Versorgung der Ex über einen Schein-Arbeitsvertrag begründet keine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 14.06.2016
Rechtsgebiete: Arbeitsrecht8|4884 Aufrufe

Die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ist normalerweise nichts, was einen Blog-Beitrag wert wäre. Aber dieser Fall ist einfach zu schön, um ihn der Community zu verschweigen:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Zahlung von über 65.000 Euro als Entgelt für die Monate Januar bis Juni 2012. Sie hat Klage beim ArbG Berlin erhoben. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Berlin verwiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde blieb beim LAG Berlin-Brandenburg ohne Erfolg.

Die Klägerin, Jahrgang 1943, war von 1985 bis 1995 mit Dr. S. (sein Alter wird leider nicht mitgeteilt) liiert. Seit 1990 schloss sie verschiedene Anstellungsverträge mit Unternehmen, an denen Dr. S. maßgeblich beteiligt war. Das monatliche Entgelt betrug jeweils mindestens 10.000 DM. 1995 wandte sich Dr. S. einer neuen Lebensgefährtin zu. Er bot der Klägerin an, ihr auf Lebenszeit einen gehobenen Lebensstandard zu sichern. Unter dem 15.3.1996 schloss die Klägerin mit der Beklagten einen Anstellungsvertrag. Alleininhaber der Beklagten ist Dr. S. Jedenfalls in 1996 erbrachte die Klägerin noch Arbeitsleistungen. Das monatliche Entgelt wurde ihr in Höhe von 20.000 DM (10.224,85 €) bis Dezember 2011 gezahlt. Danach stellte die Beklagte die Zahlungen ein.

Nach Ansicht der Klägerin hat dieser Vertrag auch ihrer Versorgung im Alter gedient. Er sei auch Ausdruck der Anerkennung ihrer Leistungen in den vorangegangenen Vertragsverhältnissen gewesen. Ein vergleichbares Gehalt habe auch die heutige Ehefrau von Dr. S. erhalten, als sie im Jahre 1994 die Leitung des neu eröffneten Büros in Los Angeles übernahm, nämlich 12.000 US-Dollar monatlich.

Diesen Sachverhalt würdigt das LAG wie folgt:

Ein Arbeitsverhältnis kennzeichnet unter anderem der Austausch von Leistungen (§ 611 BGB). Wird - wie hier - in einem 16-jährigen Vertragsverhältnis in den letzten 15 Jahren monatlich ein Gehalt von 10.225 € brutto gezahlt, obwohl keine Arbeitsleistung erbracht wird, handelt es sich um ein Schenkungsverhältnis gemäß § 516 BGB, für das die Gerichte für Arbeitssachen nicht zuständig sind.

LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. vom 22.2.2016 - 15 Ta 123/16, BeckRS 2016, 68010

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8 Kommentare

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Wäre interessant zu wissen, wann sich eine Freistellung unter Fortzahlung des Entgelts in ein Schenkungsverhältnis umwandelt, dass dann mangels notarieller Beurkundung jegliche rechtliche Verbindlichkeit verliert.

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Gast schrieb:

Wäre interessant zu wissen, wann sich eine Freistellung unter Fortzahlung des Entgelts in ein Schenkungsverhältnis umwandelt, dass dann mangels notarieller Beurkundung jegliche rechtliche Verbindlichkeit verliert.

Eine eventuelle Schenkung ist wegen Vollziehung verbindlich, § 518 Abs. 2 BGB.

Quote:

(2) Der Mangel der Form wird durch die Bewirkung der versprochenen Leistung geheilt.

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Das bedeutet nur, dass man das schenkungsweise Erhaltene nicht zurückgeben muss ("wiederholen ist gestohlen"), hilft einem aber nicht weiter, wenn man mehr fordern will.

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Auf den genauen Zeitpunkt der "Umwandlung" kommt es in diesem Fall für eine Mehrforderung nicht an. Es reicht die Feststellung, wie sie das Arbeitsgericht getroffen hat, dass jedenfalls nach 15 Jahren Geld ohne Arbeit eine Schenkung vorliegt.

In anderen Fällen kommt es auf die jeweiligen Umstände an. Ganz allgemein kann man wohl nur sagen, dass eine "Umwandlung" stattfindet wenn über längere Zeit weiter "Gehalt" gezahlt wird, ohne dass die Gegenleistung "Arbeit" erbracht wird.

Als Indizien kann man z.B. Meldung bei der Sozialversicherung, Abführung von Lohnsteuer, Vorhandensein von Krankheitsbescheinigungen als Erklärung für längere Ausfallzeiten nehmen. Es wird aber im Ergebnis immer auf eine Gesamtabwägung hinauslaufen.

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Ein Arbeitsverhältnis kennzeichnet unter anderem der Austausch von Leistungen (§ 611 BGB). Wird - wie hier - in einem 16-jährigen Vertragsverhältnis in den letzten 15 Jahren monatlich ein Gehalt von 10.225 € brutto gezahlt, obwohl keine Arbeitsleistung erbracht wird, handelt es sich um ein Schenkungsverhältnis gemäß § 516 BGB, für das die Gerichte für Arbeitssachen nicht zuständig sind.

Das ist zwar alles recht schneidig formuliert, kann aber so keinen Bestand haben. Danach wären sämtliche Freistellungs- und Vorruhestandsphasen und -vereinbarungen nicht mehr in der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte.

 

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Wenn es sich bei dem vereintlichen Gehaltszahlungen im Nachhinein um Schenkungen gehandelt hat, stellen sich interessante steuer- und sozialversicherungsrechtliche Folgeprobleme.

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Schlimmer noch: Es könnte eine Untreue zu Lasten der Unternehmen vorliegen, aus deren Vermögen die Schenkungen erfolgt sind.

Ob die Leistungen Schenkungen waren, erscheint mir dabei nicht so sicher. Vielleicht sind durchaus Gegenleistungen erfolgt - die Grenze von Beziehung zu Prostitution mag überschritten sein.

Andere Frage: In was für eine Branche kann man solche Vergütungen für Nichtstun zahlen? Das muss ja ein famoses Geschäft sein, dass Herr Dr. S. da betreibt.

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Quote:
Alleininhaber der Beklagten ist Dr. S.
Ich schätze die Wahrscheinlichkeit einer Klage wegen Untreue als äußerst gering ein ...

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