Wichtig: OWi-Verhandlung ist wichtiger als Neujahrsempfang!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 01.01.2016
Rechtsgebiete: NeujahrStrafrechtVerkehrsrecht|1937 Aufrufe

Na, so ganz stimmt die Überschrift nicht. Das Ergebnis war aber so. Der Betroffene war nicht zum HVT in einer OWi-Sache erschienen. Er "musste" zu einem beruflich wohl wichtigen Neujahrsempfang. Das AG verwarf den Einspruch. Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde blieb erfolglos - das OLG hat aber klargestellt, dass zwischen Erscheinenspflicht und beruflichen Verpflichtungen abzuwägen ist, auch wenn die OWi-Verhandlung grds. vorgeht:

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird aus den zutreffenden Gründen der dem Betroffenen bzw. seiner Verteidigerin mitgeteilten Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft Hamm vom 06.10.2015 als unbegründet verworfen, da es nicht geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des materiellen Rechts zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1, 4 Satz 3 OWiG).Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene (§ 473 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG).

Zusatz:

Mit einer Verfahrensrüge allein wegen der Verletzung des § 74 Abs. 2 OWiG kann der Betroffene im vorliegenden Zulassungsverfahren nicht durchdringen, da eine Zulassung zur Fortbildung des Verfahrensrecht vom Gesetz nicht vorgesehen ist (vgl. Göhler-Seitz, OWiG, 15. Aufl., § 80 Rdn. 16 f f.). Allerdings kann ein Zulassungsgrund unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gegeben sein, wenn das Gericht den Rechtsbegriff der genügenden Entschuldigung in § 74 Abs. 2 OWiG verkannt und daraufhin den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid nach § 74 Abs. 2 OWiG ohne Verhandlung zur Sache durch Urteil verworfen hätte (OLG Hamm, Beschl. v. 15.12.2011 – III-5 RBs 185/11- juris).

Die öffentlich-rechtliche Verpflichtung, zu einem bestimmten Zeitpunkt vor Gericht zu erscheinen, geht der Wahrnehmung privater Angelegenheiten, zu denen auch die Berufsausübung gehört, grundsätzlich vor. Anders ist die Situation nur dann, wenn berufliche Belange unaufschiebbar und von so großem Gewicht sind, dass deren Zurückstellung für den Betroffenen mit gravierenden, insbesondere wirtschaftlichen Nachteilen verbunden wäre, so dass dem Betroffenen das Erscheinen zum Termin billigerweise nicht zugemutet werden kann (OLG Hamm, Beschluss vom 15.12.2011 – III-5 RBs 185/11 juris m.w.N.; OLG Brandenburg NStZ 2014, 672). Derartige Umstände hat der Betroffene jedoch nicht dargelegt. In den Fällen, in denen sich der Betroffene darauf beruft, aus zwingenden beruflichen Gründen der Hauptverhandlung ferngeblieben zu sein, kann das Gericht die genügende Entschuldigung nur prüfen, wenn die dafür maßgebenden Tatsachen vorgetragen werden. Dabei trifft den Betroffenen hinsichtlich des Entschuldigungsgrundes zwar grundsätzlich keine Pflicht zur Glaubhaftmachung oder gar zu einem lückenlosen Nachweis. Erforderlich ist jedoch, dass der Betroffene vor der Hauptverhandlung schlüssig einen Sachverhalt vorträgt oder vortragen lässt, der geeignet ist, sein Ausbleiben genügend zu entschuldigen, dem Gericht somit hinreichende Anhaltspunkte für eine genügende Entschuldigung zur Kenntnis gebracht sind (OLG Bamberg, Beschl. v. 14.01.2009 – 2 SsOWi 1538/08 –juris; vgl. auch BayObLG NStZ 2003, 98). Der Betroffene hat nichts dazu vorgebracht, welche wirtschaftlichen Nachteile ihm im Falle seines nicht rechtzeitigen Erscheinens im Vorfeld des Neujahrsempfangs gedroht hätten. Insbesondere ist nicht schlüssig dargelegt, dass der Auftrag ohne seine Mitwirkung nicht hätte ausgeführt werden können, was bereits die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ausgeführt hat.

Oberlandesgericht Hamm, Beschl. v. 4.11.2015 - 1 RBs 162/15

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