Qualifizierter Rotlichtverstoß: Einfache Polizeibeobachtung reicht!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 26.12.2015

Für die Feststellung eines qualifizierten 1-Sekunden-Rotlichtverstoßes bedarf es auch der Feststellung, warum eigentlich die Dauer von mehr als 1 Sekunde zuverlässig gemessen wurde. Bei einfacher Beobachtung durch Polizisten kommt es daher auch imemr wieder zu Rechtsbeschwerden. Das OLG Bamberg hat jetzt dem Tatrichter recht weite Freiheiten eingeräumt - offenbar hatte sogar die GStA die Rechtsbeschwerde des Betroffenen unterstützt. Jedenfalls klingt das so an. Leider ist der genaue Sachverhalt nicht weiter im veröffentlichten Teil der Entscheidung vorhanden:

Das AG hat den Betr. wegen eines am 23.10.2014 gegen 04.13 Uhr fahrlässig begangenen sog. ‚qualifizierten‘ Rotlichtverstoßes gemäß § 24 I StVG i. V. m. §§ 37 II Nr. 1 Satz 7; 49 III Nr. 2 StVO zu einer Geldbuße von 200 Euro verurteilt und gegen ihn ein 1-monatiges Fahrverbot verhängt. Die mit der Verletzung materiellen Rechts begründete Rechtsbeschwerde des Betr. blieb im Wesentlichen ohne Erfolg.

Aus den Gründen:

Die gemäß § 79 I 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerde hat - von der unterbliebenen Anwendung des § 25 IIa 1 StVG abgesehen - keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betr. ergeben.

1. Der Schuldspruch, der von den tatsächlichen Feststellungen getragen wird, und die Beweiswürdigung sind nicht zu beanstanden. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Die Prüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht ist darauf beschränkt, ob ihm Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist hier nicht der Fall. Insbesondere ist die Beweiswürdigung zur Feststellung des qualifizierten Rotlichtverstoßes nicht lückenhaft. Zwar trifft es - wie die GenStA in ihrer Antragsschrift darlegt - zu, dass bei der Prüfung der Dauer der Rotlichtphase zur Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes im Wege der Schätzung besondere Anforderungen an die Beweiswürdigung zu stellen sind. Indessen stellt die von der GenStA erwähnte Zählmethode nicht die einzige Möglichkeit der Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes dar. Im vorliegenden Fall hat das AG insbesondere aus dem Umstand, dass nach der Aussage des zeugenschaftlich vernommenen Polizeibeamten die Ampel „praktisch unmittelbar nach dem Überfahren durch den Betr.“ (längstens 3 Sekunden danach) wieder auf Grün schaltete, mit eingehender Würdigung den nicht nur nahe liegenden, sondern sich geradezu aufdrängenden Schluss gezogen, dass der Betr. das Rotlicht passiert hatte, als die Rotlichtphase bereits längere Zeit als 1 Sekunde angedauert hatte.

2. Auch der Rechtsfolgenausspruch weist keinen Rechtsfehler auf. Die Höhe der verhängten Geldbuße und das angeordnete Fahrverbot entsprechen § 1 I BKatV i. V. m. Nr. 132.3 BKat. Ein Absehen vom verwirkten Regelfahrverbot hat das AG mit zutreffenden Erwägungen ausgeschlossen. Die im Urteilstenor unterbliebene Anwendung des § 25 II a 1 StVG kann der Senat selbst aussprechen. 

OLG Bamberg, Beschluss vom 29.10.2015 - 3 Ss OWi 1310/15

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2 Kommentare

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Es ist immer wieder erfreulich, wenn Entscheidungen gesunden Menschenverstand erkennen lassen. Die Aussage des zeugenschaftlich vernommenen Polizeibeamten, dass die Ampel „praktisch unmittelbar nach dem Überfahren durch den Betr.“ (längstens 3 Sekunden danach) wieder auf Grün schaltete, reicht natürlich zur Überzeugungsbildung aus.

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