Bauern als böse Buben? - Gastbeitrag von Blogleser Dr. Frank Bokelmann zum "Gülletourismus"

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 13.02.2016
Rechtsgebiete: GülletourismusVerkehrsrecht6|3086 Aufrufe

Blogleser Dr. Frank Bokelmann hatte in der Vergangenheit schon mehrfach Themenanregungen /Texte eingesandt. Heute freue ich mich, einmal wieder etwas bekommen zu haben:

Von Juli bis Oktober ist Erntezeit. Insbesondere in dieser Zeit, inzwischen wegen der riesigen zu bewirtschaftenden Flächen, der Vermaisung der Landschaft und dem neuesten Trend "Gülletourismus" verwandeln sich die (nord-)deutschen Landstraßen einschließlich vieler Bundesstraßen in Tempo 40-Zonen. An einem ganz normalen Samstag findet man sich auf der B 203 zwischen A 23 und Büsum schnell in einer bis vierhundert Meter langen Schlange hinter einem Landwirt, seiner Zugmaschine und einem Anhänger wieder - vorbei an nicht weniger als sieben Busbuchten auf freier Landstraße, die der Bauer aber mitnichten nutzt (wer kennt schon § 5 Abs. 6 StVO). Wer das Gespann überholt, kommt nach einem Kilometer FAhrt an das Ende einer weiteren Autoschlange. Einziger Trost:während man so durch die Gegend zuckelt, kommen einem bis zu vier ähnliche Paraden entgegen.

Verfolgung des bäuerlichen Treibens als Ordnungswiedrigkeit? - Fehlanzeige!

Jetzt stellt sich die Frage aller Fragen. Ist § 5 Abs. 6 StVO anwendbar oder angesichts moderner Straßenverhältnisse längst tot?

Das letzte mir bekannte Urteil aus Schleswig-Holstein wegen Verstoßes gegen § 5 Abs. 6 StVO war eines des AG Elmshorn aus dem August 2013 und betraf einen Radfahrer, der in einer sehr engen, rund 100 bis 150 Meter langen Straße in einer Tempo 30-Zone 11km/h fuhr und sich weigerte, überholwilligen Kfz-Führern das Vorbeikommen zu ermöglichen, indem er z.B. sein Fahrrad auf den Bürgersteig hob: Verurteilung zu einer Geldbuße i.H.v. 10 EUR.

Danke, Herr Dr. Bokelmann!

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6 Kommentare

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Für Bauern als das Hätschelkind der Nation bzw. aller Nationen gelten solche läppischen Vorschriften der StVO nicht, wenn es gilt, den Boden und die Luft mit Gülle zu verpesten. Was für einen die Pest, ist für den anderen der Grund allen Daseins.

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Ein Artikel aus der Windschutzscheibenperspektive!

Die Straße ist für alle da, nicht nur für Schnellverkehr.

Der Radfahrer im zitierten Urteil wurde vermutlich in der sehr engen Passage schon mehrfach durch unzureichenden Überholabstand gefährdet und hält seinerseits den Sicherheitsabstand zum Bordstein ein.

"Wird ein Kind auf dem Rad transportiert, ist ein Mindestabstand von 2 m einzuhalten, entschied beispielsweise das OLG Naumburg (Versicherungsrecht 2005, S. 1601). Der Abstand bezeichnet dabei die seitliche Distanz von Überholer zum Überholten: Im Allgemeinen von der rechten Außenkante des Kfz zur "linken Außenkante" des Radfahrers. " Quelle: https://www.adfc-nrw.de/kreisverbaende/kv-bottrop/radverkehr/verkehrsreg....

Bei Berücksichtigung des Mindestabstands - auch zum gegenüberliegenden Fahrbahnrand - bleibt bei einer "sehr engen" Durchfahrtsstraße kein Raum für einen verkehrsordnungsgerechten Überholvorgang.

Bei 150 (100) m Länge "verliert" der PKW-Fahrer selbst bei 11 km/h des Radfahrers 31 (21) Sekunden. 18 (12) Sekunden hätte der Pkw-Fahrer auch bei Ausschöpfung der 30 km/h benötigt. Es besteht übrigens - entgegen der landläufigen Meinung - keine Pflicht, jeweils die Höchstgeschwindigkeit einzuhalten. Bei einer "sehr engen" Fahrbahn spricht mehr dafür, dass das allgemeine Rücksichtsnahmegebot bereits eine Geschwindigkeit unter der allgemein zulässigen Höchstgeschwindigkeit erfordert.

Auch wenn 11 km/h (wer maß die?) eine auffällig niedere Geschwindigkeit ist, scheint das Urteil fragwürdig. Es unterstellt ein Über- Unterordnungsverhältnis der Verkehre, wie sie in der StVO nicht zu finden sind.

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Auf Bundesstraßen gibt es keine Mindestgeschwindigkeit.

Insofern dürfen die Landwirte mit ihren Treckern so schnell fahren wie sie können und dürfen.

Im übrigen finde ich das ständige draufhauen auf die Landwirte wiederlich.

Die Landwirte arbeiten nun mal nicht in einem von der Außenwelt abgeschotteten Büro oder Fabrik, sondern in der Landschaft, insofern ist es zwar ärgerlich, wenn man hinter einem Trecker stecken bleibt, aber das ist ebenso unvermeidlich wie ein Regenschauer und darum ebenso hinzunehmen.

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Tourix hat Recht. Landwirte dürfen mit ihren Treckern so schnell fahren wie sie können und dürfen. Aber für sie gilt die StVO auch. Und danach müssen sie (Stand heute) Überholwilligen bei passender Gelegenheit (hier an den erwähnten Busbuchten) die Möglichkeit zum Passieren geben. Wenn sie das nicht tun, ist das eine OWi - genauso, als würden sie mit ihrem Traktor mit 150 km/h über die Landstraße jagen. Das Nichtüberholenlassen müsste also verfolgt werden, zumal es auf bestimmten Strecken so nachhaltig passiert, dass es die Polizei sicher bemerkt.

Ähnliches gilt m.E. übrigens auch für Radfahrer untereinander auf Radwegen, wird aber auch nicht verfolgt - bis mal ein Kind beim Überholen auf dem Gehweg zu Schaden kommt.

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Es geht nicht um "die Bauern", sondern um Diejenigen, die unsere Natur und Umwelt schädigen. Wo ist die Verantwortung für den Grund und Boden, für unsere Umwelt und das kostbare Trinkwasser, für unsere Ntz- und Wildtiere und so nebenbei für unsere Kinder, kommende Generationen???? Es kann und darf nicht sein, dass die sogenannten Landwirte nur für eine hohe Rendiete die Moral der Achtung vor der Natur und den Lebewesen über Bort werfen. Das verwerfliche ist, dass unsere Politiker solch ein Handeln mit enormen Fördermitteln(Steuergelder) auch noch unterstützen! Die ökologisch und nachhaltig wirtschaftenden Landwirte sollten gefördert werden, bei Ihnen sollten wir einkaufen!!! Unsere Politiker sollten umdenken und nicht Fehlentwicklungen wie bei der Milchproduktion auch noch mit Fördermittel stützen, welcher aufrichtig arbeitende Handwerksbetrieb bekommt Fördermittel, wenn er am Markt vorbei produziert? Nichts gegen unsere tüchtigen und fleißigen Landwirte/Bauern- alle ACHTUNG!-, aber Negativentwicklungen können und dürfen nicht auch noch gefördert werden.

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Nur 4 Tage vor der Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen hat das BMVI einen Teilrückzieher in Bezug auf die "Trecker-Maut" gemacht (Trecker-Maut kommt doch nicht, NDR 1 Welle Nord, Stand: 27.06.2018 16:54 Uhr).

Das zeigt dreierlei:

1. die Bauernlobby ist noch immer mächtig (mit Bick z.B. auf § 24 UStG würde das auch niemand ernsthaft in Frage stellen);

2. in Bayern wird bald gewählt, und da kann man von einem Ministerposten in Berlin aus bei der eigenen Klientel auch abseits der "Flüchtlingsfrage" punkten;

3. die auch in Deutschland immer mal wieder aufflammende Frage nach einer Absenkung der Geschwindigkeitsbegrenzung auf Landstraßen auf 80 km/h stellt sich nicht wirklich, weil diese Geschwindigkeit sowie selten erreicht wird (im Sommerhalbjahr wegen der Bauern und im übrigen wegen (Bauern)-Glätte, Schnee und Eis. 

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