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Bild von Caroline Walser Kessel

Fair Play: Kinder lernen das Gesetz Vortrag von Caroline Walser Kessel und Maria Crespo anlässlich der Münchner Tagung zur Rechtsvisualisierung, zum Audiovisuellen und Multisensorischen Recht

Caroline Walser Kessel

2010-01-25 13:53

 

Fair Play – Kinder lernen das Gesetz

 

Vorstellung des Entwurfs zu einem Kinder- und Jugendbuch zum Thema Fairness und Gerechtigkeit – Fortsetzung des Projekts Fair Play 

 

In unserem Beitrag an der Tagung zur Rechtsvisualisierung, zum Audiovisuellen und Multisensorischen Recht in München 2009 haben Caroline Walser Kessel und Maria Crespo den Entwurf zu einem etwas besonderen Kinder- und Jugendbuch vorgestellt. Das Buch ist ein Folgeprojekt zur Studie Fair Play über den Gerechtigkeitssinn von Kindern. (Vgl. Caroline Walser Kessel / Maria Crespo: Visualisierung von Rechtsnormen durch Kinder – Darstellung ihres Fairness- und Gerechtigkeitssinns in: Jusletter vom 24. August 2009)

 

Vorgesehen ist ein Mischtyp zwischen Lese- und Schulbuch. Es handelt sich dabei um ein „work in progress“, nicht um ein fixfertiges Produkt. Mit diesem Lehrbuch sollen rechtliche Inhalte auf möglichst unterhaltsame Weise an die Kinder und Jugendlichen herantragen werden, denn diese werden in unserer zunehmend verrechtlichten Umwelt je länger je mehr im Alltag mit Recht konfrontiert. Das Buch soll allgemeine Rechtsgrundsätze vermitteln und allenfalls auch im Ausland verwendbar sein. Gesetzestexte werden deshalb nur als Beispiele verwendet, es soll kein Kurzlehrbuch für schweizerisches Recht sein.

 

Vorläufiger Inhalt des Buches:

Einführung

  1. Kapitel: Was ist Gerechtigkeit, Fairness? (Beispiele, Grundsätze, geschichtliche und kulturelle Entwicklung des Gerechtigkeitsdenkens, Anwendung in der Rechtspraxis und im Alltag)
  2. Kapitel: Regel, Vertrag, Gesetz (Rechtsätze im allgemeinen, Form und Inhalt)
  3. Kapitel: Sachenrecht: Was ist mein und Dein? (Vom Umgang mit eigenen und fremden Sachen)
  4. Kapitel: Haftpflichtrecht: Schädige niemanden! (Schaden, Schadenersatz und Genugtuung)
  5. Kapitel: Strafrecht: Was ist verboten und warum? (Tat, Schuld und Strafe, Wiedergutmachung)
  6. Kapitel: Familienrecht: Von der Familie und ihrem Bezug zum Recht (Eltern und Kinder, Streit unter den Eltern, Scheidung, Tod eines Familienmitglieds)
  7. Kapitel: Persönlichkeitsrecht: Meine Persönlichkeit im Recht (Schutz der Persönlichkeit in Familie, Schule und Medien, mein Körper und mein Bild)
  8. Kapitel: Vertragsrecht: Ich mache Geschäfte! (Grundsätze der fairen Vertragsgestaltung, Beispiele der häufigsten Verträge im Alltag von Jugendlichen)
  9. Kapitel: Billigkeit: Anwendung des Grundsatzes „Gnade statt Recht“ in Extremfällen

Schlussdiskussion

 

Der Umfang soll ca. 120 Seiten ( ca. 10 Seiten pro Kapitel) betragen. Die einzelnen Kapitel werden für den Blockunterricht konzipiert. Das Buch soll aber auch ein Lesebuch sein und unterhaltsame Geschichten zu rechtlichen Themen enthalten. Es wird vorwiegend ein konstruktivistischer Ansatz gewählt, d.h. jedes Kapitel enthält eine Einleitung mit einem komplexen Lehr- und Lernarrangement, eine Geschichte mit der Aufforderung, das Problem zu erkennen und zu bezeichnen sowie Wissensgrundlagen, um die Probleme lösen zu können. Je nach Thema in den einzelnen Kapiteln ist aber auch ein instruktionistischer, traditioneller Ansatz möglich mit Texten zur fachlichen Information und Aufgaben zum Lösen.

 

Auf Visualisierung wird grosser Wert gelegt. Die Studie Fair Play hat eindeutig gezeigt, dass Kinder z.B. Gesetzestexte sehr gut visualisieren können. Auf dieser Erkenntnis soll das Buch aufbauen. Farbige, zum Text passende Bilder, Photos, Comics, Zeichnungen aus der eigenen Unterrichtstätigkeit sowie Kinderzeichnungen aus der Studie Fair Play sollen den rechtlichen Inhalt veranschaulichen. Die Bilder sollen nicht nur der „Verschönerung“ des Buches dienen, sondern werden in die Aufgabenstellungen einbezogen. Es gibt Fragen zu den Bildern, um deren Sinn und (symbolischen) Bedeutungsinhalt zu reflektieren und Aufgaben, die von den SchülerInnen eine eigene Darstellung von Rechtsproblemen verlangen.

 

Vorgesehen sind im weiteren Interviews mit Fachleuten, Aufgabentextblöcke und Fragenkataloge für die eigene Bearbeitung durch die Schüler sowie ein Glossar mit einfachen Erklärungen zu juristischen Fachbegriffen.

 

Die Autorinnen haben sich bewusst für eine „konservative“, d.h. ruhige Darstellungsart entschieden: Keine ineinander geschobenen Bilder mit zackigen Umrissen oder über die ganze Seite verstreuten Textblöcke (wie man sie heute in Kinderbüchern und neulich in Tageszeitungen häufig sieht). Da der Inhalt sehr anspruchsvoll ist, soll die Aufmerksamkeit nicht durch eine wilde Graphik abgelenkt werden. Der Text soll durch die grafischen Akzente sowie gute, schöne und instruktive Bilder besser strukturiert  und aufgelockert werden.

 

Es liegt den Autorinnen während der Gestaltungsphase sehr daran, den Kontakt zu den späteren „Kunden“, den jungen LeserInnen, aufrecht zu erhalten. Sie haben bereits in ihrer empirischen Studie Fair Play viel Erfahrung damit gesammelt, wie man Kinder und Jugendliche zu rechtlichen Inhalten befragt. So wollen sie deren Meinung auch bei diesem Buchprojekt berücksichtigen und zwar nicht nur zu den Inhalten, sondern auch zu Form und Gestaltung des Buches. Dieses Lehrmittel soll also ganz nahe bei den Jugendlichen produziert werden, in ständigem Dialog mit ihnen. Wichtig ist dabei, dass die Befragten - wie bei Fair Play-Studie – aus verschiedenen Milieus stammen, damit repräsentative Aussagen zur Verfügung stehen. Mit diesen Befragungen stehen wir heute erst am Anfang, die bisherigen Rückmeldungen waren jedoch sehr positiv.

 

Anlässlich der Tagung haben wir die Buchteile „Einführung“ und „1. Kapitel: Was ist  Gerechtigkeit und Fairness und wie wird Gerechtigkeit und Fairness durchgesetzt?“  vorgestellt.

 

In der Einführung soll den jungen LeserInnen kurz dargelegt werden, warum sie ein solches Buch überhaupt in den Händen halten. Die Verrechtlichung des Alltags auch von Kindern und Jugendlichen ist dabei ein wichtiger Aspekt.

 

Das erste Kapitel ist in drei Teile gegliedert: 1. Gedanken über Gerechtigkeit und Fairness, 2. Wie Gerechtigkeit und Fairness im Alltag durchgesetzt wird und 3. Kunterbuntes zu Gerechtigkeit und Fairness.

Im ersten Teil wird die Thematik Gerechtigkeit und Fairness durch Grundsatzfragen, Zielsetzungen und Beispiele aus Alltag und Gesetzgebung (allgemeingültige Normen) eingeführt. Interkulturelle Gerechtigkeitsregeln aus dem Werk von Otfried Höffe (Gerechtigkeit. Eine philosophische Einführung, München 2002, S. 9 f.) werden thematisiert, aufgelockert durch ein Bild aus der Studie Fair Play. Dieser Teil dient dem mentalen „Aufwärmen“ und Vorbereiten auf die folgenden Teile und das gesamte Buch.

Im zweiten Teil geht es vor allem um die Darstellung des Gerichtswesens von seiner historischen Entstehung bis zur heutigen Ausgestaltung. Das Verständnis für die Besonderheit des Ablaufs und Rituals eines Prozesses soll anhand historischer und aktueller Beispiele geweckt werden. Bunte Bilder von Gerichtsszenen und Gerichtssälen aus alten Handschriften werden verglichen mit eigens für unser Buch von einem Richter erstellten Fotographien des Bezirksgerichts Zürich (grösstes erstinstanzliches Gericht der Schweiz).

Der Ablauf eines Straf- bzw. Zivilprozesses wird erläutert, wobei die allgemeingültigen Elemente und Grundsätze (Prozessmaximen) hervorgehoben werden. Schematische Darstellungen sollen das Verständnis erleichtern. Im Anschluss an die Schemata werden Fragen bezüglich TV-Gerichtsserien oder Kriminalfilmen gestellt, die Problematik „Das Gericht am Fernsehen“ wird aufgegriffen sowie das wichtige Thema des Scheiterns – meist aus formellen Gründen – von Gerechtigkeit und Fairness im Prozess („Recht haben – Recht bekommen“).

Im dritten Teil wird Kunterbuntes zu Fairness und Gerechtigkeit geboten. Kernstück ist, vor allem im Anschluss an die vorgängige Diskussion des Gerichtsprozesses, die Interviewserie mit einem Richter, einer Rechtsanwältin und dem Klienten eines Rechtsanwalts. Darauf folgt eine kurze Zusammenstellung von Aussagen der Kinder, die sie im Laufe der Studie Fair Play geäussert haben.

Der letzte Abschnitt widmet sich der Darstellung der „Gerechtigkeit“ im Spiegel von Gegenwart, Geschichte und Kultur. Dabei dürfen Bilder der verschiedenen „Justitia-Damen“ nicht fehlen. Aufgabe: Schaffung eigener Fairnessregeln für den Alltag und bildhafte Darstellung der „Gerechtigkeit“ für das Schulzimmer.

Dass Kinder fähig sind, den abstrakten Begriff „Gerechtigkeit“ gestalterisch darzustellen, wurde anhand eines Pilotprojektes gezeigt, werlches Caroline Walser Kessel zu Beginn der Studie Fair Play im Jahr 2002 mit sechs PrimarschülerInnen zwischen 6 und 12 Jahren durchgeführt hatte. Mit den Bildern dieser symbolischen Umsetzungen von „Gerechtigkeit“ haben wir die Präsentation des ersten Buchkapitels beendet.

Im Anhang finden Sie die vollständige Präsentation zum Workshop 2002 (Pilotprojekt zur Studie Fair Play).  

 

 

 

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