Samstagabend ARD 20:15 „Der Fall Barschel. Geheimnisvoller Tod in Genf“ – Ein Anstoß zur Wahrheitsfindung fast 30 Jahren!

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 07.02.2016

Es war und ist nach wie vor einer der größten Polit-Skandale im Nachkriegsdeutschland. Am 11. Oktober 1987 wird im Luxushotel Beau Rivage in Genf die Leiche des gescheiterten Kieler Ministerpräsidenten Uwe Barschel gefunden. Er liegt angezogen in der Badewanne, vergiftet durch raffiniert kombinierte Medikamentengiftstoffe. Um den Fall Barschel war es nach Erscheinen des Buchs von Michael Mueller, Rudolf Lambrecht und Leo Müller „Der Fall Barschel. Ein tödliches Doppelspiel“ im Jahr 2007 und Jahre später nach der Darstellung des ehemals ermittelnden Leitenden Oberstaatsanwalts Heinrich Wille "Ein Mord, der keiner sein durfte: Der Fall Uwe Barschel und die Grenzen des Rechtsstaats" im Jahr 2013 jeweils etwas ruhiger geworden. Bis heute ist der Fall ungeklärt, erregt immer wieder einmal die Gemüter und führt zu den unterschiedlichsten Spekulationen.

Groß angekündigt lief am Samstagabend in der ARD der herausragende Fernsehfilm „Der Fall Barschel. Geheimnisvoller Tod in Genf“ mit anschließender Dokumentation. Film und Dokumentation sind in der ARD Mediathek eingestellt.

Diese politische Affäre mit seinen Hintergründen und nach wie vor ungeklärten Fragen eindrucksvoll in Erinnerung zu bringen, darin liegt ein sehr großes Verdienst dieses fast dreistündigen Mammutwerks. Nach wie vor sind die Akten des BND unter Verschluss, so dass auch die Spekulation eines Staatskomplotts in das Drehbuch Eingang gefunden hat.

Was in Sachen Oktoberfest-Attentat dem hartnäckig ermittelten Journalisten Ulrich Chaussy und vorallem dem auf seiner Geschichte beruhenden Film „Der blinde Fleck“ mit der Wiederaufnahme der Ermittlungen durch den Generalbundesanwalt gelungen ist (hier der Blogbeitrag), wäre auch dieser Produktion zu wünschen: ein wichtigen Anstoß dazu zu geben, dass sich erneut die Staatsanwaltschaft um die Aufklärung der Affäre Barschel bemüht!

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20 Kommentare

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Es gibt Tote, die man einfach ruhen lassen und nicht immer regelmässig wieder mal aufwärmen sollte. Man wird den Fall trotz immer wieder neuer Ermittlungen nie eindeutig aufklären können, schon gar nicht lückenlos. Ich kann gut damit leben, wie auch mit anderen nicht aufgeklärten Fällen wie Kaspar Hauser, Lindbergh-Baby etc.

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# Gast

Ihre Einstellung teile ich, wenn seitens der Staatsanwaltschaft alle erkennbaren Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden.

 

Nachdem ich das Buch des damals ermittelnden Leitenden Oberstaatsanwalts Heinrich Wille (Link im Eingangsbeitrag) gelesen hatte, habe ich daran im Fall Barschel meine Zweifel wie ich sie auch beim Oktoberfest-Attentat hatte (die Einzeltäterthese ist zwischenzeitlich widerlegt und zugleich ist deutlich geworden, in welch massiver Weise die Politik die das Ermittlungsergebnis „gesteuert“ hat).  Ermittlungsansätze finden sich in dem Buch genügend. Wenn sich der ermittelnde Staatsanwalt zudem über Einflussnahmen auf seine Ermittlungstätigkeit beklagt, dann muss dies tatsächlich noch nicht der Fall gewesen sein, aber die Möglichkeit politischer Einflussnahmen sogar Verstrickungen wird plausibel dargelegt. Dann möchte ich diese Fragen im Interesse eines funktionierenden Rechtsstaats aufgeklärt sehen!

 

Mord verjährt nicht. Ich würde mir wünschen, die Ermittlungen im Fall Barschel würden wieder aufgenommen , auch wenn dadurch nur der eine oder andere Verdachtsmoment der in eine bestimmte Richtung weist, ausgeräumt werden kann.

Nachdem ich das Buch des damals ermittelnden Leitenden Oberstaatsanwalts Heinrich Wille (Link im Eingangsbeitrag) gelesen hatte, habe ich daran im Fall Barschel meine Zweifel...

Warum hat dieser Heinrich Wille denn damals nicht gleich richtig ermittelt? Warum schreibt er anschliessend ein Buch, statt gleich richtig ermittelt zu haben? Auf Anhieb würde ich das eher nicht verstehen, bzw. mit dem immer wieder nächstliegenden Motiv erklären, das "Geld" heißt...

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Gast schrieb:

Nachdem ich das Buch des damals ermittelnden Leitenden Oberstaatsanwalts Heinrich Wille (Link im Eingangsbeitrag) gelesen hatte, habe ich daran im Fall Barschel meine Zweifel...

Warum hat dieser Heinrich Wille denn damals nicht gleich richtig ermittelt?

Als Staatsanwalt ist er weisungsgebunden. Er kann also nicht frei jede Ermittlungsmaßnahme durchführen, die er für richtig hält. Oberster Dienstherr ist der Justizminister.

Vgl. http://blog.beck.de/2015/08/01/ermittlungen-des-gba-wegen-landesverrats-...

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Wenn das wirklich so wäre, wäre es ein Skandal. Aber war das wirklich so oder ist es nur eine von so vielen Verschwörungs- und Komplottheorien?

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@ Gast #

 

Wenn Sie das Buch von Heinrich Wille bei www.amazon.de aufrufen, können Sie einen Blick in das Vorwort und in die Überschriften des Buchs werfen. Wenn Sie die Überschriften, soweit diese nicht schon den Weg aufzeigen (zB „Die Gauck-Behörde hat mehr, als sie zugibt“) mit einem Fragezeichen versehen, ergeben sich schon im ersten Ansatz genügend Ermittlungsansätze. Diese mögen vielleicht schnell zu beantworten zu sein, aber um die Antworten sollte sich die Staatsanwaltschaft nunmehr bemühen.

 

Schon im Vorwort können Sie lesen, dass der Leitende Oberstaatsanwalt Wille den Fall erst sieben Jahre nach dem Tod von Uwe Barschel übernommen hat als die Schweizer Ermittler mit dem Ergebnis “Selbstmord“ bereits aufgegeben hatten (so Stefan Aust im Vorwort).

 

Dringend aufklärungsbedürftige scheinen mir u.a. folgende Fragen, wobei sich die Liste um zahlreiche Fragen fortsetzen ließe (siehe eingangs):

  • Welche Rolle spielte der BND? Warum werden immer noch nicht die Akten für weitere staatsanwaltlichen Ermittlungen freigegeben?

  • War Barschel in internationale Waffengeschäfte verwickelt? Falls ja, ging es um private Waffengeschäfte oder im Auftrag der Bundesregierung?

  • Lassen sich die in die DDR und CSSR führenden Spuren zwischenzeitlich weiter aufklären?

  • Wer war bzw ist „Roloff“?

  •  

Übrigens: Der TV-Film stellt – ein großes Verdienst des Drehbuchs –die dezentralen Ungereimtheiten akribisch zusammen. Das beginnt schon mit der schlampigen Spurensicherung am Tatort, die Aufnahmen vom Fundort der Leiche sind unbrauchbar, Beweise verschwinden, Zeugenaussagen werden nicht verwertet – und zunächst einmal werden die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Lübeck verschleppt. Erst als Wille die Ermittlungen übernimmt, kommt Bewegung in die leider bis heute noch nicht gelungene Aufklärung des Falls.

Den Film fand ich richtig schlecht. Andere haben nach 10 Minuten aufgegeben, ich habe mehr als eine Stunde durchgehalten und dann aufgegeben. Die Affären des Journalisten nahmen mehr Raum ein als der -viel zu kurz gekommene- politische Skandal.

Die Selbstmordthese fand und finde ich auch fragwürdig. Strafrechtlich finde ich das Thema erledigt (zumal ich ohnehin immer dafür war, die -allein wegen der damals drohenden Verjährung für Altnazis aufgehobene- Verjährung beizubehalten). Historisch/politisch bleibt es aber interessant,, allerdings nicht ohne neue Erkenntnisse, die es offenkundig nicht gibt.

 

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Welche Veränderungen am Tatort hatte der Journalist, der als Erster am Tatort war, möglicherweise vorgenommen oder fahrlässig verursacht? Gibt es auch dazu Erkenntnisse?

Jedenfalls war sein Verhalten nicht vorbildlich, denn ein Tatort sollte auch von niemandem vor den Ermittlern betreten werden, um keine Spuren unbrauchbar zu machen oder zu verändern.

Wurde er deswegen belangt?

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Gast schrieb:

Für mich ist ein Selbstmord mit Tabletten in der Badewanne seltsam.

Laut Film soll das mit einer Vorgehensweise übereinstimmen, die eine Suizidhilfevereinigung damals in Umlauf gebracht hatte.

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Gast schrieb:

Gast schrieb:

 

 

https://leserservice.zeit.de/diesewoche/2016/09/web/ZEIT_2016_09_Inhalt.pdf

 

Der Pathologie-Professor, der Uwe Barschel untersucht hat, äußert sich in der ZEIT erstmals zu den Ergebnissen der Obduktion. Es sei eindeutig Suizid gewesen.

 

http://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-02/uwe-barschel-polit-affaer...

 

Vielleicht hätte er damit nicht 30 Jahre warten sollen.
Heute ist er 91 Jahre alt.

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Once upon a time there was this peculiar joke ...

 Q: Why was President Kennedy killed? 

 A: Because Lyndon B. Johnson wanted to become president.

 

 Es gibt bei Amazon noch einige gebrauchte Exemplare von Mergens 

"Tod in Genf" , erschienen seinerzeit im Kriminalistik Verlag. Durchaus spannend zu lesen, spannend war / ist auch, zu verfolgen, wie fast nirgendwo Details aus diesem Buch veröffentlicht wurden.

arnerathjenra schrieb:

 Es gibt bei Amazon noch einige gebrauchte Exemplare von Mergens 

"Tod in Genf" , erschienen seinerzeit im Kriminalistik Verlag. Durchaus spannend zu lesen, spannend war / ist auch, zu verfolgen, wie fast nirgendwo Details aus diesem Buch veröffentlicht wurden.

Ich beiße mal an: Welche Details sind das?

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#17: Details?

 

 Selbst für Mitarbeiter eines großen Chemiekonzerns oder Geheimdienstes wäre es sehr schwer gewesen, den seinerzeit aufgefundenen Medikamenten - und Chemikaliencocktail zu beschaffen. Es ist auch nie klar geworden, wer dies tatsächlich zu verantworten hatte.

K.O.-Tropfen, nur im Ostblock erhältliche Barbiturate, klinische Applikationen wie etwa Mittel zur Unterdrückung des Brechreizes u. a. , und noch einiges aus dem Arsenal toxikologischer Kriegführung. 

Dazu passend etwa Verletzungen an der Speiseröhre. 

Die Dunkelziffer bei Mordfällen ist ziemlich hoch, was man als  Hobbykriminalist ( wie ich ) in BKA - Publikationen nachlesen kann.

 

 

 Aber das lasse ich jetzt einfach weg.

Genau. Und der Profikriminalist, Pathologe und Rechtsmediziner war zu blöd, das alles zu merken. Könnte sein. Könnte auch sein, dass finstere Mächte (BND; Mossad, Stasi?) ihn zu seiner steilen Suizid-These gebracht haben. Ist aber unwahrscheinlicher als dass ein Hobbykriminalist ohne jegliche medizinische und toxikologische Kenntnisse oder aber der Autor von Tod in Genf,  Baentsch ("studierte Wirtschaftswissenschaften und Germanistik an der Universität Hamburg ...als Diplom-Handelslehrer  begann er 1966 seine Karriere als Journalist beim Spiegel") die wahre Geschichte aufgedeckt hat.

4

 

 

# 19: Mergen war durchaus kein Amateur. Bisher hat noch niemand die wahre Geschichte wirklich aufgedeckt. Lediglich der große Philosoph Gerd Postel hat kürzlich ausgeführt, Barschel sei völlig unschuldig gewesen, und habe die ihm angedichteten dirty tricks nicht selbst begangen. Beziehungsweise in Auftrag gegeben. Ich selbst war seinerzeit und auch später irritiert angesichts des Desinformationschaos, das angezettelt worden ist. Angesichts des Zeitablaufs ist nicht wirklich zu erwarten, dass die Sache aufgeklärt wird.

 

 

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