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Lasst sie niemals frei!?

Meyer-Falk

2014-03-03 09:17

Aus dem Gefängnis oder der forensischen Psychiatrie wird man nur dann
„vorzeitig“ entlassen, wenn „dies unter Berücksichtigung der
Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit verantwortet werden kann“ (§ 57
StGB), bzw. bei den Maßregeln, sofern „zu erwarten ist, dass der
Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten
begehen wird“ (§ 67 d StGB).

Insbesondere für den Bereich der SV (Sicherungsverwahrung) fordern immer
wieder konservative Kreise, dass eine Freilassung nur unter engsten
Voraussetzungen erfolgen solle (aus gutachterlicher Sicht nahm vor
einigen Wochen hier im Forum Dr. Sponsel Stellung
(http://community.beck.de/gruppen/forum/80-jahre-sicherungsverwahrung#comment-56125).
Ebenso prominent äußerte sich die vormalige Leiterin der
Sozialtherapeutischen Abteilung in der JVA Straubing (Bayern), Frau
Dipl. Psych. Preusker. Im FOCUS forderte sie unmissverständlich: „Lasst
sie niemals frei!“ (in einem Roman, „Die Verwahrten“ greift sie ihren
damaligen Meinungsbeitrag auf und erneuert ihre Forderung).

In den Haftanstalten wird, besonders intensiv im Bereich der SV, ein
umfangreiches Angebot an gruppen- und einzeltherapeutischen Maßnahmen
vorgehalten, ergänzt durch milieutypische Interventionen, insbesondere
seitens fortgebildeter BeamtInnen des uniformierten Dienstes. All dies
wäre überflüssig, würde sich die Forderung („Lasst sie niemals frei!“)
durchsetzen.

An anderer Stelle (http://de.indymedia.org/2014/01/351969.shtml)
erläutere ich, aus Sicht eines Verwahrten, therapeutische Interventionen
im Bereich der SV; dort wird dann auch näher belegt, dass angesichts der
objektiven Studienlage, aus rationalen Erwägungen heraus, Forderungen
wie die von Frau Preusker, unberechtigt sind, da die angebliche
Gefährlichkeit der Probanden regelmäßig überschätzt wird.
Es ist allerdings zur Zeit nicht zu erwarten, dass sich rationale
Erwägungen durchsetzen werden. Schon vor rund 10 Jahren thematisierte
das Institut für Konfliktforschung e.V. auf einer Tagung die „Neue Lust
auf Strafen“ (vgl. den gleichnamigen Tagungsbericht, erschienen 2005 in
der Schriftenreihe des Instituts für Konfliktforschung, Hrsg.
Rode/Kammeier/Leipert), und belegte eine Entwicklung weg vom
Rechtsstaat, hin zu einem „Sicherheitsstaat“, wo die Beseitigung von
„Gefahren“ im Mittelpunkt stehe, ausgehend von Feinden (sogenanntes
„Feindstrafrecht“).

Thomas Meyer-Falk, z. Zt. JVA Freiburg

 

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1 Kommentar

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Zum Problem wegsperren für immer und einer entsprechenden TäterInnen-Typologie

Die Auflassung, dass es gefährliche und unverbesserliche StraftäterInnen gibt, ist meiner Meinung nach wahrscheinlich richtig.

Die vier Eingangsmerkmale des § 20 StGB umfassen ein extrem weites Feld an TäterInnen. Nimmt man als fünfte Möglichkeit Unschuldige (z.B. Mollath, Kulac) hinzu, ist so ungefähr alles abgedeckt, was die Menschheit zu bieten hat.

Diese Vielfalt in ein Haus zu sperren, ist sozusagen von Haus aus Unsinn. Die Annahme, dass man jeden "therapieren" kann, ist ebenfalls Unsinn wie auch die Idee, Kriminalität allgemein als Krankheit anzusehen. Dieser Rückfall in den Psychobiologismus wurde 2008 anläßlich der Eickelborner Fachtagung leider auch noch von einem Psychologen getoppt.

Der kritische Bereich ist ohne Zweifel der der sog. Persönlichkeitsstörungen, von denen meiner Meinung nach nicht wenige gar nicht in forensische Kliniken gehören, sondern eben in die Sicherungsverwahrung. Und hier, meine ich,  gibt es ziemlich sicher eine Reihe von Persönlichkeiten, die man besser nicht mehr rauslässt. Ich deute Kollegin Preusker so, dass sie von diesem Teil spricht, wenn sie unter dem Eindruck ihrer Berufs- und persönlichen Opfererfahrung fordert: "Lasst sie nie mehr raus." Ansonsten kenne ich den Fall nicht gut genug, um mir ein Urteil zu erlauben, etwa ob hier der Fall einer Beziehungstat vorliegt (vier Jahre Therapie kann intensive Beziehungsprobleme hervorbringen).

Bei der Sicherungsverwahrung geht es um die Gefährlichkeit, die unabhängig von der § 20 StGB Problematik vorliegt. Die logische Beziehung lautet: "63er" sind gefährlich, aber nicht jeder Gefährliche ist ein "63er".  Bei Nicht-63er-Gefährlichen würde ich auch nicht von "Therapie" sprechen. Im Grunde fehlt ein richtiges Wort, um den Sachverhalt angemessen zu benennen, das es auch nicht selten anzutreffenden Machos, die partout keine "Psychos" sein wollen, erleichterte, die Aufgabe anzunehmen. Worum geht es? Natürlich um Einsicht in die persönliche Delinquenzgeschichte und um künftige Kontrolle der gefährlichen Risikofaktoren. Die Gretchenfrage lautet: kann man einem gefährlichen Delinquenten dabei helfen, seine Gefährlichkeit zu verstehen und künftig zu kontrollieren? Diese Hilfe könnte man als Persönliches Delinquenz-Coaching (PDC) bezeichnen, als übergeordneter Begriff taugt Persönlichkeitsentwicklung, damit wäre der Geruch von Krankheit weg. Ein gefährliche Sicherungsverwahrte würde also zeigen müssen, dass sie an einem solchen Persönlichen Delinquenz-Coaching (PDC) Interesse hat und in ihrer Persönlichkeitsentwicklung erfolgreich durchläuft bevor sie unter Führungsaufsicht auf Bewährung entlassen werden kann.     

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