LAG Köln: Rechtsmissbräuchlich kurze Befristung

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 21.04.2016

Im Anschluss an das Kücük-Urteil des EuGH (EuGH 21.6.2012 - C-586/10, NZA 2012, 135) benutzt das BAG die Figur des "institutionellen Rechtsmissbrauchs", um hinsichtlich ihrer Zahl und/oder Dauer ungerechtfertigte Kettenbefristungen für rechtsunwirksam zu erklären (insbesondere BAG 18.7.2012 - 7 AZR 443/09, NZA 2012, 1351, 1356 ff.). Eine neue Facette fügt dieser Entwicklung jetzt ein Urteil des LAG Köln zu:

Bei der beklagten Arbeitgeberin fiel (nach ihrer Erwartung) für einen mehrjährigen Zeitraum ein erhöhter Personalbedarf an. Diesen deckte sie durch den Abschluss befristeter Arbeitsverträge wegen vorübergehenden Bedarfs (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBfG). Die Verträge waren allerdings nicht auf die gesamte oder annähernd gesamte prognostizierte Dauer des Mehrbedarfs hin befristet, sondern deutlich kürzer (etwa ein Fünftel des Zeitraums). Zur Überzeugung des LAG Köln erfolgte dies in der Absicht, das Personal unter Leistungsgesichtspunkten austauschen, d.h. die Verträge schwächerer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auslaufen lassen zu können:

Stattdessen hat sich die Beklagte durch die Wahl - verglichen mit der mutmaßlichen Dauer des erhöhten Beschäftigungsbedarfs aufgrund der Aufgabe Fonds Heimerziehung - äußerst kurz bemessener Befristungszeiträume die Möglichkeit offen halten wollen, in kurzen Abständen immer wieder die Leistungen der befristet beschäftigten Mitarbeiter überprüfen, bewerten und vermeintlich leistungsschwächere gegen vermeintlich leistungsstärkere Mitarbeiter austauschen zu können. Dies wird zum einen durch die eigene Einlassung der Beklagten belegt, wonach sie unter den befristet Beschäftigten der Geschäftsstelle Fonds Heimerziehung für die Frage der Vertragsverlängerung eine Auswahl nach Eignung, Leistung und Befähigung getroffen habe. Zum anderen wird es durch den vorliegenden Fall der Klägerin bestätigt; denn ausweislich des unstreitigen Schreibens der Beklagten vom 30.05.2014 (Anlage K3) war die Entscheidung der Beklagten gegen eine Weiterbeschäftigung der Klägerin über den 31.08.2014 hinaus ausschließlich leistungsbedingt.

Ein solches Vorgehen ist zur Überzeugung des Gerichts rechtsmissbräuchlich i.S. von § 242 BGB. Die Arbeitnehmerin hatte daher mit ihrer Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht infolge der Befristung sein Ende gefunden hat, (auch) in zweiter Instanz Erfolg:

Es stellt einen institutionellen Rechtsmissbrauch dar, wenn der Arbeitgeber bei einem nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG befristeten Arbeitsvertrag eine weit hinter dem prognostizierten Mehrbedarfszeitraum zurückbleibende Befristungsdauer wählt (hier höchstens 20% des mehrjährigen Zeitraums mit Beschäftigungsmehrbedarf), um sich die Möglichkeit offen zu halten, das Personal - unabhängig von einer vorangegangenen Erprobung - unter Leistungsgesichtspunkten beliebig austauschen zu können.

LAG Köln, Urt. vom 15.10.2015 - 7 Sa 532/15, BeckRS 2016, 67780

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4 Kommentare

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Was dem Gericht nicht gefällt ist halt Rechtsmissbrauch und eine solche Entscheidungspraxis selbstverständlich kein Machtmissbrauch, wegen der Unabhängigkeit der Gerichte von den Gesetzen oder so ähnlich.

Institutionalisiert man das, wird konsequenterweise auch für das Aneinandereihen sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge mit wechselnden Arbeitnehmern aus dem gleichen Grund als institutionellen Rechtsmissbrauch ansehen, weil damit ebenfalls die Möglichkeit eröffnet wird zu selektieren, dass nur die Besten die ganzen zwei Jahre oder gar länger bleiben dürfen. Und dann sind da natürlich noch die öffentlichen Arbeitgeber, die jede befristete Einstellung davon abhängig machen, dass in den letzten drei Jahren kein Arbeitsverhältnis zu ihnen bestanden hat ... Alles Bösewichte, aber die Arbeitsgerichte werden es demnächst schon richten!

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