Bundesverwaltungsgericht zu Handwerksinnungen: kein Ausschluss der Tarifbindung

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 27.03.2016

Was von vielen Arbeitgeberverbänden Lauf auf Land ab angeboten und von vielen Arbeitgebern auch in Anspruch genommen wird, nämlich die sog. OT-Mitgliedschaft, möchten einige Handwerksinnungen auch ihren Mitgliedern anbieten. Zur Erinnerung: Der Gesetzgeber hat den Handwerksinnungen als Körperschaften des öffentlichen Rechts Tariffähigkeit auf Arbeitgeberseite verliehen (vgl. § 54 Abs. 3 Nr. 1 HandwO). Das BVerfG hat diese Eigentümlichkeit schon in einer frühen Entscheidung gebilligt (BVerfG NJW 1966, 2305). Kontrovers diskutiert wird seit geraumer Zeit, ob die Handwerksinnungen auch eine OT-Mitgliedschaft vorsehen kann (die Zulässigkeit bejahend etwa Löwisch/Rieble, § 2 TVG Rn. 427 f.). Im jetzt vom BVerwG (BVerwG 10 C 23.14 - Urteil vom 23. März 2016 – PM 24/16) entschiedenen Fall, hat die klagende Innung eine Satzungsänderung beschlossen, nach der Mitglieder ihre Bindung an Tarifverträge der Innung durch Erklärung ausschließen können und tarifpolitische Entscheidungen ausschließlich von tarifgebundenen Mitgliedern in einem besonderen Ausschuss zu treffen sind. Die Handwerkskammer verweigerte eine Genehmigung der Satzungsänderung. Das BVerwG hat in letzter Instanz entschieden, dass eine Handwerksinnung nicht durch Satzung die aus dem Bereich der Arbeitgeberverbände bekannte Mitgliedschaftsform einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (sog. OT-Mitgliedschaft) einführen darf. Die Handwerksordnung verleihe Innungen die Befugnis, Tarifverträge abzuschließen, damit in dem durch kleine Betriebe geprägten Bereich des Handwerks für sämtliche Innungsmitglieder eine tarifliche Ordnung hergestellt werden könne. Dieser gesetzliche Zweck wäre gefährdet, wenn einzelne Mitglieder der Innung für sich eine Tarifbindung ausschließen könnten. Zudem sei nach der Handwerksordnung die Innungsversammlung, in der jedes Mitglied stimmberechtigt ist, das für alle wesentlichen Fragen und für die Erhebung und Verwendung aller finanziellen Mittel zuständige Hauptorgan. Die Handwerksordnung lasse es nicht zu, einen für tarifpolitische Entscheidungen zuständigen Ausschuss der Innungen so zu organisieren, dass OT-Mitglieder keinen Einfluss auf diese Entscheidungen erlangen. Der Pressemitteilung lässt sich nicht entnehmen, wie das BVerwG für das sog. Zwei-Verbände-Modell entscheiden würde. In den Verbänden ist das Urteil auf ein positives Echo gestoßen. Das DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell sprach von einem "wichtigen Signal für die Tarifbindung im Handwerk". Die Arbeitgeber müssten einsehen, dass sie mit OT-Mitgliedschaften auf dem Holzweg seien. Nach Einschätzung des Zentralverbands des Handwerks ist die Mehrzahl der Betriebe tarifgebunden. Genaue Zahlen liegen allerdings nicht vor. OT-Mitgliedschaften seien mit der Systematik und dem Konzept der Handwerksordnung nicht vereinbar, erklärte Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks Holger Schwannecke. Das Urteil stärke die handwerklichen Verbandsstrukturen.

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