Der Haushalt ist kein Betrieb

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 26.07.2016
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|5119 Aufrufe

Allgemeinen Kündigungsschutz nach dem KSchG genießen nur Arbeitnehmer, die seit über sechs Monaten in einem Betrieb mit mehr als zehn (übergangsweise fünf) Arbeitnehmern beschäftigt sind, § 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 KSchG. Bislang war die Frage, ob auch ein Haushalt ein "Betrieb" in diesem Sinne ist, selten thematisiert worden, weil in kaum einem Haushalt mehr als zehn Personen beschäftigt werden. Nicht so aber bei dieser Familie im Bezirk des ArbG Essen:

Insgesamt beschäftigt der Beklagte in seinem Haushalt dauerhaft ca. 15 Arbeitnehmer, darunter eine Hausdame, zwei Mitarbeiterinnen im Housekeeping, eine Mitarbeiterin für die Wäsche, einen Fahrer, einen Koch, drei Gärtner, eine Nanny sowie insgesamt fünf Mitarbeiterinnen im Service.

Der Klägerin, 58 Jahre alt, war seit eineinhalb Jahren als Servicekraft gegen eine Bruttovergütung von zuletzt 2.500 Euro monatlich für den Beklagten tätig. Sie wendet sich gegen die fristgerechte Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31.10.2015. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin genieße keinen Kündigungsschutz nach dem KSchG, weil sie nicht in einem "Betrieb" beschäftigt sei. Die Kündigung sei auch nicht sitten- oder treuwidrig. Ihre Berufung hatte beim LAG Düsseldorf keinen Erfolg:

Ein Privathaushalt stelle keinen Betrieb iSv. § 1 Abs. 1 KSchG dar. Dies ergebe sich aus Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte der Norm. Eine verfassungskonforme Interpretation gebiete kein anderes Ergebnis, weil neben den verfassungsrechtlich geschützten Interessen der Arbeitnehmer auch diejenigen des Arbeitgebers besonderes Gewicht hätten, der eine Person in seinem privaten Haushalt beschäftige. Er sein in besonderer Weise darauf angewiesen, dass es nicht zu Unstimmigkeiten und Querelen kommt. Die Unverletzlichkeit seiner Wohnung genieße besonderen Schutz (Art. 13 GG). Im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses müsste er uU Details seiner privaten Lebensführung offenbaren, um den Grund für die Kündigung eines Arbeitnehmers anhand objektiver Umstände darzustellen. Schließlich sei der private Arbeitgeber in besonders hohem Maße auf ein Vertrauensverhältnis zu den Arbeitnehmern angewiesen. Die in seinem Haushalt beschäftigten Personen erhielten Einblick in seine private Lebensführung und die seiner Familienmitglieder. Dieses, auch subjektiv geprägte Vertrauensverhältnis, bzw. sein Fehlen oder Verlust, könne uU nicht anhand objektiver, vom Arbeitsgericht überprüfbarer Tatsachen dargestellt werden.

In seinem im Übrigen sehr ausführlich begründeten Urteil nicht auseinandergesetzt hat das LAG sich mit der Frage, ob der Kündigungsschutz zur "Sozialen Sicherheit" iSv. Art. 14 Abs. 1 des ILO-Übereinkommens Nr. 189 über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte gehört, das Deutschland 2013 ratifiziert hat (BGBl. II S. 922). Die Bestimmung lautet:

Jedes Mitglied hat in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften und unter gebührender Berücksichtigung der besonderen Merkmale der hauswirtschaftlichen Arbeit geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Hausangestellten im Bereich der Sozialen Sicherheit, einschließlich des Mutterschutzes, Bedingungen zugute kommen, die nicht ungünstiger sind als diejenigen, die für Arbeitnehmer allgemein gelten.

Diese völkerrechtliche Verpflichtung gebietet zwar nicht zwingend ein anderes Ergebnis, weil auch sie die "besonderen Merkmale der hauswirtschaftlichen Arbeit" betont. Sie verursacht aber zumindest nochmals argumentativen Aufwand.

Die Revision wurde zugelassen.

LAG Düsseldorf, Urt. vom 10.5.2016 - 14 Sa 82/16, BeckRS 2016, 70686

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