Berücksichtigung der Konfession bei der Einstellung? BAG ruft den EuGH an!

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 02.04.2016

Das AGG verbietet die Benachteiligung aufgrund der Religionszugehörigkeit, sieht aber in § 9 eine erleichterte Rechtfertigungsmöglichkeit vor. Umstritten ist, ob und unter welchen Voraussetzungen kirchliche Arbeitgeber im Einstellungsverfahren eine bestimmte Konfession des Bewerbers voraussetzen und dann auch danach fragen dürfen. Diese Fragestellung hat eine europäische Dimension, da das AGG u.a. der Umsetzung der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie 2000/78/EG dient. In einem jetzt vor das BAG (Beschluss vom 17.3.2016 – 8 AZR 501/14 (A), PM 15/16) gelangten Fall, ging es um eine Einrichtung der Evangelischen Kirche. Ausgeschrieben war eine befristete Referentenstelle für das Projekt „Parallelberichterstattung zur UN-Antirassismuskonvention“. Die Ausschreibung enthielt ua. folgende Angabe: „Die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der ACK angehörenden Kirche und die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag setzen wir voraus. Bitte geben Sie Ihre Konfession im Lebenslauf an.“ Die konfessionslose Klägerin, deren Bewerbung nach einer ersten Bewerbungssichtung des Beklagten noch im Auswahlverfahren verblieben war, wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Sie verlangt mit ihrer Klage von dem Beklagten eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG iHv. mindestens 9.788,65 Euro. Sie ist der Auffassung, sie habe die Stelle wegen ihrer Konfessionslosigkeit nicht erhalten. Dies sei jedenfalls bei unionsrechtskonformer Auslegung nicht mit dem Diskriminierungsverbot des AGG vereinbar. Das BAG nimmt diesen Fall zum Anlass, ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu richten. Folgende Fragen hat das BAG dem EuGH vorgelegt:

1. Ist Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG dahin auszulegen, dass ein Arbeitgeber, wie der Beklagte im vorliegenden Verfahren, bzw. die Kirche für ihn - verbindlich selbst bestimmen kann, ob eine bestimmte Religion eines Bewerbers nach der Art der Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts seines/ihres Ethos darstellt?

2. Sofern die erste Frage verneint wird:

Muss eine Bestimmung des nationalen Rechts wie hier § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG, wonach eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften und die ihnen zugeordneten Einrichtungen auch zulässig ist, wenn eine bestimmte Religion unter Beachtung des Selbstverständnisses dieser Religionsgemeinschaft im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt, in einem Rechtsstreit wie hier unangewendet bleiben?

3. Sofern die erste Frage verneint wird, zudem:

Welche Anforderungen sind an die Art der Tätigkeit oder die Umstände ihrer Ausübung als wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation gemäß Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG zu stellen?

Die Antwort des EuGH dürfte hierzulande mit Spannung erwartet werden. M.E. bestehen gute Aussichten, dass die erste Frage vom EuGH bejaht wird. Denn immerhin bestimmt Erwägungsgrund Nr. 24 der Richtlinie ausdrücklich: „Die Union hat in der (…) Erklärung Nr. 11 (…) ausdrücklich anerkannt, dass sie den Status, den Kirchen und religiösen Vereinigungen (…) in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, achtet und ihn nicht beeinträchtigt (…) Die Mitgliedstaaten können in dieser Hinsicht spezifische Bestimmungen über die wesentlichen, rechtmäßigen und gerechtfertigten beruflichen Anforderungen beibehalten oder vorsehen, die Voraussetzungen für die Ausübung einer diesbezüglichen beruflichen Tätigkeit sein können”. Auch Art. 17 Abs. 1 AEUV zielt in diese Richtung. Er lautet: „Die Union achtet den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, und beeinträchtigt ihn nicht.“

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

5 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

 

Die Kirchen schrankenlos bei der Personalauswahl gewähren zu lassen, käme einem Freibrief gleich und damit einer Nichtanwendung des AGGs für Kirchen. Hierfür gibt es keinen Grund. Die Kirchen übernehmen zwischenzeitlich zahlreiche Staatsaufgaben und erhalten hierfür entsprechende Staatszuschüsse. Warum sollten sie daher eine Extrawurst bekommen, was das AGG angeht.

 

@Prof. Stoffels:

 

Dem Erwägungsgrund 24 könnte ausreichend Rechnung getragen werden, wenn eine Differenzierung nach der Art der Tätigkeit vorgenommen werden würde. Es wäre also zu fragen, ob die Art der Tätigkeit irgend etwas mit der Verkündung des Glaubens zu tun hat.

 

Wird eine Stelle als "Kindergärtner" oder "Lehrer" zu besetzen sein, dann könnte man durchaus meinen, dass die Religionszugehörigkeit irgend etwas mit dem Verkündungsauftrag zu tun hat.

 

Anders dürfte dies für beispeielsweise für einen "Gärtner" oder einen "Juristen" zu beurteilen sein, da dort die Verkündung des Glaubens keine Rolle spielt.

 

Die bloße "Zugehörigkeit" zu einer Religionsgemeinschaft ist ferner auch keine Gewähr dafür, dass die Werte der Religionsgemeinschaft tatsächlich auch gelebt werden. Genauso wenig bedeutet die fehlende Zugehörigkeit, dass die Werte der Religionsgemeinschaft gerade nicht gelebt werden.

 

Ein misshandelnder Geistlicher lebt die Werte einer Religionsgemeinschaft sicherlich nicht.

4

Da sind sie die spannenden Fragen des AGG. Wie sieht es aus mit einer muslimischen Chirurgin in einem katholischen Krankenhaus? Mein Judiz sagt ja, dass ist rechtlich in Ordnung, ein gewisser Zweifel bleibt bei mir trotz dem, leise und nicht richtig auszumachen weshalb.

4

Es ist schon ein Trauerspiel, dass die Kirche hier solche Sonderrechte hat.

 

Ganz zu schweigen, dass in Mangelberufen wie z.B. Altenpfleger/innen oder derzeit auch Sozialarbeiter/innen

plötzlich keine Migliedschaft bei einer Kirche erforderlich sondern nur noch "wünschenswert" ist.

Ein sachlicher Grund hierfür ist nicht wirklich ersichtlich.

Man findet wohl schlicht und einfach kein Personal mehr, dass bei schlechterer Bezahlung auch noch eine zusätzliche Steuer abdrücken muss,

obwohl man mit der Kirche nichts zu tun hat.

 

 

 

 

3

Quote:

Wird eine Stelle als "Kindergärtner" oder "Lehrer" zu besetzen sein, dann könnte man durchaus meinen, dass die Religionszugehörigkeit irgend etwas mit dem Verkündungsauftrag zu tun hat.

Auch dann wenn mehr als 50 % der Stelle aus öffentlichen Mitteln finanziert bzw. bezuschusst werden?

Wer verkünden möchte, soll sich den Mist zu 100% selber finanzieren, dann kann er als Arbeitgeber auch verlangen, dass seine Mitarbeiter im rosa Tutu erscheinen und den "sterbenden Schwan" aufführen...oder eben eine best. Religionszugehörigkeit haben...ansonsten nope.....

bombjack

4

Das Problem mit den Tendenzbetrieben stellt sich doch nur, wenn sie ein tatsächliches oder faktisches Monopol auf die Beschäftigung in bestimmten Berufen haben. In vielen Teilen Süddeutschlands sind außerhalb der Großstädte alle Kindereinrichtungen in der Trägerschaft einer Kirche. In NRW werden die weitaus meisten Krankenhäuser von den Kirchen betrieben. In diesen Gegenden besteht für atheistische Kindergärtnerinnen und muslimische Ärtze ein defacto Arbeitsverbot.

Wenn der Tendenzschutz aufrecht erhalten werden soll - und damit kann ich gut leben - muss aber Kartellrecht angewendet werden und die öffentliche Hand muss gezwungen werden, weltanschaulich neutrale Einrichtungen mit den öffentlichen Aufgaben zu betrauen.

4

Kommentar hinzufügen