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Tendenziöse Gutachten in Strafsachen?

Meyer-Falk

2014-02-19 09:31

Venzlaff und Foerster, beide renommierte Vertreter ihres Fachs, thematisieren durchaus „Rollenkonflikte“ (Venzlaff/Foerster, a.a.O., Seite 11), die auftreten können. Sei es, dass man sich überidentifiziert mit dem Probanden, oder aber mit dem Ankläger oder dem Gericht. D.h. es scheint durchaus ein Problembewusstsein vorhanden zu sein.

Eine aktuelle Studie (vorgestellt in: „Deutsches Ärzteblatt“, Heft 6/2014, Seite A 210 – A 212) des Doktoranden Benedikt Jordan und Frau Prof. Dr. med Ursula Gresser von der Ludwig-Maximilian-Universität München, lässt jedoch den Verdacht aufkommen, dass tendenziöse Gutachtenerstattung zumindest kein Randphänomen ist.

Jordan und Gresser befragten rund 250 in Bayern tätige Sachverständige, darunter 48 PsychiaterInnen und 41 PsychologInnen. Immerhin über 80% der PsychiaterInnen erstatten mehr als 12 Gutachten pro Jahr vor Gericht. Bei 30% der PsychiaterInnen und 48% der PsychologInnen machen die durch die Gutachten erzielten Honorare über die Hälfte des Einkommens aus.

Während immerhin rund 30% PsychiaterInnen in Einzelfällen bei einem Gutachten die gewünschte Tendenz des Gutachtens signalisiert wurde, ist dies bei PsychologInnen in über 42% der Fall. Und immerhin 34% der PsychiaterInnen gaben an, in Einzelfällen oder häufig aus dem Kollegenkreis gehört zu haben, das eine Tendenz oder Vorgabe erfolgt sei; bei den PsychologInnen sogar über 57%.

Hieraus folgern Jordan/Gresser, dass die Neutralität gefährdet sei. Schon die „Signalisierung einer Tendenz“ gefährde die Neutralität der Gutachtenerstattung; erst recht, wenn dann noch die wirtschaftliche Abhängigkeit hinzu trete, was zumindest dann gegeben sei, wenn der Anteil der Gutachtenhonorare mehr als 50% der Einnahmen ausmache. Vollständiger Artikel unter: https://linksunten.indymedia.org/de/node/106467

Thomas Meyer-Falk, z. Zt. JVA Freiburg

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