BAG: Facebook-Auftritt des Arbeitgebers kann mitbestimmungspflichtig sein

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 15.12.2016
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|3808 Aufrufe

Wer schon einmal in den USA war, kennt die Aufkleber an vielen Firmenfahrzeugen: „How is my driving?“, kombiniert mit einer kostenfreien Rufnummer. Man darf annehmen, dass nur wenige Autofahrer dort anrufen, um den Fahrer für sein rücksichtsvolles Verkehrsverhalten zu loben, deutlich mehr dagegen, um sich über tatsächliche oder vermeintliche Rowdys im Straßenverkehr zu beschweren. Kaum anders ergeht es Unternehmen, die auf ihren Internetseiten oder in sozialen Netzwerkwerken Nutzerkommentare ermöglichen. Auch hier gibt es gelegentliches Lob, aber natürlich auch häufige Kritik an den Arbeitnehmern.

Das Bundesarbeitsgericht hatte jetzt erstmals darüber zu entscheiden, ob dem Betriebsrat bei der Einrichtung einer solchen Kommentarfunktion ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (technische Überwachungseinrichtung) zusteht.

Die Arbeitgeberin, die ca. 1.300 Arbeitnehmer beschäftigt, nimmt in fünf Transfusionszentren Blutspenden entgegen. Bei den Blutspendeterminen sind ein oder mehrere Ärzte sowie bis zu sieben weitere Beschäftigte tätig. Sie tragen Namensschilder. Seit April 2013 betreibt die Arbeitgeberin auf Facebook eine Seite. Auf einer virtuellen Pinnwand können Nutzer Kommentare abgeben, die von allen Facebook-Nutzern angesehen und ihrerseits kommentiert werden können. Wie kaum anders zu erwarten, befassen sich viele dieser Kommentare mit dem Verhalten der Ärzte und anderen Mitarbeiter während der Blutspende. Der antragstellende Konzernbetriebsrat ist daher der Auffassung, die Arbeitgeberin könne mit von Facebook bereitgestellten Auswertungsmöglichkeiten die Beschäftigten überwachen. Darüber hinaus könnten sich Nutzer durch Postings zum Verhalten oder der Leistung von Arbeitnehmern öffentlich äußern. Das erzeuge einen erheblichen Überwachungsdruck. Ihm stehe daher ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat dem Antrag stattgegeben, das LAG ihn zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde des Konzernbetriebsrats hatte beim Ersten Senat des BAG teilweise Erfolg.

"Ermöglicht der Arbeitgeber auf seiner Facebook-Seite für andere Facebook-Nutzer die Veröffentlichung von sogenannten Besucher-Beiträgen (Postings), die sich nach ihrem Inhalt auf das Verhalten oder die Leistung einzelner Beschäftigter beziehen, unterliegt die Ausgestaltung dieser Funktion der Mitbestimmung des Betriebsrats."

Der Mitbestimmung unterliege die Entscheidung der Arbeitgeberin, Postings unmittelbar zu veröffentlichen. Soweit sich diese auf das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern beziehen, führe das zu einer Überwachung von Arbeitnehmern durch eine technische Einrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.

BAG, Beschl. vom 13.12.2016 - 1 ABR 7/15

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