Mist: Fehlkauf! Tschechischer Führerschein hat fälschlicherweise den richtigen (deutschen) Wohnsitz eingetragen!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 08.03.2016

Dumm gelaufen für den Betroffenen. Hatte er sich doch in Tschechien zwei Führerscheine gekauft. Und einen Wohnsitz wohl auch. Und dann steht in einem Führerschein doch die (richtige) deutsche Anschrift. Blöde. Der VGH München hatte da zu Recht wenig Verständnis:

I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt den Erlass eines vorläufigen, feststellenden Verwaltungsakts, dass er mit seinem tschechischen Führerschein zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klasse B auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland berechtigt ist.
Am 25. Juni 2007 erwarb er eine tschechische Fahrerlaubnis der Klasse B. Die MeU Stribro stellte ihm daraufhin eine Führerscheinkarte aus. Darin war unter Nr. 8 als Wohnsitz „H., Deutschland“ vermerkt.
Am 22. August 2007 erwarb der Antragsteller eine tschechische Fahrerlaubnis der Klasse A. Daraufhin erhielt er von der MeU Stribro eine neue Führerscheinkarte auf der unter Nr. 8 als Wohnsitz „S.“ eingetragen ist.

Mit Verfügung vom 30. September 2014 stellte die Staatsanwaltschaft Hof ein Ermittlungsverfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 170 Abs. 2 StPO ein. Der Antragsteller habe sich hinsichtlich der Fahrten vom 18. Juni 2014 und 19. Juli 2014 in einem Verbotsirrtum befunden, da er zwar mit seinem tschechischen Führerschein schon mehrfach kontrolliert worden sei, aber nie eine definitive Rückmeldung erhalten habe, ob er damit in Deutschland ein Fahrzeug führen dürfe. Sein Rechtsanwalt habe ihm am 29. Juni 2011 bestätigt, dass er von der tschechischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch machen dürfe. Er werde aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Fahrerlaubnis der Klasse B in der Bundesrepublik keine Gültigkeit habe, da sie unter Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip erteilt worden sei.
Am 10. und 15. Oktober 2014 trafen Beamte der Polizeiinspektion Wunsiedel den Antragsteller erneut beim Führen eines Kraftfahrzeugs der Klasse B an. Im Strafverfahren legte der Antragsteller ein Schreiben des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit Petrovice - Schwandorf vom 16. Mai 2014 vor. Darin wird festgestellt, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Erweiterung der Fahrerlaubnis auf die Klasse A am 22. August 2007 eine eingetragene Meldeadresse in CZ-... N., P., gehabt habe. Seit 16. Mai 2007 sei er zum vorübergehenden Aufenthalt als EU-Bürger ebenfalls unter dieser Adresse gemeldet gewesen. Nach mündlicher Auskunft des tschechischen Sachbearbeiters gehe der Antragsteller einer Beschäftigung in Tschechien nach. Am 5. Dezember 2014 führte der Antragsteller erneut ein Kraftfahrzeug.

Mit Schriftsatz vom 6. Juli 2015 beantragte der Antragsteller bei der Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts Wunsiedel (Fahrerlaubnisbehörde) eine Bestätigung der Gültigkeit seiner tschechischen Fahrerlaubnis. Mit Schreiben vom 29. Juli 2015 teilte die Fahrerlaubnisbehörde mit, die Anerkennung von Fahrerlaubnissen aus Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sei in § 28 FeV abschließend geregelt. Hinsichtlich der strafrechtlichen Relevanz werde auf die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 30. September 2014 verwiesen. Den dagegen erhobenen Widerspruch hat die Regierung von Oberfranken mit Widerspruchsbescheid vom 3. August 2015 zurückgewiesen. Der Widerspruch sei unzulässig, da es sich bei dem Schreiben vom 29. Juli 2015 nicht um einen Verwaltungsakt handele.
Seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO hat das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 6. Dezember 2015 abgelehnt. Es sei schon fraglich, ob dem Antragsteller ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite stehe. Er wolle mit dem feststellenden Bescheid Einfluss auf ein strafrechtliches Verfahren nehmen. Dazu benötige er weder einen Feststellungsbescheid der Fahrerlaubnisbehörde noch einen Gerichtsbeschluss, sondern er könne seine Argumente im Strafverfahren vorbringen. Er habe aber auch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV sehe nur den Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts im Falle der fehlenden Fahrberechtigung vor. Im Übrigen habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass die Eintragung eines deutschen Wohnsitzes in dem ersten tschechischen Führerschein unzutreffend gewesen sei. Nach der Auskunft des Gemeinsamen Zentrums vom 16. Mai 2015 (richtig wohl: 2014) sei er nicht in dem im zweiten tschechischen Führerschein genannten Ort gemeldet gewesen. Am 22. Oktober 2007 habe er bei einer Gerichtsverhandlung auch einen deutschen Wohnsitz angegeben.

Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt. Der Antragsteller begehrt weiter den Erlass eines vorläufigen feststellenden Verwaltungsakts. Er ist der Auffassung, es gäbe zwei Möglichkeiten, um Rechtssicherheit hinsichtlich einer EU-Fahrerlaubnis zu erlangen. Entweder eine allgemeine Feststellungsklage oder eine verbindliche Auskunft der Fahrerlaubnisbehörde. Er halte die Auskunft der Behörde für den besseren Weg, da dann nicht die Verwaltungsgerichte den Sachverhalt erforschen müssten. Sein Antrag sei auch zulässig, obwohl das Amtsgericht Wunsiedel durch Urteil vom 21. Dezember 2015 schon entschieden habe. Das Protokoll der mündlichen Verhandlung und das Urteil würden nachgereicht. In die erste Führerscheinkarte sei versehentlich ein deutscher Wohnort eingetragen worden. Die Kontaktstelle Schwandorf habe bestätigt, dass er seit 16. Mai 2007 in N. gemeldet gewesen sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), rechtfertigen nicht die Abänderung der Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat den zulässigen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu Recht abgelehnt

1. Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Er hat keinen Anspruch auf Erlass eines vorläufigen Verwaltungsakts, mit dem festgestellt wird, dass er berechtigt ist, mit seiner tschechischen Fahrerlaubnis Kraftfahrzeuge der Klasse B im Bundesgebiet zu führen. Nach § 28 Abs. 4 Satz 2 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV) vom 18. Dezember 2010 (BGBl S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 2. Oktober 2015 (BGBl S. 1674), kann die Behörde in den Fällen des § 28 Abs. 4 Satz 1 FeV einen feststellenden Verwaltungsakt über die fehlende Berechtigung erlassen. Die Möglichkeit, einen feststellenden Verwaltungsakt über eine bestehende Berechtigung zu erlassen, ist in der Fahrerlaubnis-Verordnung nicht vorgesehen. Dabei handelt es sich auch nicht um eine Regelungslücke, die in analoger Anwendung des § 28 Abs. 4 Satz 1 FeV geschlossen werden müsste, denn die Berechtigung, mit einer EU-Fahrerlaubnis ein Fahrzeug im Inland zu führen, ergibt sich unmittelbar aus § 28 Abs. 1 FeV, solange keine Gründe nach § 28 Abs. 4 Satz 1 FeV vorliegen. Eine diesbezügliche deklaratorische Feststellung bringt dem Betreffenden regelmäßig keinen Vorteil. Besteht Streit, ob der Betreffende von seiner EU-Fahrerlaubnis Gebrauch machen darf, weil Zweifel am Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 oder 3 FeV bestehen, ist die Behörde grundsätzlich gehalten, einen entsprechenden feststellenden Verwaltungsakt über die fehlende Berechtigung zu erlassen. Das diesbezügliche Ermessen ist regelmäßig intendiert (Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 28 FeV Rn. 56; Koehl in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 1. Auflage 2014, § 28 FeV Rn. 45). Erlässt die Behörde keinen solchen Verwaltungsakt, obwohl Streit über die Frage der Berechtigung besteht, und ordnet sie auch nicht die Vorlage des ausländischen Führerscheins zur Eintragung eines Sperrvermerks nach § 47 Abs. 2 Satz 1 und 2 FeV an, muss der Betreffende sein Begehren auf Feststellung der Inlandsgültigkeit seiner EU-Fahrerlaubnis mit einer Feststellungklage verfolgen (vgl. BayVGH, U. v. 19.11.2012 - 11 BV 12.21 - ZfSch 2013, 114; Koehl, a. a. O. § 28 FeV Rn. 57).

Darüber hinaus ist es ohnehin regelmäßig ausgeschlossen, im Wege einer einstweiligen Anordnung den Erlass eines Verwaltungsakts zu erlangen und hierdurch die Hauptsache vorwegzunehmen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 123 Rn. 66d).

2. Selbst wenn man den Antrag dahingehend auslegen würde, dass durch das Gericht im Wege einer einstweiligen Anordnung festgestellt werden soll, dass der Antragsteller bis zur Entscheidung in der Hauptsache berechtigt ist, von seiner tschechischen Fahrerlaubnis der Klasse B im Bundesgebiet Gebrauch zu machen, könnte er keinen Erfolg haben. Denn auch diesbezüglich hat der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Durch einen Führerschein, in dessen Feld 8 ein nicht im Ausstellerstaat liegender Ort eingetragen ist, wird der volle Beweis der Nichtbeachtung des Wohnsitzerfordernisses im Sinn von § 418 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 98 VwGO erbracht (BayVGH, B. v. 20.8.2015 - 11 ZB 15.1219 - juris Rn. 7; B. v. 2.5.2012 - 11 ZB 12.836 - juris Rn. 12; U. v. 13.2.2013 - 11 B 11.2798 - juris Rn. 54; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 28 FeV Rn. 27; Koehl in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, § 28 FeV Rn. 21, ders. NZV 2015, 7/9). Unstreitig war in dem am 25. Juni 2007 ausgestellten tschechischen Führerschein ein Wohnsitz in Deutschland eingetragen.

Zwar kann nach § 98 VwGO i. V. m. § 418 Abs. 2 ZPO grundsätzlich der Beweis der inhaltlichen Unrichtigkeit der im ausländischen Führerschein bezeugten Tatsache geführt werden. An einen auf die Widerlegung der Beweisregelung des § 418 Abs. 1 ZPO abzielenden Gegenbeweis sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Insoweit obliegt es dem Fahrerlaubnisinhaber, substantiierte und verifizierbare Angaben zu Beginn und Ende seines Aufenthalts im Ausstellermitgliedstaat und zu seinen persönlichen und beruflichen Bindungen zu machen (BayVGH, B. v. 20.8.2015 - 11 ZB 15.1219 - juris Rn. 8; BVerwG, B. v. 22.10.2014 - 3 B 21.14 - juris Rn. 3, B. v. 28.1.2015 - 3 B 48.14 - juris Rn. 6, jeweils m. w. N.). Dafür werden von der Beschwerde aber keinerlei Anhaltspunkte dargelegt und glaubhaft gemacht, sondern es wird nur behauptet, die Eintragung sei versehentlich erfolgt. Aus welchem Anlass die tschechischen Behörden versehentlich eine falsche Eintragung vorgenommen haben sollten, ist nicht ersichtlich. Auch eine Auseinandersetzung mit der Frage, aus welchen Gründen das Gemeinsame Zentrum eine Meldeanschrift angegeben hat, die von dem im der Führerscheinkarte genannten Wohnort abweicht, findet nicht statt. Es wäre aber Sache des Antragstellers gewesen, diese Widersprüche aufzuklären und ggf. durch Vorlage von Mietverträgen, Überweisungsbelegen, Arbeitgeberbescheinigungen usw. darzulegen, dass er gleichwohl zum Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse B seinen ordentlichen Wohnsitz i. S. d. Art. 9 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein (RL 91/439/EWG, ABl L 237 S. 1) und Art. 12 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (Neufassung, RL 2006/126/EG, ABl L 403 S. 18) in der Tschechischen Republik hatte.
 

3. Der Antragsteller hat auch keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Voraussetzung dafür ist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten (Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 123 Rn. 26). In erster Instanz hat er diesbezüglich geltend gemacht, das Amtsgericht habe im anhängigen Strafverfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis die Hauptverhandlung am 21. Dezember 2015 terminiert, deshalb sei eine vorherige Klärung durch das Verwaltungsgericht erforderlich. Damit kann keine besondere Dringlichkeit dargelegt werden, denn der Antragsteller kann die Argumente bezüglich der von ihm behaupteten Berechtigung, von seiner tschechischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch machen zu dürfen, auch im Strafverfahren vortragen. Darüber hinaus wäre es ihm ohne weiteres möglich gewesen, unmittelbar nach Erhalt der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 30. September 2014 eine Klärung in einem verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren herbeizuführen. Aus welchen Gründen er nach Zugang der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft über ein Jahr gewartet hat, bis er um Eilrechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht nachgesucht hat, hat er nicht erläutert. Im Übrigen ist der 21. Dezember 2015 längst verstrichen und der Antragsteller hat weder das Protokoll der mündlichen Verhandlung oder das Urteil vorgelegt noch den Ausgang des Strafverfahrens mitgeteilt.

VGH München, Beschluss vom 16.02.2016 - 11 CE 16.15

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen