Mama und die WG ihres Sohnes

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 05.03.2016
Rechtsgebiete: Familienrecht2|2448 Aufrufe

Der seinerzeit 26 Jahre alte Sohn der heute 68-jährigen Klägerin aus Hagen wohnte im Jahr 2012 in einer Studenten-WG in Dortmund. Während seines Urlaubs im August 2012 bat er seine Mutter darum, seine zwei kleinen Katzen und sein Meerschweinchen, zu versorgen. Dies tat die Klägerin, indem sie sich während der Abwesenheit ihres Sohnes in der Wohnung aufhielt. Ein anderer Mitbewohner der WG, seinerzeit 29 Jahre alt, widersprach dem dauernden Aufenthalt der Klägerin in der Wohnung und forderte sie auf, diese zu verlassen. Die Klägerin weigerte sich jedoch, woraufhin der Mitbewohner die Polizei rief.

Nachdem zwei Polizeibeamten vor Ort geklärt hatten, dass der Mitbewohner, nicht aber die Klägerin, in der Wohnung amtlich gemeldet war, forderten auch sie die Klägerin zum Verlassen der Wohnung auf. Dem kam die Klägerin nicht nach, sondern versuchte ihren zwischenzeitlich herbeigerufenen Ehemann, der ebenso wie sie kein Mitglied der WG war, Zutritt zur Wohnung zu verschaffen. Dies verhinderten die Polizeibeamten, indem sie die Klägerin an den Armen festhielten und nach Angaben der Klägerin gegen die Wohnungstür drückten. Erst nach diesem Tumult verließ die Klägerin freiwillig die Wohnung.

Die Klägerin hielt den Polizeieinsatz für rechtswidrig und forderte vom Land NRW ein Schmerzensgeld i.H.v. 1.200 €. Nach ihrem Vortrag hatte sie bei dem Polizeieinsatz schmerzhafte Prellungen und Hämatome am Oberkörper und ihren Armen erlitten. Das LG wies die Klage ab. Auch die Berufung der Klägerin vor dem OLG blieb erfolglos.


Der Klägerin steht aufgrund des Polizeieinsatzes kein Schadensersatzanspruch gegen das beklagte Land zu.

Auch wenn man davon ausginge, dass die Klägerin die von ihr vorgetragenen Verletzungen durch den Polizeieinsatz erlitten hatte, waren diese jedoch nicht Folge eines amtspflichtwidrigen Handelns der Polizeibeamten. Diese waren nämlich berechtigt, gegen die Klägerin einen Platzverweis auszusprechen und diesen sodann mit unmittelbarem Zwang durchzusetzen. Schließlich war von der Klägerin eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgegangen.

Der dauerhafte Aufenthalt der Klägerin in der WG hatte das Hausrecht des Mitbewohners verletzt. Dieser war somit berechtigt, die Klägerin aus der Wohnung zu verweisen. Der Sohn der Klägerin hatte ihr zwar die Schlüssel überlassen und das Betreten der Wohnung gestatten dürfen, damit die Klägerin die Haustiere versorgen konnte. Er hatte ihr aber keinen dauerhaften, sich über mehrere Tage hinziehenden Aufenthalt in den auch gemeinschaftlich zu nutzenden Räumen der Wohnung erlauben können. Denn eine studentische WG ist auf das Zusammenleben regelmäßig jüngerer Erwachsener in einer vergleichbaren Lebenssituation ausgerichtet. Der dauerhafte Aufenthalt von Angehörigen einer anderen Generation ist ihr fremd. In einer WG suchen zudem die Mitglieder neue Mitbewohner aus. Infolgedessen kann ein Mitbewohner nicht durch seine Mutter, und sei es auch nur für einige Tage, ausgetauscht werden.

Die hinzugerufenen Polizeibeamten durften das durch die Klägerin dauerhaft verletzte Hausrecht des Mitbewohners durchsetzen. In den Abendstunden konnte dieser sein Hausrecht nicht selbst kurzfristig zivilrechtlich schützen. Außerdem war sogar der Tatbestand des Hausfriedensbruchs erfüllt, nachdem die Klägerin auch nach der Aufforderung des Mitbewohners zum Verlassen der Wohnung in derselben verblieben war. 

Nachdem die Klägerin keiner der Aufforderungen gefolgt und stattdessen sichtlich bestrebt war, die Verletzung des Hausrechts durch das Einlassen ihres Ehemanns in die Wohnung zu intensivieren, durften die Polizeibeamten ihr gegenüber unmittelbaren Zwang zur Durchsetzung des zuvor ausgesprochenen Platzverweises anwenden. Dieser wurde auch nicht mit unverhältnismäßigen Mitteln ausgeübt. Schließlich war die Klägerin nicht durch gezieltes Einwirken der Beamten, sondern in dem Tumult verletzt worden, den sie infolge des Versuchs, die Wohnungstür für ihren Ehemann zu öffnen, selbst verursacht hatte.


OLG Hamm v.22.1.2016, 11 U 67/15 PM des Gereichts

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2 Kommentare

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Hopper schrieb:

Schließlich war von der Klägerin eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgegangen.

Der dauerhafte Aufenthalt der Klägerin in der WG hatte das Hausrecht des Mitbewohners verletzt. Dieser war somit berechtigt, die Klägerin aus der Wohnung zu verweisen. Der Sohn der Klägerin hatte ihr zwar die Schlüssel überlassen und das Betreten der Wohnung gestatten dürfen, damit die Klägerin die Haustiere versorgen konnte. Er hatte ihr aber keinen dauerhaften, sich über mehrere Tage hinziehenden Aufenthalt in den auch gemeinschaftlich zu nutzenden Räumen der Wohnung erlauben können. Denn eine studentische WG ist auf das Zusammenleben regelmäßig jüngerer Erwachsener in einer vergleichbaren Lebenssituation ausgerichtet. Der dauerhafte Aufenthalt von Angehörigen einer anderen Generation ist ihr fremd.

 

Ein sehr mütterfeindliches Urteil, zudem altersdiskriminierend. Es gibt auch Senioren, die studieren. Hätte der Student also an seinen Bruder während des Urlaubs "untervermieten" dürfen, an seine Mutter aber nicht? War denn die Untervermietung im Mietvertrag ausgeschlossen?  Nun gut, wir haben in den Semesterferien unser WG-Zimmer auch weitervermietet, allerdings meist an andere junge Leute. Insofern ganz im Sinne des OLG Hamm.

Was aber die Ordnung angeht:

Ich glaube nicht, dass von einer Mutter Gefahr für die Ordnung ausging. Es bestand wohl eher die Gefahr, dass die Mutter mal für etwas Ordnung in der WG sorgt. Davor hatte der Mitbewohner Angst.

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Es geht nicht um Mietrecht, bzw. "Untervermietung" etc. Es geht um Gesellschaftsrecht, weil eine WG eine GbR ist. Insoweit ist das Urteil zumindest vertretbar, wenn ich jedoch auch die Annahme einer Störung der Öffentlichen Sicherheit und Ordnung schon für sehr mutig halte. Das Urteil hat also wohl eher fiskalische Gründe.

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