Kündigung wegen fremdenfeindlicher Äußerungen auf Facebook

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 06.04.2016

Im vergangenen Sommer hatte ich hier im BeckBlog über die Kündigung eines Auszubildenden berichtet, der durch fremdenfeindliche Äußerungen auf Facebook aufgefallen war. Jetzt hatte das Arbeitsgericht Mannheim über einen ähnlichen Fall zu befinden:

Der Kläger ist seit 2001 bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt. Im September 2015 erhielt diese von ihrem Betriebsrat (!) eine Beschwerde, weil der Kläger auf seinem Facebook-Account ein Foto bzw. Äußerungen mit rassistischem Hintergrund veröffentlicht habe.

Auf dem Facebook-Eintrag ist das Eingangstor des Konzentrationslagers Auschwitz mit der Tor-Überschrift "Arbeit macht frei" abgebildet. Im unteren Bereich des Bildes befindet sich ein Text auf Polnisch. Unterhalb des Bildes befindet sich ebenfalls polnischer Text. Auf Nachfrage eines anderen Facebook-Nutzers übersetzte der Kläger den Text auf dem Bild mit „Polen ist bereit für die Flüchtlingsaufnahme“.

Die Beklagte, die vom Betriebsrat zwar über den Sachverhalt, nicht aber darüber informiert worden war, um welchen ihrer Mitarbeiter es sich handelte, stellte zunächst eigene Recherchen an. Sie ermittelte den Kläger als Inhaber des Facebook-Accounts und hörte diesen an. Er antwortete:

Diesbezüglich möchte ich mich für diese unüberlegte und dumme Tat vom Herzen entschuldigen und es tut mir sehr leid!!! Mir war es leider nicht klar was ich mit dieser blöden Aktion anrichte. Da ich als gebürtiger Pole nicht diesen Bezug zum Thema Auschwitz habe und ich den Text der auf Polnisch auf dem Foto stand „amüsant“ fand, habe ich das Foto ohne zu überlegen und mit großem Leichtsinn geteilt.

Ich habe dieses Foto natürlich sofort nach dem Anruf von meiner Facebook Seite entfernt. Ich werde solche geschmacklosen Sachen, Bilder nie wieder weiterleiten!!

Bitte entschuldigen Sie nochmals diese dumme, leichtsinnige Tat!!!!

Dennoch kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos, hilfsweise fristgerecht. Seine Kündigungsschutzklage hatte vor dem ArbG Mannheim Erfolg:

Zwar liege eine Pflichtverletzung des Klägers vor. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung ergebe sich jedoch, dass den Interessen des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dem Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Vorrang einzuräumen sei. Sein Verhalten wiege den Umständen nach jedenfalls nicht so schwer, dass der Beklagten - auch unter Berücksichtigung ihrer eigenen Interessen - ein Festhalten am Arbeitsverhältnis nicht zumutbar gewesen wäre.

Bei der Interessenabwägung war auf Seiten der Beklagten zu berücksichtigen, dass der Kläger durch das Teilen des Fotos eine unkontrollierte Verbreitung des Fotos über das soziale Netzwerk verursacht hat. Solange das Bild mit seinem Nutzerkonto in Verbindung gebracht werden konnte, hat er - da zu seinen Facebook-Freunden auch Arbeitskollegen gehörten - rassistisches bzw. menschenverachtendes Gedankengut in den Betrieb getragen. Auch außerhalb des Betriebs bestand die Gefahr, dass bis zum Löschen des Bildes die Beklagte damit in Verbindung gebracht werden konnte. Dies wiegt umso schwerer als es sich um ein im Eigentum des Bundes stehendes Unternehmen handelt. Zugunsten der Beklagten war zudem zu bewerten, dass der Kläger angesichts seines Alters auf dem Arbeitsmarkt gute Chancen haben dürfte, einen neuen Arbeitsplatz zu finden.

Die Kammer hat demgegenüber zugunsten des Klägers dessen Dauer der Betriebszugehörigkeit von mehr als vierzehn Jahren - ausschließlich der vorangegangen Berufsausbildung bei der Beklagten - berücksichtigt. Mangels anderweitigen Vortrags der Beklagten geht die Kammer davon aus, dass das Arbeitsverhältnis bisher beanstandungsfrei verlaufen ist. Weiterhin waren zugunsten des Klägers seine Unterhaltsverpflichtungen zu berücksichtigen. Die Kammer hält dem Kläger auf zugute, dass er das Foto auf seinem Facebook-Nutzerkonto nach dem Anruf von Herrn M gelöscht hat und sich für sein Verhalten entschuldigt hat. Es hat sich offenbar auch nicht die Gefahr realisiert, dass die Beklagte durch das Verhalten des Klägers eine Ruf- oder Geschäftsschädigung erlitten hat. Die Kammer geht auch davon aus, dass der Kläger nicht die Absicht hatte, die Beklagte durch sein Verhalten zu schädigen. Vielmehr dürfte sich der Kläger überhaupt keine Gedanken darüber gemacht haben, was er mit dem Teilen des Fotos und damit der Veröffentlichung auf seinem Nutzerkonto auslösen würde. Der Kläger mag dies zum Anlass nehmen, sensibler in den sozialen Netzwerken zu agieren.

Arbeitsgericht Mannheim, Urt. vom 19.2.2016 - 6 Ca 190/15, BeckRS 2016, 67370

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1 Kommentar

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Es ist m.E. eher fernliegend, die Äußerung als "fremdenfeindlich" anzusehen. Vielmehr würde ich den Post eher als feindlich gegenüber dem Land Polen ansehen. Er unterstellt, dass Polen - vielleicht anders als Deutschland - den Flüchtlingen keine Unterkunft bieten würde, sondern allenfalls ein KZ wie Auschwitz.

Nicht gesagt wird durch den Text, dass Polen damit recht hätte und die Flüchtlinge auch nichts besseres verdient hätten.

Wie auch immer, die Entscheidung des Gerichts war völlig richtig und vermutlich hat der Kläger auch wirklich völlig unüberlegt gehandelt und den Text einfach "witzig" gefunden. So wie manche Nazi-Witze oder Juden-Witze, die es früher in gleicher Qualität massenhaft gab.

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