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ESUG, Ergänzungen zu Römermann (NJW 2012, 645 ff.)

theklf

2012-06-28 11:26

RA Römermann machte in der NJW bereits umfangreiche Ausführungen zum ESUG. Dabei wurden zwei Aspekte m. E. n. jedoch nicht berücksichtigt, welche aber - insbes. für Gläubiger - große Relevanz haben:

 

1)

Er geht auch auf den nunmehr in § 225a II 1 InsO explizit geregelten Debt-Equity-Swap, also auf die Umwandlung von Gläubigerforderungen in Eigenkapital, ein. Mit der Bemerkung, dass es sich bei diesem um eine Sacheinlage handele, welche grundsätzlich des Nachweises der Werthaltigkeit bedarf, führt er aus:

 

„Wer aber könnte bei einem Pleitier-Unternehmen mit Gewissheit sagen, welcher Wert einer hiergegen gerichteten Forderung tatsächlich zukommt? […] Unübersehbar ist aber auch der deutliche Kontrast zur Strenge des GmbH- und des Aktienrechts bei der Kapitalaufbringung und -erhöhung.“[1]

 

Zu diesem Ergebnis kann man gelangen, wenn man – wie wohl der Gesetzgeber selbst[2]– von einer Einlage zum wirtschaftlichen Wert ausgeht.[3]Dann schließen sich in der Tat Fragen zur gesellschaftsrechtlichen Differenzhaftung an.[4]Es lässt sich in der Folge – so auch Römermann[5]– argumentieren: Mangels deren Berücksichtigung würden „quasi“ stammkapitallose Gesellschaften in haftungsbeschränkender Rechtsform zugelassen.[6]Weil nach § 254 IV InsO-neu eine mögliche Überbewertung einer Gläubigerforderung nur innerhalb des Insolvenzplanverfahrens gerichtlich angreifbar ist, würden nach der Sanierung auftretende Neugläubiger potentiell benachteiligt, da ihnen keine Haftungsansprüche in Bezug auf solch vermeintliche Überbewertungen zustünden.[7]

 

Hinzuweisen ist aber auf eine zunehmend Bedeutung gewinnende Gegenthese: Abzustellen sei nicht auf den wirtschaftlichen Wert der Gläubigerforderung sondern auf den Nominalwert.[8]Danach sei eine Werthaltigkeitsprüfung beim Debt-Equity-Swap außerhalb des Anwendungsbereichs einer verdeckten Sacheinlage insbesondere auch aus Gläubigerschutzgesichtspunkten nach teleologischer Reduktion des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts nicht vorzunehmen. Stellte man nämlich auf den wirtschaftlichen Wert ab, bedeute dies, dass eine Forderung vor Umwandlung – gerade wegen der Insolvenz – erheblich wertzuberichtigen wäre.[9]Gläubiger bekämen im Ergebnis nur für einen Bruchteil ihrer Forderung Anteils- bzw. Mitgliedschaftsrechte.[10]Dies würde aber die Nutzung des Debt-Equity-Swaps zur Sanierung unattraktiv machen.[11]Kurzgefasst seien deshalb die auch für Neugläubiger relevanten Kapitalaufbringungsvorschriften (inklusive der Differenzhaftung) jedenfalls nach MoMiG von der Frage nach der künftigen Ertragsfähigkeit eines Unternehmens zurückzudrängen:[12]Entscheidend sei nicht, was früher einmal eingebracht wurde, sondern was künftig aus dem Unternehmen fließe,[13]insofern sei § 254 IV InsO-neu als pragmatische Lösung zu begrüßen.[14],[15]Dabei sollen die Sacheinlagevorschriften lediglich bezüglich der Offenlegungspflichten angewandt werden, um die Gefahr der Irreführung – denn es kommt effektiv nicht zu einem Mittelzufluss – auszuräumen.[16],[17]

 

Der Schluss, dass beim Debt-Equity-Swap auf den wirtschaftlichen Wert abzustellen sei, ist somit nicht zwingend. Gute Gründe sprechen dafür, auf den Nominalwert abzustellen. Aufgeworfen wird insofern jedoch eine Grundsatz­frage für das gesamte Kapitalgesellschaftsrecht, die deshalb auch der Lösung außerhalb des Insolvenzrechtes bedürfe.[18]

 

2) Abschließend sei ergänzend zum Aufsatz von Römermann neben dem neuen Vollstreckungsschutz nach § 259a InsO[19]auf die für Gläubiger äußerst bedeutsame neue Verjährungsfrist des § 259b InsO hingewiesen. Alle Forderungen, die bei Insolvenzplanverfahren nicht bis zum Abstimmungstermin angemeldet wurden, verjähren künftig in einem Jahr, s. § 259b I InsO![20]Eminent wichtig wird für Gläubiger künftig folglich die fristwahrende Forderungsanmeldung jedenfalls bis zum Abstimmungstermin i. S. v. § 235 InsO. Ausdrücklich gilt dies auch für bereits titulierte Forderungen.[21]Dabei stellt § 259b III InsO klar, dass eine evtl. vorher bereits endende Verjährungsfrist dadurch nicht berührt wird – es gilt mithin die früher endende Verjährungsfrist. Diese beginnt gem. § 259b II InsO, wenn die Forderung fällig und der Beschluss zur Bestätigung des Insolvenzplans rechtskräftig ist.[22]Diese kurze Verjährungsfrist soll dem Schuldner Klarheit verschaffen und den Sanierungserfolg sichern. Für Gläubiger dürfte diese Regelung den Überwachungsaufwand allerdings erheblich erhöhen.

 

Für eine weitergehende Betrachtung des ESUG aus der Gläubigerperspektive wird freundlich empfohlen Klomfaß, Der Gemeindehaushalt 2012, 105 ff. und 2012, 131 ff.

 

Mit besten Grüßen in die NJW-Community aus Mainz

theKLF


[1]Römermann, NJW 2012, 645 (651).

[2]So jedenfalls die Begründung gem. BT-Drucks. 17/5712, S. 47.

[3]Ebenso Brinkmann, WM 2011, 97 (101), basierend auf den Voll- / Werthaltigkeitskriterien der §§ 27 I 1, 33 II Nr. 4, 34, 183 III, 194 IV, 205 V AktG bzw. §§ 5 IV, 9c I 2, 57a GmbHG (zum Prüfungsumfang des Registergerichtes bei der GmbH vgl. Ulmer, in: Großkomm GmbHG, § 9c Rn. 40). Nach der Rechtsprechung sei eine Einlage zum Nennwert nur möglich, wenn eine Gesellschaft alle fälligen Verbindlichkeiten vollständig begleichen könne, vgl. RGZ 54, 389 (392); RGZ 134, 262 (268); BGHZ 90, 370 (373 f.); BGHZ 110, 47 (61 f.); BGHZ 125, 141 (145 f.) sowie jüngst BGH, Urt. v. 6.12.2011 – II ZR 149/10 (insbes. Textziffer 36), WM 2012, 39 ff. = ZIP 2012, 73 ff.

[4]Siehe hierzu insbes. §§ 56 II, 9 I 1, ergänzend § 19 IV GmbHG, voraussetzend auch § 27 III 3 AktG; zum Begriff Lutter, ZGR-Sonderheft Nr. 17, S. 60, 55; Wilhelm, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 388.

[5]Vgl. Römermann, NJW 2012, 645 (651).

[6]Vgl. Haarmeyer, Stellungnahme zum ESUG, S. 25 m. w. Nachw.; Stellungnahme des Bundesrates, Anlage 3 zur BT-Drucks. 17/5712, S. 92; aus diesem Grunde sei die Publizität der Einlage durch Anwendung der Sacheinlagevorschriften insoweit sicherzustellen, vgl. Cahn/Simon/Theiselmann, ILF Working Paper Nr. 117, S. 1 (19 f.); zustimmend Eidenmüller, Unternehmenssanierung nach der Insolvenzrechts­reform 2011, S. 17.

[7]Vgl. Stellungnahme des Bundesrates, Anlage 3 zur BT-Drucks. 17/5712, S. 92; Brinkmann, WM 2011, 97 (101); bei vorzugswürdiger Nominalwerteinlage entfiele der Regelungsbedarf des § 254 IV InsO-neu gänzlich, vgl. Eidenmüller, Unternehmenssanierung nach der Insolvenzrechts­reform 2011, S. 17.

[8]Vgl. ausführlich Cahn/Simon/Theiselmann, ILF Working Paper Nr. 117, S. 1 ff., vertiefend S. 10 ff., zusammengefasst auf S. 2. Ähnl. Hölzle, NZI 2011, 124 (129); Hirte, Stellungnahme zum ESUG, S. 6 f.

[9]Vgl. dazu ausführlich Cahn/Simon/Theiselmann, ILF Working Paper Nr. 117, S. 10 ff. m. w. Nachw.

[10]Auf die zu erwartende Insolvenzquote stellt die Begründung zum ESUG exemplarisch ab, vgl. BT-Drucks. 17/5712, S. 47.

[11]Vgl. Hirte/Knof/Mock, DB 2011, 632 (642 f.) m. w. Nachw.; bzw. diesem gar widersprechen Cahn/Simon/Theiselmann, ILF Working Paper Nr. 117, S. 15 f.

[12]Die Kapitalaufbringungsregeln würden gar zu einem bloßen Seriositätssignal zurückgestuft, vgl. Hirte/Knof/Mock, DB 2011, 632 (642) m. w. Nachw.

[13]Ein Abstellen auf künftige Ertrags- bzw. Aufwandspositionen riskiert strategische Insolvenzpläne, damit wiederum werden Insolvenzanträge zum politischen Instrument, vgl. dazu Delaney, Strategic Bankruptcy, S. 29, 31, 35, 81 sowie S. 177 mit dem Lösungsvorschlag, verstärkt auf gegenwärtige reale Zahlungsmittel abzustellen.

[14]Vgl. Hirte, Stellungnahme zum ESUG, S. 6 f., Hirte/Knof/Mock, DB 2011, 632 (642); dagegen Brinkmann, WM 2011, 97 (101); Hölzle, NZI 2011, 124 (129).

[15]Die befürchtete Einladung an „Schnäppchenjäger“ (vgl. Brenner, Stellungnahme zum ESUG, S. 13), ist wegen § 253 II Nr. 3 InsO-neu allenfalls sehr begrenzt.

[16]Vgl. Cahn/Simon/Theiselmann, ILF Working Paper Nr. 117, S. 2, 5 f. 19 f.; zustimmend Eidenmüller, Unternehmenssanierung nach der Insolvenzrechtsreform 2011, S. 17.

[17]Ein Abstellen auf den Nominalwert könnte übrigens auch einen Lösungsweg zu der steuerrechtlichen Problematik bzgl. des Umgangs mit den sog. Sanierungsgewinnen bieten – denn solche fielen hiernach grundsätzlich nicht an.

[18]Vgl. Hirte, Stellungnahme zum ESUG, S. 6 f.

[19]Vgl. dazu ausführlicher Klomfaß, Der Gemeindehaushalt 2012, 131 (134).

[20]Es gab sogar einen noch weitergehenden (nicht übernommenen) Vorschlag, § 28 I um einen Satz 3 zu ergänzen und damit für alle Insolvenzverfahren eine einjährige Ausschlussfrist zu bestimmen, vgl. Brenner, Stellungnahme zum ESUG, S. 36; ebenso für generelle Ausschlussfrist mit Wiedereinsetzungsmöglichkeit Pleister, Stellungnahme zum ESUG, S. 5 f.; für Ausschlussfrist mit automatischem Forderungserlöschen Rendels, Stellungnahme zum ESUG, S. 11.

[21]Vgl. BT-Drucks. 17/5712, S. 57.

[22]Zur ausnahmsweisen Hemmung s. § 259b IV InsO.

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