Der Tod des schuldunfähigen Täters während des laufenden Revisionsverfahrens...

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 30.06.2016
|2976 Aufrufe

...führt zur Einstellung nach § 206a StPO. Zudem werden ergangene Urteile gegenstandslos. Und dann ist noch über die Kosten zu entscheiden. Der BGH hat in der nachfolgenden Entscheidung all das einmal dargestellt:

Das Landgericht Potsdam hat mit Urteil vom 15. Juli 2015 im Sicherungsverfahren
die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen
Krankenhaus angeordnet. Der Beschuldigte ist während des Verfahrens über
seine Revision am 7. März 2016 verstorben.
1. Das Verfahren ist gemäß § 206a StPO einzustellen (vgl. BGH, Beschluss
vom 8. Juni 1999 – 4 StR 595/97, BGHSt 45, 108). Das angefochtene
Urteil ist damit gegenstandslos, ohne dass es einer Aufhebung bedarf (BGH,
Beschluss vom 13. Februar 2014 – 1 StR 631/13, NStZ-RR 2014, 160).
2. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens und die notwendigen
Auslagen des Beschuldigten beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.
Zwar sieht § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO als Ausnahme von der Grundregel
des § 467 Abs. 1 StPO die Möglichkeit vor, im Fall eines Beschuldigten,
der ohne Bestehen des Verfahrenshindernisses wegen einer Straftat verurteilt
würde, von einer Auferlegung seiner notwendigen Auslagen auf die Staatskasse
abzusehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. September 2009 – 1 StR 358/09,
NStZ-RR 2010, 32, und vom 19. Oktober 2001 – 2 StR 349/01, NStZ-RR 2002,
262). Vorliegend kommt § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO jedoch weder unmittelbar
noch entsprechend zur Anwendung.
a) Einer unmittelbaren Anwendung dieser Vorschrift steht entgegen,
dass der Beschuldigte unabhängig vom Bestehen des Verfahrenshindernisses
nicht wegen einer Straftat verurteilt worden wäre. Eine Verurteilung wegen einer
Straftat kam hier nicht in Betracht, da sich der Beschuldigte bei Begehung
der ihm zur Last gelegten Anlasstat – einer Brandstiftung – im Zustand der
Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB befand (UA S. 16 ff.).
b) § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO kommt hier auch nicht entsprechend
zur Anwendung. Zwar gelten im Sicherungsverfahren gemäß § 414 Abs. 1
StPO grundsätzlich die Vorschriften über das Strafverfahren und damit auch
diejenigen über die Kosten des Verfahrens entsprechend. Dies gilt jedoch nicht
für die Vorschrift des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO bei einem Beschuldigten,
der – wie es bei dem Verstorbenen der Fall war, der an einer schweren Form
einer chronischen Schizophrenie litt – aufgrund eines überdauernden psychopathologischen
Zustands schuldunfähig ist. Zumindest in einem solchen Fall
lässt sich eine entsprechende Anwendung der Vorschrift im Sicherungsverfahren
mit ihrem Sinn und Zweck nicht vereinbaren.
Dieser besteht darin, abweichend von der Grundregel des § 467 Abs. 1
StPO von einer Belastung der Staatskasse mit den notwendigen Auslagen des
Beschuldigten absehen zu können, wenn eine solche Auslagenüberbürdung
grob unbillig bzw. ungerecht erscheint (vgl. BVerfG vom 29. Oktober 2015
2 BvR 388/13, juris Rn. 21; BGH, Urteil vom 1. März 1995 – 2 StR 331/94,
NStZ 1995, 406, 407; Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 467 Rn. 56
mwN). Das Kriterium der groben Unbilligkeit bzw. Ungerechtigkeit einer Auslagenerstattung
entspricht der Intention des Gesetzgebers bei Einfügung der
Vorschrift, der insbesondere NS-Verbrechen im Blick hatte, die mit einer Einstellung
wegen Verjährung endeten, weil die den Angeklagten zur Last gelegten
Taten wegen veränderter rechtlicher Würdigung aufgrund des Ergebnisses der
Hauptverhandlung als verjährt anzusehen waren, und in denen es nicht vermittelbar
erschien, die Staatskasse auch noch mit den Auslagen der Angeklagten
zu belasten (vgl. Deutscher Bundestag – 5. Wp. – StenBer. über die
173. Sitzung vom 10. Mai 1968, S. 9250; BVerfG vom 14. September 1992
2 BvR 1941/89, NStZ 1993, 195, 196).
Grundlage der Bewertung einer Auslagenerstattung als grob unbillig oder
ungerecht kann allerdings nur ein dem Beschuldigten vorwerfbares Verhalten
sein (vgl. BGH aaO; OLG Celle, StraFo 2013, 526, 527; OLG Köln,
StraFo 2003, 105, 106; KK-StPO/Gieg, 7. Aufl., § 467 Rn. 10b; MeyerGoßner/Schmitt,
StPO, 59. Aufl., § 467 Rn. 18). Daran fehlt es bei einem Beschuldigten,
der aufgrund eines überdauernden Zustands schuldunfähig ist.
Ihm können Verhaltensweisen, die bei einem schuldfähigen Täter die Auferlegung
seiner Auslagen auf die Staatskasse als unbillig erscheinen lassen, mangels
Verantwortlichkeit für sein Handeln nicht vorgeworfen werden. In diesen
Fällen hat es vielmehr bei der Grundregel des § 467 Abs. 1 StPO zu verbleiben,
wonach die notwendigen Auslagen des Beschuldigten der Staatskasse zur
Last fallen.

BGH, Beschl. v. 5.4.2016 - 5 StR 525/15 -

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen