OVG Bremen: "Nur einmal gekokst? Nicht wissentlich? Die Freunde nennst du nicht? - Das glauben wir dir nicht!"

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 30.03.2016
Rechtsgebiete: KokainVerkehrsrecht1|3424 Aufrufe

Nach festgestelltem Konsum harter Drogen ist der Führerschein regelmäßig weg. Hier einmal wieder ein einschlägiger Fall. Der Betroffene wollte sich mit nicht wissentlichem Erstkonsum rausreden. Da machte aber das OVG nicht mit:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht gegeben.
Die Berufung ist danach zuzulassen, wenn mit dem Zulassungsantrag ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr., vgl. nur BVerfG, Kammerbeschluss vom 21.12.2009 - 1 BvR 812/09 - NJW 2010, 1062). Das ist hier nicht der Fall.
Die Beklagte hat dem Kläger mit Bescheid vom 10.11.2014 die Fahrerlaubnis entzogen, weil er ausweislich des Ergebnisses einer Blutuntersuchung Kokain konsumiert habe (Benzoylecgoninkonzentration von 49,2 ng/ml). Das Verwaltungsgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 08.10.2015 die Klage abgewiesen. In dem Gerichtsbescheid wird ausgeführt, dass Anhaltspunkte dafür, dass das Ergebnis der Blutuntersuchung der Universitätsmedizin Göttingen unrichtig sein könnte, nicht ersichtlich seien. Die Behauptung des Klägers, er habe unwissentlich Kokain konsumiert, sei nicht nachvollziehbar und unplausibel.
Soweit der Kläger im Zulassungsantrag - erneut - die Richtigkeit des Ergebnisses der Blutuntersuchung in Abrede stellt, ist sein Vortrag gänzlich unsubstantiiert.
Soweit er geltend macht, dass, sofern das Ergebnis der Untersuchung richtig sein sollte, dem ermittelten Wert nur eine unwissentliche Kokainaufnahme zugrunde liegen könne, hat sich das Verwaltungsgericht eingehend mit diesem Vortrag auseinandergesetzt. Die Einlassungen im Zulassungsantrag sind nicht dazu geeignet, ernstliche Zweifel an den diesbezüglichen Ausführungen zu wecken.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass bei einem positiven Nachweis harter Drogen grundsätzlich auf einen willentlichen Drogenkonsum geschlossen werden kann. Einem positiven Drogennachweis geht nach allgemeiner Lebenserfahrung typischerweise ein entsprechender Willensakt voraus. Ein behaupteter unwissentlicher Drogenkonsum stellt sich als ein Ausnahmetatbestand dar, zu dem nur der Betreffende als der am Geschehen Beteiligte Klärendes beisteuern kann und der daher von diesem jedenfalls glaubhaft und widerspruchsfrei dargetan werden muss. Erst nach einer solchen Schilderung kann sich die Frage ergeben, zu welchem Nachteil eine gleichwohl verbleibende Ungewissheit über den genauen Hergang der Ereignisse ausschlägt (st. Rspr., vgl. OVG Greifswald, B. v. 4.10.2011 - 1 M 19/11 - NJW 2012, 548; OVG Magdeburg, B. v. 13.4.2012 - 3 M 47/12 - Blutalkohol 49 (2012), 327, OVG Münster, B. v. 29.10.2012 - 16 B 1106/12 - Blutalkohol 49 (2012), 341).
Gesichtspunkte, die diesen Maßstab für den vorliegenden Fall relativieren könnten, sind nicht gegeben. Insbesondere mindert der Umstand, dass die Blutuntersuchung eine Benzoylecgoninkonzentration ergeben hat, die unterhalb des von der sog. Grenzwertkommission festgelegten analytischen Grenzwerts für die in der Anlage zu § 24a StVG aufgeführten Stoffe liegt (vgl. dazu OVG Bremen, B. v. 1.6.2015 - 2 B 51/15 -), nicht das Darlegungserfordernis des Klägers. Das Ergebnis der Blutuntersuchung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Nachweisdauer von Benzoylecgonin im Blut nur wenige Stunden beträgt. Es ändert nichts an der Tatsache des Drogenkonsums. Die Darlegungsanforderungen, die sich für den Kläger im Hinblick auf den behaupteten Ausnahmefall ergeben, werden dadurch nicht geringer.
Das Verwaltungsgericht ist nach vorstehendem Maßstab zu der Schlussfolgerung gelangt, dass der Kläger den behaupteten unwissentlichen Drogenkonsum nicht nachvollziehbar und plausibel dargetan hat. Der Zulassungsantrag zeigt keine Gesichtspunkte auf, die diese Beurteilung ernsthaft in Zweifel ziehen könnten. Sein Vortrag ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, pauschal und ungereimt. Ihm fehlen jegliche Angaben, die Ansatzpunkt für eine Verifikation bieten könnten.
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend macht, von ihm könne nicht verlangt werden, seine Freunde zu belasten, abgesehen davon sei es ja gerade ohne sein Wissen zu dem Drogenkonsum gekommen, so dass nähere Angaben nicht erwartet werden könnten, kann er damit nicht durchdringen. Der Kläger beruft sich auf Umstände, zu denen nur er Klärendes beisteuern kann. Klärendes hat er zu dem Sachverhalt aber nicht beigetragen. Nach dem vorstehendem Maßstab muss er dies gegen sich gelten lassen.
Ebenso ist seine Behauptung, Kokain sei entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht relativ teuer, überdies in Bremen leicht zu beschaffen und der Konsum einem geringen Verfolgungsrisiko ausgesetzt, nicht dazu geeignet, die differenzierte Tatsachenwürdigung des Verwaltungsgerichts in Zweifel zu ziehen.

OVG Bremen, Beschluss vom 12.02.2016 - 1 LA 261/15

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1 Kommentar

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Mußte mal als angestellter Anwalt aufgund Anordnung meines Vorgesetzten zusammen mit meinen Chef (Kanzleimitinhaber) zu einem Abendessen bei einem Mandanten (Zuhälter, Hehler und Drogenhändler), und stellte auf der Rückfahrt plötzlich Symptome eines Rausches fest, obwohl ich keinen Alkohol getrunken hatte, und seit meiner Schul- und Bundeswehrzeit auch keine Drogen mehr konsumiert habe.

Bei späteren Nachfragen fand ich heraus, daß unsere Mandantschaft unser Abendessen wohl mit Kokain gwürzt hatte (wobei aber deren gesamte Großfamilie am Kochen beteiligt war, und man also unmöglich genau sagen konnte, wer eigenhändig das Essen derart "gewürzt" hatte).

Es gibt also tatsächlich Fälle von unwissentlichem und unfreiwilligen Kokainkonsum, auch wenn diese selten sein mögen.

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