Note "mangelhaft" für Arbeitszeugnisse

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 03.05.2016
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtStudieArbeitszeugnisseWatzka1|4459 Aufrufe

Wieder einmal ist die Praxis der Arbeitszeugnisse in die Kritik geraten. Eine neue Studie der Jenaer Ernst-Abbe-Hochschule kommt zu bedenklichen Ergebnissen (vgl. ausführliche Pressemitteilung der Autoren, Berichte der FAZ vom 4.4.2016 und 30.4.2016, S. C1). Die Autoren, Steffi Grau und Klaus Watzka, formulieren ihr Fazit provokant zugespitzt wie folgt: „Oftmals von ungeschultem Personal lieblos zusammengeschustert – auf der anderen Seite oft nur oberflächlich zur Kenntnis genommen. Es existiert eher babylonische Sprachverwirrung als eine einheitliche, eindeutige Zeugnissprache.“

So zeigte sich unter anderem:

• Nur noch 7,3% der Zeugnisse werden wirklich individuell angefertigt. Dominieren-de Hilfsmittel sind PC-gestützte Zeugnisgeneratoren (41,7%), selbst erstellte Textbausteine (27,1%) und Textbausteine aus Literatur/Internet (24%). Viel spricht also für eine „schablonenhafte Erstarrung“ des Arbeitszeugnisses, die der Individualität des einzelnen Mitarbeiters nur sehr eingeschränkt gerecht wird.

• 49,5% der Zeugnisersteller haben keinerlei Schulung für ihre Tätigkeit erhalten (in kleinen Unternehmen sogar 80%).

• Die häufigste Reaktion auf die Fallstudie zeigte, dass viele Unternehmen schwache Leistungen oder negatives Verhalten im Zeugnis überhaupt nicht thematisieren. Die Angst vor (rechtlichen) Auseinandersetzungen dominiert also oftmals die Pflicht zur Wahrheit.

In einem Interview mit der FAZ plädiert Klaus Watzka für den völligen Verzicht auf ein qualitatives Arbeitszeugnis. Stattdessen sollte man sich auf eine ausführliche Tätigkeitsbeschreibung konzentrieren. Denn diese interessiere die Personalentscheider am meisten. Dafür müsste allerdings der Gesetzgeber tätig werden und § 630 BGB entsprechend abändern. Wollte man diesen Schritt nicht gehen, so Watzka, dann müsste dafür gesorgt sein, dass die Zeugnisse halbwegs vergleichbar sind. Dafür wäre ein Standardkatalog mit Kriterien nötig, die der Gesetzgeber vorgeben müsste. Eine Bewertungsskala sollte ebenfalls standardisiert vorgegeben werden und nur drei Stufen umfassen: sehr deutlich über der betriebsüblichen Leistung, betriebsübliche Leistung, sehr deutlich unter der betriebsüblichen Leistung. Dem Arbeitgeber stehe es darüber hinaus frei, einem geschätzten Mitarbeiter auf freiwilliger Basis jedwedes wertende Schreiben an die Hand zu geben.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

1 Kommentar

Kommentare als Feed abonnieren

Eine ausführliche, sachliche Tätigkeitsbeschreibung wäre m. E. die beste Lösung.

Die gegenwärtige Praxis bewegt sich in einem ungünstigen Spannungsfeld:

- Einige AG stellen zur Vermeidung von Streit zu gute Zeugnisse aus, was den Bewertungsrahmen verzerrt und die Aussagekraft senkt.

- Andere AG treten gern nach, wenn ein AN kündigt oder man sich anderweitig streitig auseinandersetzt, und setzen darauf, dass der AN nicht vor Gericht geht bzw. dort nur ein schmales Minimalzeugnis mit Durchschnittsnote durchsetzbar ist.

Und daneben muss man natürlich noch mit der blanken Unfähigkeit kämpfen, die in diesem Bereich herrscht. Von Rechtschreibfehlern bis fehlerhafter Bezeichnung des AN oder des AG (!), von gut gewollten und schlecht gemachten bis schlicht missverstandenen Formulierungen sieht man dort ja leider alles.

Weil einige Kinder mit den Streichhölzern nicht umgehen können, nimmt man sie allen weg. Das ist unfair den vorsichtigen Kindern gegenüber, aber trotzdem sinnvoll. Und mit dem Benotzungssystem in Arbeitszeugnissen können leider viele auch nicht umgehen, weswegen man es lieber ganz abschaffen sollte.

Die Arbeitsgerichte werden es danken.

4

Kommentar hinzufügen