Erlöschen der Betriebserlaubnis: Was bedeutet eigentlich "eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern zu erwarten"

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 16.05.2016
Rechtsgebiete: BetriebserlaubnisStrafrechtVerkehrsrecht1|5727 Aufrufe

StVZO-Vorschriften sind oft auf den ersten Blick nicht zu verstehen. Das AG Landstuhl hatte sich dabei mit § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 StVZO zu befassen, dessen Verletzung über § 69a StVZO und 24 StVG zur OWi wird. Die Vorschrift enthält dabei einen Gefährdungstatbestand, der kaum einzuordnen ist - er enthät mehr als eine rein abstrakte Gefahr, aber auch weniger als die konkrete Gefährdung. Das AG Landstuhl hat sich hieran ganz nachvollziehbar versucht: 

1. Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Inbetriebnahme eines Fahrzeugs trotz erloschener Betriebserlaubnis bei wesentlicher Verkehrsbeeinträchtigung zu einer Geldbuße von 90 EUR verurteilt.
2. Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.
Gründe:
I.
Der Betroffene ist angestellt und verfügt über ein monatliches Einkommen von 2300 EUR. Er ist ledig, schuldenfrei und weist zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung eine verwertbare Voreintragung im FAER auf:
Am 06.06.2014 überschritt er die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 21 km/h (Entscheidung der BG-Beh. Stadt Kaiserslautern vom 23.07.2014, Rechtskraft 09.08.2014, Geldbuße 80 EUR).
II.
Nach Durchführung der Hauptverhandlung hat das Gericht feststellen können, dass der Betroffene am 05.05.2015 um 19:01 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen … auf der B423 im Kreisel Sch.-K. Fahrtrichtung Sportgelände K. fuhr, obwohl die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs wesentlich beeinträchtigt war. Aufgezogen war vorne eine nicht eingetragene und auch nicht zugelassene Bereifung in der Größe 255/35 ZR21, eingetragen war die Bereifung 245/35 ZR21. Ein Teilegutachten oder eine ABE lag nicht vor. Die Vorderreifen schliffen beim Einschlag am Radkasten, wo bereits Löcher eingeschmolzen waren, deren scharfkantige Ränder den Reifen bei weiterer Fahrt mit Einschlag der Reifen beschädigen könnten. Zudem war durch den Kontakt zwischen Reifen und Radkasten das Profil des Reifens erkennbar abgefahren.
III.
Die getroffenen Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Betroffenen, soweit dieser gefolgt werden konnte, im Übrigen auf der durchgeführten Beweisaufnahme.
Der Betroffene hat behauptet, das Fahrzeug in diesem Zustand vor 14 Monaten gebraucht gekauft zu haben, mit TÜV-Abnahme.
Das Gericht hat die Zeugen … und … einvernommen, die die Kontrolle durchgeführt haben. Beide bekundeten, dass sie bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle die fehlerhafte Bereifung entdeckt haben und bei Einschlag der Vorderräder den Kontakt zum Radkasten sowie die Abplatzungen im Radkasten sowie die Abriebspuren an den Vorderreifen gesehen haben und beides unzweifelhaft dem Kontakt zwischen Reifen und Radkasten zuordnen konnten. Insbesondere erklärten sie Letzteres nach Vorhalt der in Augenschein genommenen und verlesenen Lichtbilder As7, Lichtbild 1, und Lichtbild As11, Lichtbild 9, wo das Wort „vermutlich“ aufgeführt war. Auf die beiden Lichtbilder wird jeweils verwiesen, § 267 Abs. 1 S. 3 StPO.
Ergänzend wurden die Lichtbilder As7, Lichtbild 2, As8, Lichtbild 3, As9, Lichtbilder 5 und 6, und As10, Lichtbild 8 in Augenschein genommen und verlesen. Dort sind die Kontaktspuren und Auswirkungen auf Reifen und Radkasten deutlich erkennbar. Auf die genannten Lichtbilder wird gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO jeweils einzeln verwiesen.
Das Gericht hat sich vornehmlich durch die Zeugenberichte und ergänzend durch die Inaugenscheinnahme der genannten und verwiesenen Lichtbilder von dem Kontakt der Reifen und der dadurch hervorgerufenen Spuren und Schäden überzeugen können. Der Betroffene hat diese nicht in Abrede gestellt.
Das abgebildete TÜV-Gutachten vom 12.04.2012 wurde ausweislich As12 in Augenschein genommen und verlesen. Die abgebildete Betriebserlaubnis wurde auf As13 in Augenschein genommen und verlesen. Die abgebildete Zulassungsbescheinigung wurde auf As14 in Augenschein genommen und verlesen.

Der FAER wurde verlesen.

IV.
Der Betroffene hat sich deshalb wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen §§ 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 2, Abs. 5, 69a StVZO, 24 StVG zu verantworten. Er hat sein Fahrzeug seit Erwerb - so seine Einlassung - in Betrieb genommen, obwohl die Reifen seines Fahrzeugs weder dafür zugelassen noch eingetragen noch eintragungsfähig waren. Der Verstoß richtet sich hier nach § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 StVZO. Denn es liegt gerade keine Teilegenehmigung oder eine sonstige Betriebserlaubnis im Sinne des § 19 Abs. 3 StVZO vor (vgl. Krenberger/Ternig/Schärer, DAR 2015, 661 ff.). Die tatbestandlich erforderliche Gefährdung des Straßenverkehrs lag hier nicht nur prognostisch, was bereits ausreicht, sondern schon konkret vor. Durch die Schleifpunkte ergaben sich Abplatzungen und Schabflächen an Reifen und Radkasten, die nicht nur in Bälde zu einem Platzen der Reifen führen könnten, sondern die darüber hinaus auch in Form von scharfkantigen Stellen im Radkasten eine konkrete Gefahr für die Bereifung darstellen. Der rechtliche Einwand des Betroffenen, dass der Tatbestand nur verwirklicht wäre, wenn sich eine konkrete Gefahr manifestiert hätte, ist unzutreffend. Die konkrete Gefahr, die hier zudem verwirklicht war, kann mit der hinreichenden Gefahrprognose, die für § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 StVZO erforderlich ist (vgl. auch NK-GVR/Semrau, 1. Aufl., 2014, § 19 StVZO m. w. N.) zusammenfallen, muss es aber nicht tun.
Dem Betroffenen kann hier kein vorsätzliches Verhalten vorgeworfen werden. Es ergeben sich keine hinreichenden Indizien dafür, dass er selbst die Reifen montiert bzw. bewusst trotz der fehlende Eintragung gefahren ist. Er hätte allerdings - gewissermaßen vor jeder Fahrt - den ordnungsgemäßen Zustand des Fahrzeugs kontrollieren müssen, was er ganz offensichtlich nicht getan hat.

V.
Hinsichtlich der Rechtsfolge war vom Regelrahmen der BKatV her eine Geldbuße von 90 EUR anzusetzen. Besondere Umstände des Falles, die ein Abweichen nach oben oder unten geboten hätten, waren weder vorgetragen noch ersichtlich. Eine Erhöhung der Geldbuße wegen der Voreintragung war aus Sicht des Gerichts nicht geboten. Es bestand weder ein zeitlicher noch ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen der Geschwindigkeitsüberschreitung und dem jetzigen Verstoß.

AG Landstuhl, Urteil vom 16.03.2016 - 4286 Js 13422/15

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1 Kommentar

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Sehr geehrter Herr Krumm,

ich hätte hier einige Anmerkungen zum Thema "Erlöschen BE" die bislang noch in keinem Urteil zur Sprache gekommen sind.

Die Betriebserlaubnis erlischt Kraft Gesetz durch die Handlung einer Person ohne das eine Behörde das Erlöschen anordnet oder feststellt.

Der Tatbestand hängt vom subjektiven Sicherheitsempfunden eines Polizeibeamten ab. Wie hoch kann die Gefährdung sein, wenn einzelne Fahrzeuge bereits mehrmals ohne Beanstandung durch die Polizei oder Prüfer der Überwachnungsorganisationen kontrolliert wurden.

Wie verhält es sich, wenn bestimmte Bauteile vor dem Erstellen einer Einzelbetriebserlaubnis angebracht wurden. Die erteilte BE ist meines Erachtens gültig.

Wie verhält es sich, wenn die Teile angebracht und ohne Kenntnisnahme der Polizei wieder abgebaut werden. Die BE ist und bleibt erloschen, ohne dass die Verwaltungsbehörde davon Kenntnis bekommt.

Kann eine Betriebserlaubnis erlöschen, die auf Grundlage einer CoC erteilt wurde, die ja weiterhin Gültigkeit hat oder wird sie nur für die Dauer der Gefährdung ungültig und lebt wieder auf?

Ebenso wenig wurden die Nebenfolgen besprochen. Ist es verhältnismäßig, wenn ein Fahrzeug bis zur Erteilung einer neuen Betriebserlaubnis nicht auf öffentlichen Verkehrsgrund geführt werden darf. Gerade im Bereich des gewerblichen Kraftverkehrs sind wir schnell im vierstelligen Bereich des Verdienstausfalls aufgrund einer abstrakten Gefährdung. Hinzukommen Kosten für das Gutachten sowie Gebühren der Behörde.

Wie sieht es mit der Gleichbehandlung aus, wenn für den gleichen Tatbestand an ausländischen Fahrzeugen die Weiterfahrt nur für die Dauer der Gefährdung unterbunden werden kann und im Bußgeldkatalog lediglich eine Strafe von 80,- Euro vorgesehen ist?

Mir ist bewußt, dass sich aufgrund meines Schreibens nichts ändert aber ich musste mal meinen Gedanken über diesen unsinnigen Tatbestand freien Lauf lassen.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Richter

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