BGH: Alkoholisierung ist im Urteil schon bitteschön richtig zu prüfen!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 10.07.2016
|3056 Aufrufe

Bei Prüfung der Alkoholisisierung einer Person und der sich hieraus ggf. ergebenden Schuldunfähigkeit können schon einmal Fehler gemacht werden. So hier durch ein LG in einem Fall, den der BGH zu entscheiden hatte:

 Der Freispruch des Angeklagten kann keinen Bestand haben. Das
Landgericht hat bereits die Aufhebung der Schuldfähigkeit des Angeklagten
infolge Alkoholkonsums nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.
a) Dies betrifft schon die Feststellung der Blutalkoholkonzentration des
Angeklagten zur Tatzeit. Zum einen legen die vom Urteil wiedergegebenen
Zeugenaussagen und die darin enthaltenen Zeitangaben (UA S. 10) nahe, dass
eine engere als die vom Landgericht vorgenommene Eingrenzung der Tatzeit
möglich gewesen wäre. Zum anderen sind auch die vom Landgericht vorgenommenen
Rückrechnungen der Blutalkoholkonzentration des Angeklagten
(UA S. 7) nicht nachvollziehbar; sie entsprechen ersichtlich nicht den in der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Grundsätzen, wonach
bei der Prüfung der Schuldfähigkeit des Angeklagten ein maximaler stündlicher
Abbauwert von 0,2 ‰ zuzüglich eines einmaligen Sicherheitszuschlages von
0,2 ‰ zugrunde zu legen ist (vgl. BGH, Urteil vom 9. August 1988
1 StR 231/88, BGHSt 35, 308, 314; Beschluss vom 18. Dezember 1986
4 StR 668/86, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 4).

b) Darüber hinaus ist die Beweiswürdigung des Landgerichts zur alkoholbedingten
Schuldunfähigkeit des Angeklagten lückenhaft.
Sachverständig beraten stellt das Landgericht darauf ab, beim Angeklagten
sei von einer „neurologisch bedeutend reduzierten Alkoholtoleranz“ auszugehen.
Anhaltspunkte für einen Ausschluss seiner Steuerungsfähigkeit seien
die völlige Wesensfremdheit der Tat, der vom Angeklagten durchaus glaubhaft
angegebene „Black Out“ sowie „die anscheinende Sinnlosigkeit der Tat und das
völlig fehlende nachtatliche Rückzugsverhalten“ (UA S. 13). Das Landgericht
– wie auch der Sachverständige – hat damit das Nachtatverhalten des Angeklagten
nicht umfassend in den Blick genommen. Es hat nicht gewürdigt, dass
der Angeklagte nicht nur den kritischen Zustand des Geschädigten erkannte,
sondern auch sachgerechte Maßnahmen ergriff, um diesen zu retten, indem er
den im Hof beschäftigten Personen zurief, man möge „die SMH“ (Schnelle Medizinische
Hilfe) rufen, der Geschädigte verblute. Nachdem auf den ersten Anruf
niemand reagierte, wiederholte der Angeklagte seinen Ruf. Aus den im Urteil
wiedergegebenen Schilderungen der sodann am Tatort eingetroffenen Zeugen
ergibt sich darüber hinaus, dass der Angeklagte zwar stark alkoholisiert wirkte,
jedoch ansprechbar und zu sinnvollen Reaktionen fähig war. Es erscheint nicht
nachvollziehbar, inwiefern gerade der Umstand, dass der Angeklagte vor Ort
blieb und für medizinische Hilfe sorgte, als „fehlendes nachtatliches Rückzugsverhalten“
für eine Aufhebung seiner Steuerungsfähigkeit sprechen soll. Die Tat
war auch jedenfalls nicht in dem Sinne „sinnlos“, dass sie ohne Anlass geschah;
denn die Zeugenaussagen weisen darauf hin, dass ihr ein Streit zwischen
dem Angeklagten und dem Geschädigten vorausging..........

......5. Die Sache bedarf daher einer umfassenden neuen Verhandlung und
Entscheidung. Sollte das neue Tatgericht wiederum zum Ausschluss der
Schuldfähigkeit des Angeklagten gelangen, so wird es bei der Prüfung des
§ 323a StGB von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auszugehen
haben, wonach die Begehung der Rauschtat objektive Bedingung der
Strafbarkeit ist (vgl. BGH, Urteile vom 22. August 1996 – 4 StR 217/96,
BGHSt 42, 235, 242; vom 1. Juni 1962 – 4 StR 88/62, BGHSt 17, 333, 334, und
vom 2. Mai 1961 – 1 StR 139/61, BGHSt 16, 124, 127; vgl. auch OLG Hamm,
Blutalkohol 51, 118 f.).

BGH, Urteil vom 25.5.2016 - 5 StR 85/16 -

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