Negerkuss bestellt – Kündigung erhalten

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 20.07.2016
Rechtsgebiete: Arbeitsrecht17|14205 Aufrufe

Die Einsicht, dass die Bezeichnung eines Menschen als „Neger“ diskriminierenden Charakter aufweist, hat sich heutzutage allgemein durchgesetzt. Derartige diskriminierende Äußerungen gegenüber Arbeitskollegen, Kunden etc. können daher grundsätzlich eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Weniger eindeutig ist hingegen folgender, gerade vom ArbG Frankfurt a.M. (Urteil vom 13.7.2016 – Ca 1744/16) entschiedenen Fall: In einer Kantine bestellte der Kläger bei einer aus Kamerun stammenden Frau einen „Negerkuss“. Die Schaum-Süßigkeit mit einer Waffel und einem Schokoüberzug ist heutzutage nur noch unter dem Namen „Schokokuss“ bekannt. Nach diesem Vorfall sprach der Arbeitgeber, das Reiseunternehmen Thomas Cook, eine außerordentliche Kündigung aus. Das Arbeitsgericht Frankfurt hat hingegen die Kündigung für unwirksam erklärt und der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Da der Mann aus dem mittleren Management mehr als zehn Jahre ohne Beanstandungen gearbeitet habe, sei ohne vorherige Abmahnung weder eine außerordentliche fristlose noch eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt, befand das Gericht. Die Kündigung sei unverhältnismäßig. Ein Sprecher des Reiseunternehmens Thomas Cook sagte, man werde vor weiteren Schritten (Berufung) die schriftliche Urteilsbegründung abwarten. Es habe sich aber um keinen einmaligen Vorfall gehandelt, sondern um eine fortgesetzte Provokation gegen die betroffene Person über einen längeren Zeitraum. Als multikulturelles Unternehmen setze sich Thomas Cook gegen jede Form der Diskriminierung ein.

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17 Kommentare

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Das hab ich ja noch nie gehört, dass der "Negerkuss" nicht mehr "Negerkuss" heißt. Ich nenn ihn seit 60 Jahren so und werde das auch nicht mehr ändern. Meine Familie kennt es auch nicht anders. Ich habe auch noch niemals an den Kopf eines ähem "Farbigen" gedacht, wenn ich einen Negerkuss esse. Diese Assoziation ist doch gänzlich absurd.

Immerhin war der Beitrag mal eine Anregung, darüber in Wikipedia zu recherchieren. Dort heißt es:

Bezeichnungen

In Westösterreich, in der Schweiz und in Deutschland ist auch Mohrenkopf, in Deutschland auch Negerkuss[1] verbreitet. „Schokokuss“ und (seltener) „Schaumkuss“ kommen vor allem in Mittelwest- und Südwestdeutschland sowie im Schriftdeutschen vor.[2] Als Mohrenkopf ist regional allerdings auch ein anderes Gebäck bekannt.

Die Bezeichnungen Negerkuss und Mohrenkopf werden in jüngerer Zeit wegen der rassistischen Konnotation der Ausdrücke Neger und Mohr im offiziellen Sprachgebrauch größtenteils vermieden. Die Bezeichnungen werden aber zum Teil noch von den herstellenden Firmen verwendet.

Wieder  was dazugelernt. Aber wie kann etwas ein Kündigungsgrund sein, was zumindest in der Schweiz ganz offiziell so heißt, da der Hersteller den Namen nicht geändert hat? Und in der Umgangssprache zumindest regional auch noch? Das ist doch Diktatur, wenn eine überkorrekte Mehrheit in geradezu lächerlicher Weise einer Minderheit vorschreibt, wie Sprache zu verwenden ist.

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"Die Einsicht, dass die Bezeichnung eines Menschen als „Neger“ diskriminierenden Charakter aufweist..." hatte ich noch nie. Vielmehr zeigt mir diese Behauptung, dass politisch korrekte Sprache offenbar mit einem gravierendem Bildungsverlust einhergeht.

Ich kenne viele lateinamerikanische Mitbürger, unterschiedlichster Hautfarben. Daher bin ich jedesmal konsterniert, wenn man mir auf deutsch den Gebrauch des N-Wortes als ungehörig untersagen möchte, während die lateinamrikanische Bekannte ihren Ehemann liebevoll "mi negrito" nennen darf und ich das reizend finde.

Denk- und Sprechverbote sind nicht meine Sache.

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Der Negerkuss erinnert mich sehr an ein ebenso absurdes Gezänk um die Zigeunersoße.
Irgendjemand brachte dafür den Landfahrerbeiguß ins Gespräch...

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Der Kollege David Schneider-Addae-Mensah hat ja dem bayrischen Innenminister schon zu Recht beigebracht, was einem passieren kann, wenn man jemanden Neger nennt.

Wer bislang noch nie gehört hat, dass Negerkuss nicht mehr Negerkuss heißt, der hat wohl auch so einiges andere nicht mit bekommen. Es gibt in Deutschland keinen Hersteller mehr, der sein Produkt Negerkuss nennt.

Wer negrito im Lateinamerikanischen Sprachgebrauch mit Neger im Deutschen  gleich setzt oder daraus etwas herleiten will, dem bin ich dankbar, dass er sich kein Sprechverbot auferlegt, weil so auch einiges deutlich zu Tage tritt.

In dem Fall soll der Arbeitnehmer bei der  Frau aus Kamerun absichtlich einen Negerkuss bestellt haben, um die Frau zu provozieren. Wenn dem so gewesen sein sollte, dann ist das Verhalten des Arbeitnehmers einfach  mißbilligenswert und rechtfertigt vielelicht zwar keine Kündigung, aber eine Abmahnung und im Wiederholungsfall eine Kündigung.

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"...hat ja dem bayrischen Innenminister schon zu Recht beigebracht, was einem passieren kann, wenn man jemanden Neger nennt."
Die armen Menschen, die mit Familiennamen Neger heißen. Darf ich die jetzt nimmermehr ansprechen: "Guten Morgen, Frau Neger!" ohne dass ich Konsequenzen fürchten muss?

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Richtig brenzlig wird es dann, wenn Frau Neger auch noch dunkelhäutig ist.

Spaß beiseite, ich bin auch kein Freund von Sprechverboten und übertriebener poltical correctness, aber das Wort "Neger" ist (zumindest in meiner Wahrnehmung) mittlerweile doch überwiegend negativ konnotiert. Es gibt zudem genug Ausweichbezeichnungen. Das verhält sich m. E. zum Beispiel beim Zigeunerschnitzel schon anders...

Der Begriff "Neger" ist in meiner persönlichen Odnung noch nicht jenseits der Grenze zum pejorativen, im Gegensatz zum "Nigger".
Wäre es denn pc, der Dame ein: "Guten Morgen, Frau Maximalpigmentiert!" zu entbieten?

"Call a spade a spade..."
 

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"Es habe sich aber um keinen einmaligen Vorfall gehandelt, sondern um eine fortgesetzte Provokation gegen die betroffene Person über einen längeren Zeitraum."

Aber bisher noch nie auf die Idee gekommen, das abzumahnen?

In den 80-er Jahren im Ruhrgebiet haben dunkelhäutige Bekannte die Bezeichnung als "Neger" durchaus als positiv besetzten Kampfbegriff für ihre Rechte verstanden und selbst verwendet. Mittlerweile habe ich vermehrt gehört/gelesen, dass sich Menschen durch den Begriff diskriminiert/herabgesetzt oder ausgegrenzt fühlen. Da ich mir nicht anmaßen möchte, anderen ihr Empfinden vorzuschreiben, ist es für mich kein Problem den Begriff zu vermeiden. Ich sehe das nicht als Sprechverbot aufgrund eines Meinungsdiktats der political correctness, sondern als Akt der Höflichkeit. Ich sage zu meinem nervigen Kollegen ja auch nicht täglich: "Ich finde Dich immer noch doof und außerdem hast Du Körpergeruch"; nicht wegen einer Diktatur der "Gutmenschen", sondern weil es einfach Sinn macht, andere nicht unnötig zu verletzen. Außerdem funktioniert nunmal einfach die Gesellschaft, in der ich leben möchte, ein kleines bisschen besser.

"Negerkuss" kann mir - wie "Eisneger" - aus Gewohnheit allerdings - ohne Assoziationen mit Menschen - durchaus rausrutschen. Ob man das Wort aus Produktbezeichnungen und Kinderbüchern tilgen muss, ist schon eine andere Frage. Ob die Sache für eine Abmahnung taugt, dürfte tatsächlich vom Einzelfall abhängen...

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"Die Einsicht, dass die Bezeichnung eines Menschen als „Neger“ diskriminierenden Charakter aufweist, hat sich heutzutage allgemein durchgesetzt." Dieser Behauptung widerspreche ich ganz entschieden. Weder hat das Wort "Neger" (von französisch nègre, spanisch negro, lateinisch niger für „schwarz“) überhaupt irgendeinen diskriminierenden Charakter, noch sehen das außerhalb der political correctness-Meinungsmacher viele Menschen so. Da liegt auch Wikipedia ("Neger gilt heute allgemein als Schimpfwort und als abwertende, rassistische Bezeichnung für schwarze Menschen.") voll daneben. Und der Negerkuss heißt nun mal Negerkuss, und das bleibt jedenfalls bei mir auch so.

Gleichwohl mag Thomas Cook Recht haben. In welchem Zusammenhang das da lag und was die Vorgeschichte war, ist nicht ersichtlich.

 

 

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Hm, ja, aber ehrlich gesagt finde ich es immer schwierig, Menschen, denen das Wort möglicherweise in einer Vielzahl entsprechender Situationen in herabsetzender und beschimpfender Weise an den Kopf geworfen wurde, aus etymologischen Gründen zu verbieten, sich herabgesetzt zu fühlen. Insgesamt dürfte die Art und Weise der tatsächlichen Verwendung für den "Charakter" des Wortes wohl entscheidender sein als seine Herkunft und vielleicht bietet es sich an, Fragen des Feingefühls zunächst von den Betroffenen beantworten zu lassen... Fände ich jedenfalls höflich.

Torsten Obermann schrieb:

Hm, ja, aber ehrlich gesagt finde ich es immer schwierig, Menschen, denen das Wort möglicherweise in einer Vielzahl entsprechender Situationen in herabsetzender und beschimpfender Weise an den Kopf geworfen wurde, aus etymologischen Gründen zu verbieten, sich herabgesetzt zu fühlen. Insgesamt dürfte die Art und Weise der tatsächlichen Verwendung für den "Charakter" des Wortes wohl entscheidender sein als seine Herkunft und vielleicht bietet es sich an, Fragen des Feingefühls zunächst von den Betroffenen beantworten zu lassen... Fände ich jedenfalls höflich.

Ich glaube nicht, dass der Dame schon häufig das Wort NEGERKUSS in "einer Vielzahl entsprechender Situationen in herabsetzender und beschimpfender Weise an den Kopf geworfen wurde". Das liegt schon daran, dass Negerkuss kein Schimpfwort ist.

Hier in diesem Zusammenhang war es ja eher anzüglich und sexistisch, etwa in dem Sinne "gib mir doch mal bitte ein Küsschen, meine kleine hübsche Negerin". Das fand der Bedienstete wahrscheinlich so witzig, dass er über längere Zeit nach einem Kuss verlangte. Von der hübschen Negerin. Heute wieder einen Negerkuss ...

Wäre es nicht gerade diese dunkelhäutige Bedienung gewesen, sondern irgendeine weiße Angestellte, hätte sich kein Mensch am Negerkuss gestört. Es wäre aber auch nicht so witzig gewesen.

 

 

 

 

 

 

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Gut geschrieben. Bei einer weissen Angestellten einen einen dunklen Kuss zubestellen, waere bestimmt auch mit Schwierigkeiten verbunden. Muesste mal " Heil H " erwaehnen was dann noch schwieriger wird, meine ich jedoch den Minister. 

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Mein Fehler - ungenaue Inbezugnahme. Der letzte Post bezog sich auf den vorherigen von Gast - und damit auf das Wort Neger. Dass man i.d.R kleine Zuckererzeugnisse nicht beleidigt würde ich anerkennen...

Man darf vermuten, dass Grundlage der Kündigung wohl eher das .."kuss" als das "Neger.." war. es scheint doch eher um sexistische Belästigung gegangen zu sein.

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Sollte es sich nicht um eine Gedankenlosigkeit, sondern wie vom Arbeitgeber behauptet, eine bewusste und fortgesetzte Provokation gehandelt haben, dann erscheint mir eine verhaltensbedingte Kündigung sachgerecht. Rassistische Beleidigúngen im Betrieb müssen vom Arbeitgeber in aller Regel nicht geduldet werden.

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ist "bayrischer Leberkäse" nicht auch eine rassistische Beleidigung?

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