Die Flächenabweichung in der 2. Mietrechtsnovellierung

von Dr. Klaus Lützenkirchen, veröffentlicht am 29.04.2016

Irgendwie hat es der Diskussionsentwurf des 2. Mietrechtsnovellierunggesetzes nun doch in die Öffentlichkeit geschafft. Wesentlicher Inhalt sind gesetzliche Bestimmungen zur Flächenabweichung im Zusammenhang mit § 536 BGB, Flächenberechnung bei Mieterhöhung und Betriebskosten, Mieterhöhung wegen Modernisierung und Modernisierung und der Kündigung wegen Zahlungsverzuges. Letzteres hat das Ziel, die Schonfristregelung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB auf die (geleichzeitig ausgesprochene) ordentliche Kündigung zu erweitern.

Ich werde die (beabsichtigten) Vorschriften hier nach und nach vorstellen, damit der Stand der Diskussion verfolgt und – im besten Fall – beeinflusst werden kann.

Heute also Flächenabweichung:

Die Rechtsprechung des BGH ist bekannt. Danach begründet die Abweichung von mehr als 10% der tatsächlichen Mietfläche von der Vereinbarten ein Minderungsrecht nach § 536 Abs. 1 BGB in Höhe der Abweichung (BGH v. 24.3.2004 – VIII ZR 295/03, NJW 2004, 1947; BGH v. 10.3.2010 – VIII ZR 144/09, NJW 2010, 1745 m.w.N.). Das soll jetzt Gesetz werden als Sätze 4 und 5 in § 536 Abs. 1 BGB:

„Besteht der Mangel der Mietsache in einer Unterschreitung der vereinbarten Fläche, kommt eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit nur in Betracht, wenn die Abweichung der tatsächlichen von der vereinbarten Fläche höchstens 10 Prozent beträgt. Bei einer Abweichung von höchstens 10 Prozent trägt der Mieter die Beweislast für Umstände, die eine erhebliche Minderung der Tauglichkeit begründen.“

Dies bedeutet zunächst nichts Neues. Satz 4 spiegelt die zitierte Rechtsprechung des BGH wieder. Unter 10% liegende Abweichungen konnten auch schon bisher einen Mangel begründen, wenn der Mieter zusätzliche Umstände anführen konnte, die die Annahme einer erheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung rechtfertigten (KG v. 5.2.2009 – 12 U 122/0; KG v. 15.8.2005 – 8 U 81/05; s.a. AG Dortmund v. 26.11.2013 – 425 C 7773/12). Auch die Beweislastverteilung ergibt sich aus allgemeinen Grundsätzen.

Bemerkenswert sind aber die Beispiele, die in der Begründung des (kommenden) Gesetzentwurfes angeführt werden. Danach soll eine Gebrauchsbeeinträchtigung bestehen, wenn „der Mieter seine Möbel aufgrund der kleineren Fläche nicht wie geplant stellen kann oder die Wohnung unter dem Gesichtspunkt des Tierschutzes zu klein ist für die vom Mieter gehaltenen Haustiere“.

Muss der Mieter danach einen Plan vorlegen, wie er seine Möbel stellen wollte? Diesen kann er doch nur anhand einer Grundrissskizze der Wohnung erstellen, die regelmäßig den (abweichenden) Flächeninhalt hat!? Woher weiß der Mieter, an welcher Stelle z.B. die 5 qm fehlen? Oder reicht es aus vorzutragen, in meiner bisherigen Wohnung von 100 qm konnte ich im Schlafzimmer neben dem Bett zwei Beistelltische aufstellen und in der neuen Wohnung, die dieselbe Fläche haben soll, nur einen?

Bei der Tierhaltung wird der Mieter im Rahmen des § 536 Abs. 1 BGB zunächst vortragen müssen, dass die Tierhaltung überhaupt zulässig ist. Wann ist dann aber eine Fläche unter dem Gesichtspunkt des Tierschutzes zu klein? Die Tierschutz-Hundeverordnung vom  2. Mai 2001 (BGBl. I S. 838), in der Fassung der Verordnung vom 12. Dezember 2013 (BGBl. I S. 4145) sieht in § 5 (Anforderungen an das Halten in Räumen) z.B. keine bestimmte Raumgröße vor, sondern stellt nur bestimmte Anforderungen an die Belichtung der Räume und ihre klimatischen Bedingungen. Mindestgrößen sind nur für Zwinger (§ 6) vorgesehen.

Was folgt daraus?

1. Die regelung ist überflüssig.

2. Rechtsanwälte werden nicht arbeitslos.

3. Der Phantasie bei Gebrauchsbeeinträchtigungen sind keine Grenzen gesetzt.

Ich favorisiere die Eheleute, die alle Möbel aus ihrer alten Wohnung aufstellen konnten, nun aber die Fläche von z.B. 5 qm fehlt, um Zuhause das im Tanzkurs Erlernte zu üben. Wahrscheinlich ist die Minderung in diesem Fall aber auf die Dauer des Tanzkurses beschränkt (zum periodischen Mangel vgl. BGH v. 15.12.2010 – XII ZR 132/09, NZM 2011, 153).

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

5 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Also könnte ein Vermieter vorsätzlich eine bis zu 10 % größere Fläche angeben und damit bis zu 10 % mehr Miete verdienen? Oder kommt ein Betrug trotz der gesetzlichen Neuregelung in Betracht?

0

Bei der Flächenabweichung von 10 % kann der Mietvertrag eine Klausel aufweisen anhand von Messfehler bezieht sich das auf die Räumlichkeiten und nicht auf die Quadratmeterzahl

Hartmut Hinrich Grotheer schrieb:
Bei der Flächenabweichung von 10 % kann der Mietvertrag eine Klausel aufweisen anhand von Messfehler bezieht sich das auf die Räumlichkeiten und nicht auf die Quadratmeterzahl

wegen möglicher Messfehler nicht zur Festlegung des Mietgegenstandes. Der räumliche Umfang der gemieteten Sache ergibt sich vielmehr aus der Anzahl der vermieteten Räume.“

Nicht zu unterschlagen die sprachliche Eleganz des Gesetzentwurfs. Alleine im ersten Satz finden sich ganze neun Substantive (das "Betracht" nicht mitgezählt). Ich musste das alles mehrmals lesen, bis ich es verstanden habe. In einer wissenschaftlichen Arbeit hätte man das (hoffentlich) mit Schlangenlinien versehen. Ich schätze, eine Formulierung wie "Weicht die tatsächliche von der vereinbarten Fläche um 10 Prozent oder mehr ab, ist die Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch erheblich gemindert" wäre einfach zu langweilig gewesen. Die Einschätzung, dass RAe nicht arbeitslos werden, teile ich uneingeschränkt. Leider ein Ergebnis, das Gesetzesänderungen in heutiger Zeit (nur ein weiteres Beispiel unter vielen: die ausufernde Verkomplizierung des AsylVfG/AsylG) anhaftet

5

Welche Werteordnung hat der Gesetzgeber denn vor Augen, wenn er Normen schafft, die redlichen oder unredlichen Vermietern einen bis zu 10-prozentigen Vorteil verschaffen?

10% sind bei 100 qm ein ganzes (anscheinend grundsätzlich unerhebliches) Zimmer weniger!

Wozu eine Toleranzgrenze? Kommt diese dann auch für die Supermarktkasse? Statt 5 Euro Rückgeld ein "Passt schon!"

Zur Korrektur der BGH-Rechtsprechung genügt: "Die Abweichung der vereinbarten Fläche von der tatsächlichen Fläche stellt auch bei einer Differenz von unter 10 % grundsätzlich einen erheblichen Mangel dar."

5

Kommentar hinzufügen