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Herr Seibert, schämen Sie sich!

joachim.kretschmer

2012-12-04 10:58

Politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen

und sonstigen Rüstungsgütern

In dem Bestreben,

- ihre Rüstungsexportpolitik restriktiv zu gestalten,

- im Rahmen der internationalen und gesetzlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik

Deutschland den Export von Rüstungsgütern am Sicherheitsbedürfnis und

außenpolitischen Interesse der Bundesrepublik Deutschland zu orientieren,

- durch seine Begrenzung und Kontrolle einen Beitrag zur Sicherung des Friedens, der

Gewaltprävention, der Menschenrechte und einer nachhaltigen Entwicklung in der Welt

zu leisten,

- dementsprechend auch die Beschlüsse internationaler Institutionen zu berücksichtigen,

die eine Beschränkung des internationalen Waffenhandels unter

Abrüstungsgesichtspunkten anstreben,

- darauf hinzuwirken, solchen Beschlüssen Rechtsverbindlichkeit auf internationaler

Ebene, einschließlich auf europäischer Ebene, zu verleihen,

hat die Bundesregierung ihre Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen

Rüstungsgütern wie folgt neu beschlossen:

I. Allgemeine Prinzipien

1. Die Bundesregierung trifft ihre Entscheidungen nach dem Gesetz über die Kontrolle von

Kriegswaffen (KWKG) und dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) über Exporte von

Kriegswaffen1 und sonstigen Rüstungsgütern2 in Übereinstimmung mit dem von dem Rat der

Europäischen Union (EU) angenommenen ”Verhaltenskodex der Europäischen Union für

Waffenausfuhren” vom 8. Juni 1998 bzw. etwaigen Folgeregelungen³ sowie den von der

Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) am 25. November 1993

verabschiedeten ”Prinzipien zur Regelung des Transfers konventioneller Waffen”. Die

Kriterien des EU-Verhaltenskodex sind integraler Bestandteil dieser Politischen Grundsätze.

Soweit die nachfolgenden Grundsätze im Verhältnis zum EU-Verhaltenskodex restriktivere

Maßstäbe vorsehen, haben sie Vorrang.

2. Der Beachtung der Menschenrechte im Bestimmungs- und Endverbleibsland wird bei den

Entscheidungen über Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern besonderes

Gewicht beigemessen.

3. Genehmigungen für Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern werden

grundsätzlich nicht erteilt, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass diese zur internen

Repression im Sinne des EU-Verhaltenskodex für Waffenausfuhren oder zu sonstigen

fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden. Für

diese Frage spielt die Menschenrechtssituation im Empfängerland eine wichtige Rolle.

4. In eine solche Prüfung der Menschenrechtsfrage werden Feststellungen der EU, des

Europarates, der Vereinten Nationen (VN), der OSZE und anderer internationaler Gremien

einbezogen. Berichte von internationalen Menschenrechtsorganisationen werden ebenfalls

berücksichtigt.

5. Der Endverbleib der Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgüter ist in wirksamer Weise

sicherzustellen.

 

Herr Seibert, haben Sie das gelesen?

 

Diese Grundsätze hat sich die Bundesregierung als Maßstab gegeben.

 

Wer jetzt zum Beispiel den Länderbericht zu Saudi-Arabien bei amnesty international liest, der staunt: das Land ist eine absolute Demokratie und fernab aller demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien. Frauenrechte werden missachtet, es herrscht politische Verfolgung, von einer rechtsstaatlichen Justiz kann keine Rede sein, es gibt angeblich Folter und auch Hinrichtungen. Und es waren saudische Sicherheitskräfte, die im März 2011 in Bahrain einmarschierten, um dort nachbarschaftliche Hilfe bei der Niederschlagung einer oppositionellen Protestbewegung zu leisten. Sind diese damals mit dem Bus gefahren, werden sie das in Zukunft tun? Oder nehmen sie in Zukunft den „Boxer“?

 

Herr Seibert? Was ist das für ein Stabilitätsfaktor?

 

Und außerdem: Die Rüstungsexportpolitik und –wirtschaft ist hochgradig korruptionsbelastet. Schon vergessen? Ferrostaal und die U-Boote nach Griechenland, EADS und der Eurofighter nach Österreich und es gibt Berichte über Exporte von Rüstungsgütern und Kommunikationsdiensten nach Saudi-Arabien von einer Tochterfirma von EADS und einer britischen Rüstungsfirma, bei der saudische Behördenmitarbeiter mit Luxusautos, Juwelen und Bargeld bestochen worden sein sollen. Britische Behörden ermitteln. Ob das jetzt bei den geplanten Geschäften anders ist?

 

Herr Seibert, vergessen?

 

Wenn wir nicht liefern, tut es halt ein anderer, es geht um Arbeitsplätze in Deutschland. Ja, so lässt sich vieles und alles rechtfertigen. Nein, es gilt, europaweit und weltweit eine restriktive Rüstungsexportpolitik durchzusetzen, orientiert an Menschenrechten und nicht allein an wirtschaftlichen Interessen.

 

Hier noch einmal ai:

 

„Rüstung tötet. Täglich fordern Waffenlieferungen ihre Opfer: in Kriegen, auf der Straße, in Polizeirevieren. Wo es viel Waffen und Munition gibt, werden Konflikte und Bürgerkriege angeheizt. Bewaffnete Banden terrorisieren die Bevölkerung, Menschen werden verstümmelt, weil sie auf Minen treten. Amnesty International fordert: Stoppt den unkontrollierten Rüstungstransfer.

Waffenexporte tragen weltweit dazu bei, dass Menschenrechte verletzt werden. Das betrifft nicht nur Panzer und Kampfflugzeuge, die in zwischenstaatlichen Kriegen benutzt werden. Lieferungen von Kleinwaffen und Munition verschärfen bestehende Konflikte, zum Beispiel zwischen aufständischen Gruppen und Militärs. Schusswaffen fördern Gewalt unter der Bevölkerung, sie gefährden Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit. Kriege hinterlassen Tretminen oder nicht explodierte Streumunition, die viele Menschen das Leben kosten. Auch "nicht-tödliche" Waffen wie Elektroschocker fordern ihre Opfer.

Deshalb muss die Lieferung von Rüstungsgütern vermindert oder gestoppt werden. Für den Rüstungsexport braucht es global wirksame Kontrollen, in denen menschenrechtliche Kriterien zur Geltung kommen. Einen ersten Meilenstein legte die UNO 2006 mit ihrem Beschluss, ein internationales Waffenhandelsabkommen zu erarbeiten.

Amnesty kämpft seit über 25 Jahren gegen den unkontrollierten Transfer von Rüstungsgütern. Im Jahr 2003 haben wir mit anderen Nichtregierungsorganisationen die Kampagne "Waffen unter Kontrolle" ins Leben gerufen. Wir unterstützen zudem Initiativen gegen Antipersonenminen und Streumunition sowie Programme zur Demobilisierung und Wiedereingliederung bewaffneter Kräfte. Amnesty setzt sich auch für Reformen bei der Armee, der Polizei und anderen Sicherheitskräften ein und verurteilt die Verbreitung von Hinrichtungstechnologien und Folterwerkzeugen.

Für Deutschland fordern wir, dass die Rüstungsexportgesetze eine verbindliche Menschenrechtsklausel erhalten. Zudem muss das Parlament bei Entscheidungen über Waffenexporte einbezogen und mehr Transparenz bei Rüstungstransfers geschaffen werden.“

 

RA und PD Dr. Joachim Kretschmer

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