Schriftliche Urteile: Auskunftsrecht von Journalisten
Ruhrnalist
2014-02-05 16:40Habe ich als Journalist ein berechtigtes Interesse, wenn ich das schriftliche Urteil eines öffentlichen Straf-Prozesses einsehen will? Kann ich eine Abschrift verlangen?
Das Urteil wird im Namen des Volkes gesprochen. Wie soll ich als "vierte Gewalt" sonst die Judikative kontrollieren?
Falls nicht: warum eigentlich: Rechtsgrundlage?
Speziell frage ich nach einem Urteil über Korruption, wo die Öffentlichkeit die Geschädigte ist.
PS: Es wäre ja auch denkbar, personenbezogene Angaben zu schwärzen.
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17 Kommentare
Kommentare als Feed abonnierenRüsberg kommentiert am Permanenter Link
OVG Thüringen, Beschluss v. 13.03.2015, Az. 1 EO 128/15, Link: http://tlmd.in/u/1546
Wenn ich das richtig verstehe, bezieht sich das OVG vor allem darauf, dass es sich um ein nicht rechtskräftigen Beschluß handelt. Bedeutet das im Gegenschluß, dass bei Rechtskräftigkeit anders geurteilt werden müßte?
Recktenwald kommentiert am Permanenter Link
Was Problem ist auch: Was ist ein Journalist? Habe einen Mandanten, der sich einbildet, als Journalist sei er besser als John Doe. Er hat zwar Recht, aber nur als Lieschen Mueller, die nicht schlechter ist. Warum sollen nicht rechtskraeftige Urteile nicht veroeffentlichungswuerdig sein und warum sollen sie, wie unten das BVerwG hervorhebt, nur eine Fachoeffentlichkeit interessieren? Ist die allgemeine Oeffentlichkeit zu bloede? Im Zweifel sind die Vorgaenge viel zu kompliziert als dass sich Lieschen Mueller darauf einen sinnvollen Reim machen koennte, aber warum soll sie die Texte nicht trotzdem lesen koennen? Gebietet das der Schutz der dritten Gewalt? Wir erinnern uns an die Kaffeetassen eines Anwaltes..
Waldemar Robert Kolos kommentiert am Permanenter Link
Genau. Wenn ich aber das BVerwG richtig verstanden habe, dann kann der Anspruch auf Überlassung einer Urteilsabschrift auch von Lieschen Meuller geltend gemacht werden. Nur leitet sich ihr Anspruch nicht aus § 4 LPresseG ab. Das spielt aber keine Rolle.
Recktenwald kommentiert am Permanenter Link
Ja, Danke, das BVerwG weiss es auch!
Waldemar Robert Kolos kommentiert am Permanenter Link
Mir ist bisher nicht bekannt, dass es in NRW ein Problem sei, die Abschrift eines Urteils zu bekommen, um über Ansprüche und deren Durchsetzung nachdenken zu müssen. Siehe das Justizportal:
http://www.justiz.nrw.de/Bibliothek/nrwe2/index.php
Rüsberg kommentiert am Permanenter Link
Das stimmt wohl. NRW scheint mir da als eine lobenswerte Ausnahme. Ändert aber nichts daran, dass andere Bundesländer keine Urteile herausgeben, sondern das macht es noch unverständlicher.
Recktenwald kommentiert am Permanenter Link
Das Wort "gebuehrenpflichtig" ist dann eine Bremse, die einem "Missbrauch" eine Grenze setzt.
Waldemar Robert Kolos kommentiert am Permanenter Link
Dann dürfte die nachfolgende Entscheidung des BVerwG (6 C 35/13) helfen:
http://www.bverwg.de/entscheidungen/entscheidung.php?ent=011014U6C35.13.0
Rüsberg kommentiert am Permanenter Link
Vielen Dank, das BVerwG-Urteil ist sehr interessant und wichtig für Journalisten. Allerdings löst es noch nicht die Frage, ob Journalisten ein Recht haben, die volle Urteilsabschrift zu erhalten.
Waldemar Robert Kolos kommentiert am Permanenter Link
Das sehe ich aber anders. Das BVerwG hat über den Anspruch auf Erteilung einer Urteilsabschrift in nicht anonymisierten Form bezüglich einiger am Verfahren teilnehmender Personen entschieden. Das schließt natürlich einen Anspruch auf Erteilung einer im Übrigen anonymisierten Urteilsabschrift mit ein. Insoweit hat das BVerwG auf seine frühere Entscheidung (BVerwG 6 C 3/96) Bezug genommen (Rdnr. 51):
In BVerwG 6 C 3/96 heißt es:
http://www.bverwg.de/entscheidungen/entscheidung.php?ent=260297U6C3.96.0
Ich denke, mehr kann man sich nicht wünschen, um den Anspruch auf Erteilung von Urteilsabschriften zu begründen.
Recktenwald kommentiert am Permanenter Link
Und was ist "veroeffentlichungswuerdig"? Da faengt die Frage doch erst an. Vielleicht faengt das Problem auch schon frueher beim Informationsanspruch an, der mehr ist as eine unverbindliche Bitte, wenn mal ein Gericht nicht will. Das wird dann schnell ein Stan und Laurel'sches Chaos.
Und warum sollten die Beteilgten eigentlich anonymisiert werden? Warum sollen wir nicht wissen, was unsere lieben Mitbuerger so alles treiben? Auf wen geht diese Verdunklung eigentlich zurueck? War das der boese Globke? Es ist jedenfalls nicht selbstverstaendlich. Die Entscheidungen des Europaeischen Gerichtshofs fuer Menschenrechte, der es wissen sollte, sind auch nicht anonymisiert.
Rüsberg kommentiert am Permanenter Link
Diese Frage nach der "Veröffentlichungswürdigkeit" wollte ich auch stellen. Damit steht und fällt doch alles. In meinem Auskunftsersuchen gegen die Justiz in München geht es um Korruption von 2 Haupttätern gegenüber staatl. Einrichtungen in Mio Höhe. Der Fall wurde sogar umfänglich öffentlich berichtet und hat bis heute Brisanz. Trotzdem bekomme ich das Urteil nicht. Allerdings werde ich mit Hinweis auf das BVerwG Urteil von Oktober 2014 einen neuen Anlauf machen.
Recktenwald kommentiert am Permanenter Link
Reicht es nicht, dies festzustellen? Es ist doch viel peinlicher, als es ein Urteilstext je sein koennte.
Es geht dabei auch um das "allgemeine Persoenlichkeitsrecht" von Richtern, welches vielleicht das bestgehuetetste Geheimnis dieser Republik ist und vielleicht auch gar nicht anders sein kann, weil sonst der Staat sofort zusammenbraeche. Man muss nur einmal in die Universitaeten gehen um zu sehen, mit welchen Argumenten spaeter Menschenleben zerstoert werden. "Vertretbar" heisst es da oder auch "noch vertretbar". Die Haerte der Ausbildung mag zwar die schlimmsten Auswuechse verhindern, wie die Rechtssoziologen sagen, aber nicht alle. Es bleiben noch einige Moeglichkeiten, vor allem in "summarischen" Verfahren, und manschmal lebst sich so ein Jurist richtig aus, auch wenn das dann nicht mehr "noch vertretbar" ist.
Waldemar Robert Kolos kommentiert am Permanenter Link
Was veröffentlichungswürdig ist, das entscheiden die Medien bzw. Sie als Medien-Vertreter.
Dass es um München geht, überrascht mich nicht wirklich. Bei der Veröffentlichung des Hoeneß-Urteils hatte der LG-Präsident auch zunächst gebockt, schließlich aber dann doch nachgegeben.
Meine Liebligsstelle aus der Entscheidung des BVerwG ist:
Recktenwald kommentiert am Permanenter Link
Eine wunderbare Auslegung des Wortes "veroeffentlichungswuerdig" und theoretisch bestechend, so ist es, aber stellen wir uns doch nur mal vor, jeder waere ein Journalist. Der Wunsch nach Transparenz kennt keine Grenzen, aber irgendwann ist die Justiz erschoepft, in Bayern vielleicht, der Foehn, schon frueher.
Waldemar Robert Kolos kommentiert am Permanenter Link
Gegen Erschöpfung hilft der Gebrauch von Entscheidungsdatenbanken, die in Bayern noch sehr übersichtlich sind.
Waldemar Robert Kolos kommentiert am Permanenter Link
Ich bin heute von Herrn Garcia mit Link auf die Entscheidung der LG-Präsidentin in Koblenz hingewiesen worden, wonach die Veröffentlichung des Deubel-Urteils verweigert wird:
http://www.mjv.rlp.de/icc/justiz/nav/634/broker.jsp?uMen=634b82f7-d698-1...
Es ist schon erschreckend, wie wenig die Entscheidungsbegründung mit der Rechtsprechung des BVerwG zu tun hat. Eigentlich kaum vorstellbar, dass sie ignoriert wird. Es bleibt die Vermutung, dass dies eine rein politische Entscheidung war und die Präsidentin von dem Justizminister zu dieser Entscheidung dienstlich angewiesen wurde. Das wäre bei bestehender Rechtslage für die Fremdorganisation der Justiz durchaus zulässig.