Drogenfahrt: Nicht nur Führerschein ist weg? Der Job auch?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 04.01.2016

Hier "wildere" ich mit Erlaubnis der arbeitsrechtlichen Blogkollegen ein wenig in deren Bereich. Im Rahmen von Recherchen zu § 24a StVG bin ich an dieser schon ein paar Monate alten arbeitsrechtlichen Entscheidung vorbeigekommen, die eine Art Fernwirkung der OWi nach § 24a Abs. 2 StVG aufzeigt. Nicht nur, dass neben dem Regelfahrverbot regelmäßig auch die Eignung des Fahrzeugführers im Verwaltungsverfahren überprüft wird. Vielmehr kommt es u.U. sogar schon allein aufgrund der Drogenfahrt zu einem Arbeitsplatzverlust. Im Falle des LAG Nürnberg ist der betroffene Arbeitnehmer haarscharf dran vorbeigekommen:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
Der Beklagte betreibt ein Transportgewerbe. Er beschäftigt nicht mehr als 10 Arbeitnehmer.
Der Kläger war beim Beklagten seit 05.11.2013 als Lkw - Fahrer beschäftigt.
Der Kläger wurde am Nachmittag des 14.10.2014, als er mit seinem privaten PKW unterwegs war, von der Polizei im Rahmen einer Schleierfahndung kontrolliert. Die Polizei nahm einen Drogenwischtest vor, der sich als positiv erwies. Die daraufhin erfolgte Blutuntersuchung ergab, dass der Kläger Amphetamin und Methamphetamin (Crystal Meth) konsumiert hatte. Ein eingeleitetes Strafverfahren wurde gemäß § 170 StPO wegen der geringen festgestellten Menge eingestellt, die Tat als Ordnungswidrigkeit weiterverfolgt.
Der Kläger nahm am 15.10.2014 um 4:00 Uhr seine Arbeit als Lkw - Fahrer auf.
Am 27.10.2014 fand zwischen den Parteien ein Gespräch statt.
Mit Schreiben vom 28.10.2014 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung.
Der Kläger erhob gegen die Kündigung am 06.11.2014 die vorliegende Klage zum Arbeitsgericht Weiden.
Mit Urteil vom 04.02.2015 stellte das Arbeitsgericht Weiden fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 28.10.2014 nicht fristlos beendet worden sei, sondern bis 30.11.2014 fortbestanden habe.
Das Urteil wurde dem Beklagten am 03.03.2015 zugestellt.
Der Beklagte legte gegen das Urteil am 02.04.2015 Berufung ein und begründete sie am 30.04.2015.
Der Beklagte trägt vor, der Kläger habe ihn am 14.10.2014 um 21:30 Uhr angerufen und erklärt, er finde seinen Führerschein nicht und dürfe lt. Polizei nicht fahren. Er, der Beklagte, habe dieser Argumentation nicht folgen können. Daraufhin habe der Kläger erzählt, er sei von der Polizei angehalten worden und dürfe nicht mehr fahren, weil er seinen Führerschein verloren habe. Der Beklagte führt aus, in dem Gespräch am 27.10.2014 sei er auf das Telefonat am 14.10.2014 zurückgekommen. Der Kläger habe eingeräumt, dass er bei einem Drogenwischtest positiv getestet worden sei. Auf seine, des Beklagten Frage, ob bei dem Drogentest noch etwas herauskommen werde, habe der Kläger erklärt, das könne sein, er habe am Samstag (11.10.2014) Drogen konsumiert. Der Beklagte trägt vor, er habe dem Kläger erklärt, dass alle Fahrer sich jährlich beim Gesundheitsdienst der Berufsgenossenschaft einer Gesundheitsuntersuchung unterziehen müssten, bei der auch Blutuntersuchungen vorgenommen würden. Der Kläger habe im Hinblick darauf, dass er Drogen in sich hineingezogen habe, darum gebeten, nicht zu einer solchen Untersuchung gehen zu müssen. Er habe offensichtlich die Befürchtung gehabt, dass sein Drogenkonsum erneut aufkomme.
Der Beklagte führt aus, nach den Bekundungen der Polizei werde den positiv getesteten Fahrern auferlegt, innerhalb von 48 Stunden kein Kraftfahrzeug zu führen.
Der Beklagte macht geltend, es wäre unverantwortlich gewesen, den Kläger als Fahrer weiterzubeschäftigen. Der Kläger habe offensichtlich Probleme mit Drogen. Er habe vom 11.10.2014 bis zur polizeilichen Kontrolle am 14.10.2014 unter Drogeneinfluss gestanden. Einer Untersuchung durch den medizinischen Dienst der Berufsgenossenschaft habe er sich entziehen wollen. Hätte er ihn weiter als Kraftfahrer eingesetzt und wäre es zu einem Unfall gekommen, wäre nicht auszudenken, welche Folgen dies für dann Geschädigte gehabt hätte.
Der Beklagte macht geltend, er fahre ausschließlich für die Firma B…. Diese bestehe auf zuverlässigen Fahrern. Bei Unzuverlässigkeit des Spediteurs führe dies nicht nur zu Vertragsstrafen, sondern auch zur Aufkündigung des Vertrags.
Der Beklagte beantragt:
1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts Weiden i.d.OPf. vom 04.02.2015, Az. 4 Ca 699/14, wird in Ziffer 1, Satz 1, aufgehoben und die Klage auch insoweit abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Kläger beantragt:
1. Die Berufung der Beklagten und Berufungsklägerin wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
Der Kläger trägt vor, im Verlauf des Arbeitsverhältnisses habe es kein gleichartiges vorangegangenes Ereignis gegeben. Es hätten keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit oder eine Gefährdung Dritter vorgelegen. Der einmalige Drogenkonsum rechtfertige nicht eine fristlose Kündigung.
Wegen des weitergehenden Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 23.06.2015 ist die Strafakte der Staatsanwaltschaft Weiden - Az.: 24 Js 983/14 beigezogen worden.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, § 64 Absatz 2 c) ArbGG, sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Absatz 1 Satz 1 und 2 ArbGG.
2Die Berufung ist unbegründet.
Gegenstand der Berufung ist lediglich die Frage, ob das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 28.10.2014 mit sofortiger Wirkung beendet worden ist.
Dies ist, wie das Erstgericht zu Recht ausgeführt hat, nicht der Fall.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der das erkennende Gericht folgt, kann das Arbeitsverhältnis gemäß § 626 Absatz 1 BGB aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar war oder nicht. Als wichtiger Grund kann neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet sein, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Zu diesen Nebenpflichten zählt insbesondere die Pflicht der Arbeitsvertragsparteien zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des jeweils anderen Teils, § 241 Absatz 2 BGB. Danach hat der Arbeitnehmer seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann (vgl. Bundesarbeitsgericht - Urteil vom 18.12.2014 - 2 AZR 265/14; juris).
Gemessen an diesen Kriterien erweist sich die außerordentliche Kündigung des Beklagten als unwirksam.
Allerdings hat der Kläger gegen die ihm obliegenden Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten verstoßen. Der Kläger war als Lkw - Fahrer tätig. Es gehört zu den Pflichten eines Lkw - Fahrers, den ihm anvertrauten Lkw mitsamt der Ladung ausschließlich in einem Zustand uneingeschränkter Fahrtüchtigkeit zu führen. Gegen diese Pflicht hat der Kläger verstoßen. Er hat am jedenfalls am 13.10.2014, 14.10.2014 und 15.10.2014 den Lkw des Beklagten unter Drogeneinfluss gefahren. Nach dem nicht bestrittenen Vorbringen des Beklagten hatte der Kläger in der streitgegenständlichen Woche Frühschicht, d. h., er begann seine Fahrten um 4:00 Uhr. Der Kläger bestreitet weder, dass er ab Montagmorgen gefahren ist, noch, dass er am 11.10.2014 Drogen genommen hat. Dabei handelte es sich um Amphetamin und Methamphetamin (Crystal Meth). Dies ergibt sich aus der beigezogenen Strafakte.
Da der am 14.10.2014 um 15:00 Uhr durchgeführte Drogentest positiv war und der Kläger nicht vorträgt, er habe nach dem 11.10.2014 weitere Drogen eingenommen, müssen die am 14.10.2014 festgestellten Werte auf dem Drogenkonsum am 11.10.2014 beruhen. Dies bedeutet zwangsläufig, dass der Kläger bei den Fahrten am Montag bis Mittwoch unter Drogeneinfluss fuhr.
In diesem Verhalten liegt ein Vertragsverstoß, der grundsätzlich als wichtiger Grund im Sinne des § 626 Absatz 1 BGB gewertet werden kann.
Nach Abwägung aller Umstände des vorliegenden Falles kommt das erkennende Gericht zu dem Ergebnis, dass die außerordentliche Kündigung des Beklagten unverhältnismäßig war.
Es liegen keine Umstände vor, die den Schluss zulassen, der Kläger sei an den genannten Tagen gefahren, obwohl er fahruntüchtig gewesen sei. Insbesondere ist nicht bekannt, ob der Kläger wegen der eingenommenen Drogen nicht in der Lage war, den Lkw noch sicher zu führen. Erkennbare Beeinträchtigungen der Fahrtüchtigkeit hat der Beklagte nicht geltend gemacht.
Dass der Kläger jedenfalls am 15.10.2014 eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 24 a Absatz 2 StVG begangen hat, bedeutet nicht zwingend, dass der Kläger an diesem und an den zwei Tagen zuvor den Lkw wegen drogenbedingter Fahruntüchtigkeit nicht führen konnte, insbesondere eine konkrete Gefährdung vorlag.
Gemäß § 24 a Absatz 2 StVG handelt ordnungswidrig, wer unter der Wirkung bestimmter, namentlich aufgeführter berauschender Mittel im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Die Wirkung wird kraft gesetzlicher Regelung angenommen, wenn ein solches Mittel unabhängig von der Konzentration im Blut nachgewiesen wird. Geahndet wird bereits die abstrakte Gefährdung. Insoweit wird keine Aussage darüber getroffen, ob eine tatsächliche Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit vorgelegen hat, die zu einer Gefahr vor allem auch für das Fahrzeug des Beklagten und der Ladung führte.

Der Kläger hat zweifelsohne gegen § 24 a Absatz 2 StVG verstoßen. Dies allein stellt indes keinen Kündigungsgrund dar.

Das Recht des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, setzt voraus, dass eine nicht behebbare Störung des Arbeitsverhältnisses, insbesondere der Interessen des Arbeitgebers vorliegt. Dagegen ist der Arbeitgeber grundsätzlich nicht Sachwalter der Belange der Allgemeinheit.

Ein einmaliger Verstoß gegen die StVG ohne eine konkrete Gefahr für die Interessen des Arbeitgebers ist nach Auffassung des erkennenden Gerichts ohne das Vorliegen weiterer Umstände nicht als eine so schwerwiegende Vertragsverletzung anzusehen, dass es dem Arbeitgeber nicht zuzumuten ist, die Kündigungsfrist einzuhalten. Dabei kann vorliegend unentschieden bleiben, ob eine ordentliche Kündigung eine vorherige vergebliche Abmahnung voraussetzen würde. Im vorliegenden Fall wurde das Arbeitsverhältnis nach der Umdeutung des Erstgerichts der außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung zum 30.11.2014 beendet.

Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Annahme des Beklagten, es habe sich nicht nur um einen einmaligen Drogenkonsum gehandelt, sondern der Kläger nehme dauerhaft Drogen zu sich. Allerdings wäre dieser Umstand geeignet, die persönliche Eignung des Klägers für die Tätigkeit eines Lkw - Fahrers in Frage zu stellen. Ob dies eine außerordentliche Kündigung bedingen könnte, kann dahin stehen. Insoweit liegt keine gesicherte Tatsache vor. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus dem Gespräch, das der Beklagte und der Kläger am 27.10.2014 geführt haben.

Der Beklagte macht insoweit geltend, der Kläger habe sich einer Untersuchung durch den medizinischen Dienst der Berufsgenossenschaft entziehen wollen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger eine Untersuchung generell verweigerte, woraus unter Umständen der Schluss gezogen werden könnte, der Kläger konsumiere regelmäßig verbotene Drogen. Der Beklagte hat nicht vorgetragen, wann eine Untersuchung hätte stattfinden sollen, insbesondere ob es um die generellen Untersuchungen ging. Vielmehr ergibt sich aus dem Kündigungsschreiben, dass es um eine aktuelle Untersuchung ging. Danach wurde dem Kläger in dem Gespräch mit einer Untersuchung gedroht. Im Kündigungsschreiben heißt es: „Die Einnahme von Drogen gaben Sie nach mehrmaligen Nachfragen und Androhung auf eine Untersuchung über den ASD der BG - Verkehr zu.“

Mangels des Nachweises einer konkreten Beeinträchtigung durch den Drogenkonsum des Klägers am 11.10.2014 ist die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses demgemäß nicht gerechtfertigt.

 LAG Nürnberg, Urteil vom 06.07.2015 - 7 Sa 124/15 BeckRS 2015, 71969

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