Prämien für Gewerkschaftsaustritt unzulässig

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 16.03.2016

Die Gewerkschaftszugehörigkeit von Arbeitnehmern ist für Arbeitgeber ein wichtiger Umstand, der für sie regelmäßig Pflichten und Kosten mit sich bringt.

Vor dem Hintergrund der in Art. 9 Abs. 3 GG normierten Koalitionsfreiheit gilt es aber bei der Gestaltung von Vertragsbedingungen, insbesondere bei der Gewährung von Sonderzahlungen, und bei der Auswahl von Beschäftigten Vorsicht walten zu lassen, wenn Arbeitgeber an diesen Umstand anknüpfen wollen. Für unzulässig erklärt hat das Bundesarbeitsgericht beispielsweise das Vorgehen des Arbeitgebers, die Einstellung von dem Austritt aus einer Gewerkschaft abhängig zu machen (BAG Urt. v. 2.6.1987, Az. 1 AZR 651/85, NZA 1988, 64). Dies hat scheinbar einige Arbeitgeber dazu veranlasst, kreativere Wege einzuschlagen, um den Einfluss der Gewerkschaften zu reduzieren.

Für Aufsehen in der Presse (vgl. u.a. den Beitrag bei lto) sorgte in diesem Zusammenhang vergangene Woche ein Fall, mit dem sich das Arbeitsgericht Gelsenkirchen (Urt. v. 9.3.2016, Az. 3 GA 3/16) auseinanderzusetzen hatte. Der Arbeitgeber, ein Reinigungsunternehmen, hatte seinen Mitarbeitern eine Prämienzahlung von 50 Euro angeboten, wenn diese ihren Mitgliedsausweis bei der Gewerkschaft wieder abgäben. Zugleich wurden vorgefertigte Kündigungsschreiben zur Verfügung gestellt. Das Unternehmen reagierte dabei auf eine angebliche Werbeaktion der betreffenden Gewerkschaft. Das Gericht entschied im Eilverfahren, dass es sich um einen massiven Verstoß gegen die Koalitionsfreiheit der Gewerkschaft handele und die Prämienzahlung damit rechtswidrig sei. Durch einen versuchten Angriff auf die Mitgliederstärke einer Gewerkschaft könne ihre Verhandlungsstärke, die ganz entscheidend für eine Gewerkschaft sei, nachhaltig geschwächt werden.

Neben der Koalitionsfreiheit der Gewerkschaft kann auch das individuelle Grundrecht der einzelnen Arbeitnehmer betroffen sein. Gerade auf Mitarbeiter ohne unbefristeten Vertrag oder innerhalb der Probezeit können derartige Ankündigungen Druck ausüben und sie zu einem Austritt drängen.

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9 Kommentare

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Sind Sie sicher, dass das ein Arbeits- und kein Vormundschaftsgericht war? Was ist mit der Koalitionsfreiheit der mündigen Arbeitnehmer, denen die Entscheidungsmöglichkeit genommen wird abzuwägen, ob die ihnen die Gewerkschaftszugehörigkeit wertvoller als die 50 Euro ist. Wenn hier 50 Euro als Bedrohung der Gewerkschaft angesehen werden, hat die Mitgliedschaft wohl aus Sicht der Gewerkschaft und des Gerichts keinen besonderen Wert. Das erinnert mich an kleine Kinder, die "Erpressung" schreien, wenn ihnen für das Aufräumen ein Eis in Aussicht gestellt wird.

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was hast das mit "Mündigkeit" des Arbeitnehmers zu tun? Selten einen solchen Schwachsinn gelesen! Hier geht es darum, dass Arbeitnehmer im Billiglohnbereich unter Druck gesetzt worden sind, um sie besser ausbeuten zu können.

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Was auf den ersten Blick unmittelbar einsichtig erscheint, darf dennoch hinterfragt werden.

Meines Erachtens ist es fraglich, ob die Gleichsetzung der Gewährung eines Vorteils mit der Androhung eines Nachteils so ohne weiteres in jedem Fall zu bejahen ist.

Wie wäre es zu bewerten, wenn eine andere Gewerkschaft einen Wechselbonus von 50 Euro in Aussicht stellen würde?

Würde dann die Arbeitnehmerin auch laut rufen: "Eine Unverschämtheit Frauen so unter Druck zu setzen!" ?

Ich weiss nicht, ob sowas zulässig ist oder schon mal gemacht wurde, aber inwieweit wäre das Image eines Arbeitgebers beschädigt, wenn er nach den Tarifverhandlungen den Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern einfach 5 Euro Brutto mehr bezahlt?

astroloop schrieb:

Ich weiss nicht, ob sowas zulässig ist oder schon mal gemacht wurde, aber inwieweit wäre das Image eines Arbeitgebers beschädigt, wenn er nach den Tarifverhandlungen den Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern einfach 5 Euro Brutto mehr bezahlt?

Ist unzulässig, weil Benachteiligung wegen Gewerkschaftszugehörigkeit. (genauer: es ist mit der Begründung "Nichtgewerkschaftsmitglied" unzulässig, er muss sich da schon ne andere Erklärung überlegen, wieso genau diese etwas bekommen sollen.)

 

stoffels schrieb:
Gerade auf Mitarbeiter ohne unbefristeten Vertrag oder innerhalb der Probezeit können derartige Ankündigungen Druck ausüben und sie zu einem Austritt drängen.

Solche Mitarbeiter werden sich doch hüten, ihre Gewerkschaftszugehörigkeit offenzulegen, wenn es sich irgendwie vermeiden läßt.

I.S. schrieb:

Ist unzulässig, weil Benachteiligung wegen Gewerkschaftszugehörigkeit. (genauer: es ist mit der Begründung "Nichtgewerkschaftsmitglied" unzulässig, er muss sich da schon ne andere Erklärung überlegen, wieso genau diese etwas bekommen sollen.)

Danke.

Ich kenne mich mit den Feinheiten in dem Gebiet so gar nicht aus.

Grundsätzlich geläufig ist mir nur die Unterscheidung Tarifvertrag vs. Individualvertrag.

Als ich den Beitrag gelesen habe, kam mir automatisch der Gedanke die Individualverträge grundsätzlich geringfügig besser zu gestalten, hier 60 Euro pro anno.

Aus Unternehmersicht könnte man eine solchen Mehraufwand als Streik-Versicherungsprämie auffassen.

Spieltheoretisch interessant wären auch die Effekte für die nächsten Tarifverhandlungen.

Ganz abgesehen davon, dass sich der böse Unternehmer -von aussen betrachtet- besser um die Lohnverhältnisse kümmert...  ;-)

Und der Arbeitnehmer gewinnt doppelt. Spart sich die Beiträge für die Gewerkschaften und ist besser gestellt.

Und nebenbei wäre das publizierte Urteil aus diesem Beitrag auch noch unterlaufen. ;-)

astroloop schrieb:

Als ich den Beitrag gelesen habe, kam mir automatisch der Gedanke die Individualverträge grundsätzlich geringfügig besser zu gestalten, hier 60 Euro pro anno.

Wenn sich individuelle Regelung und ein auf den entsprechenden Arbeitnehmer anwendbarer Tarifvertrag unterscheiden, gilt fast immer die für den Arbeitnehmer günstigere Lösung.

Wenn also der Arbeitnehmer als Nichtgewerkschaftsmitglied im Arbeitsvertrag stehen hat "50 Euro über Tarif", dann kann er später immer noch in die Gewerkschaft eintreten und die 50 Euro mehr bekommt er weiterhin. (Davon abgesehen, dass er bei der Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit bei der Einstellung ohnehin lügen darf.)

 

Die Arbeitgeber machen es deshalb heutzutage in der Regel anders:

Jeder bekommt nach Tarif bezahlt, egal ob Gewerkschaft oder nicht. Das bedeutet: Kein unmittelbar sichtbarer Vorteil durch Gewerkschaftsmitgliedschaft, also kann man sich auch die Beiträge sparen. Die Durchsetzungskraft der Gewerkschaft sinkt und dadurch auch die Lohnerhöhung, die sich in Verhandlungen erreichen läßt.

#3 das wäre dann eine verdopplung des gehaltes nur damit der arbeitnehmer nicht in die gewerkschaft geht denke mal das würde kein arbeitgeber machen

 

zudem würden die gewerkschaftsmitglieder diskriminiert
 

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Zusatz:

Die Diskriminierung wäre nach meinem Empfinden dann auch nicht mehr so eindeutig zu bejahen.

Wer sich einer Gruppe anschliesst, deren Vorstand stellvertretend für die Genossen die Vertragsbedingungen aushandelt, und entsprechend dieser Vereinbarung vergütet wird, kann sich doch nicht so ohne Weiteres auf Diskriminierung berufen, wenn andere, die nicht dieser Gruppe angehören, in freier Vereinbarung bessere Bedingungen erreichen.

 

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