Boltzplatz = Baulärm?

von Dr. Klaus Lützenkirchen, veröffentlicht am 17.12.2015

Bisher war anerkannt, dass Baulärm aus der Nachbarschaft die Sollbeschaffenheit der Mietsache ungünstig tangiert und dem Mieter daher nach § 536 BGB mindern darf. Die Bolzplatz-Entscheidung (BGH v. 29.4.2015 – VIII ZR 197/14, NZM 2015, 481) gibt nun Anlass zur Diskussion.

Ausgangspunkt der Überlegungen des BGH ist die Frage, was zur Sollbeschaffenheit gehört. Ist eine Vereinbarung dazu nicht getroffen, muss im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die Sollbeschaffenheit ermittelt werden. Der Vertrag muss also zu Ende gedacht werden, wie ihn redliche Parteien geschlossen hätten. Der BGH stellt die These auf, dass der Vermieter das Risiko von für den Mieter ungünstigen Veränderungen im Umfeld der Mietsache nicht übernommen hätte, wenn er sich seinerseits gegen diese Änderung nicht hätte wehren können. Um dies im Einzelfall zu klären, zieht er § 906 BGB heran, wonach der Eigentümer die Zuführung unwägbarer Stoffe aus der Nachbarschaft (z.B. Lärm und Staub) dulden muss, wenn sie ortsüblich sind.

Dies soll dazu führen, dass der Mieter nicht mehr wegen Baulärms mindern kann (Selk, NZM 2015, 855).

Dies ist zweifelhaft. Abgesehen davon, dass Baulärm nur vorübergehend stattfindet, während die Einrichtung eines Bolzplatzes dauerhaft ist, sieht § 906 Abs. 2 BGB gerade vor, dass der Vermieter Entschädigung verlangen kann, wenn ihm die Duldung der ortsüblichen Beeinträchtigung ansonsten unzumutbar ist. Als Schwelle zur Unzumutbarkeit dient der Rechtsprechung insoweit die Rendite von 5-6 %, die eine Immobilie in der Regel abwirft. Mindert der Mieter also höher (z.B. 20 %), könnte eine Entschädigung von ca. 15 % verlangt werden (LG Hamburg v. 3.12.1998 – 327 S 97/98, NZM 1999, 169).

Aus diesem Grunde erscheint es nicht gerechtfertigt, die Bolzplatz-Entscheidung auf Baulärm aus der Nachbarschaft zu übertragen.

Beruht die Einrichtung der Lärmquelle zudem auf einem Planfeststellungsverfahren (z.B. Flughafen: BGH v. 10.12.2004 – V ZR 72/04, NZM 2005, 226, oder Autobahn: BGH v. 21.1.1999 – III ZR 168/97, NJW 1999, 1247), so dass der Eigentümer die Möglichkeit hat, in dem Verfahren seine berechtigten Interessen einzubringen (z.B. zusätzliche Schallschutzmaßnahmen), erfasst der damit verbundene Ausschluss des öffentlich-rechtlichen Aufopferungsanspruchs auch den Anspruch aus § 906 Abs. 2 BGB. Hat der Vermieter sich an dem Verfahren nicht beteiligt, müsste für die Beurteilung eines Mangels i.S.v. § 536 BGB also darauf abgestellt werden, ob eine Anmeldung der Minderungsansprüche in diesem Verfahren erfolgreich gewesen wäre. Denn im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung wird der Mieter den Vermieter - wie bei Baulärm - nicht von vornherein freistellen. Vielmehr wird er das verlangen, was der Vermieter erreichen kann oder konnte.

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