgeschlossen (Gössel in Löwe/Rosenberg,
StPO, 26. Aufl., § 416 Rn. 16). Dies nötigt vorliegend zur Urteilsaufhebung und
zur Einstellung des Verfahrens.

BGH, Beschl. v. 21.6.2016 - 5 StR 266/16

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