"Toiletten-Trinkgeld", nächste Runde: Rechtsverfolgungskosten des Betriebsrats

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 16.12.2015

Bereits mehrfach haben Markus Stoffels und ich hier im Blog (25.1.2014 und 28.4.2014) über Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit dem Trinkgeld berichtet, das Toilettenbesucher eines großen Oberhausener Einkaufszentrums freiwillig entrichteten. Gelernt habe zumindest ich dabei, dass es in dieser Branche den Beruf der "Sitzerin" gibt, die gar nicht die Toiletten reinigt, sondern nur den Trinkgeld-Teller bewacht und dafür sorgt, dass dieser immer nur ein paar Münzen aufweist.

Neben den individualrechtlichen Streitigkeiten um die Verteilung des Trinkgeldes zwischen der Arbeitgeberin einerseits und den Reinigungskräften und Sitzerinnen andererseits hatte sich zwischenzeitlich auch der Betriebsrat eingeschaltet und mehrere Beschlussverfahren bei dem (für den Sitz des Reinigungsunternehmens zuständigen) ArbG Gelsenkirchen anhängig gemacht. Die Arbeitgeberin weigerte sich, die Kosten des vom Betriebsrat beauftragten Rechtsanwalts zu übernehmen, weil diese nicht erforderlich gewesen und daher von ihr nicht nach § 40 Abs. 1 BetrVG zu tragen seien. Diesen Standpunkt hat das LAG Hamm in einem jetzt veröffentlichen Beschluss geteilt:

Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt 18.03.2015 – 7 ABR 4/13, NZA 2015, 954; 18.07.2012 – 7 ABR 23/11; 18.01.2012 – 7 ABR 83/10; 29.07.2009 – 7ABR 95/07) können auch die Honorarkosten für einen Rechtsanwalt im Rahmen des § 40 Abs. 1 BetrVG erstattungsfähig sein, wenn der Betriebsrat die Heranziehung in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren in Wahrnehmung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechte für erforderlich halten durfte. Dabei ist der Betriebsrat allerdings gehalten, die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts einerseits und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers andererseits gegeneinander abzuwägen. Er darf bei der Wahl seiner Rechtsverfolgung das Interesse des Arbeitgebers an der Begrenzung der Kostentragungspflicht nicht außer Acht lassen. Er hat wie jeder, der auf Kosten eines anderen handeln kann, die Maßstäbe einzuhalten, die er anwenden würde, wenn er selbst bzw. seine beschließenden Mitglieder verpflichtet wären. Die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers entfällt namentlich bei einer offensichtlich aussichtslosen Rechtsverfolgung des Betriebsrates. Davon ist auszugehen, wenn die Rechtslage unzweifelhaft ist und das eingeleitete Beschlussverfahren zu einem Unterliegen des Betriebsrates führen muss.

Nach diesen Maßstäben scheidet hier eine Kostentragungspflicht der Arbeitgeberin aus.

Insoweit folgt die Beschwerdekammer den zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung unter II. 2. c der Gründe und nimmt auf sie zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug.

Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

In ihrem Schriftsatz vom 13.11.2014, S. 3, führen die Antragsteller selbst aus, dass seit Anfang 2014 der Aushang (wieder) angebracht gewesen sei, wonach der von den Gästen der Toilettenanlagen gewährte Obolus ausschließlich der Arbeitgeberin zufließt. Darauf wurde der Betriebsrat auch mit Schreiben der Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin vom 29.01.2014 unmissverständlich hingewiesen. Wenn daraufhin der Betriebsrat nur ein paar Tage später am 03.02.2014 trotzdem noch den Beschluss fasste, wegen vereinnahmter Trinkgelder letztlich ein Einigungsstellenbesetzungsverfahren einzuleiten, konnte dieses Rechtsschutzziel ersichtlich von Anfang an keinen Erfolg haben. Ein Trinkgeld zeichnet sich nämlich begrifflich dadurch aus, dass es sich um eine Zahlung an einen Arbeitnehmer handelt (§ 107 Abs. 3 Satz 2 GewO). Nach der erfolgten Klarstellung konnte davon ab Anfang 2014 – anders als möglicherweise im Zeitraum davor, zu dem sich die Individualrechtsstreitigkeiten verhalten haben – ersichtlich nicht mehr ausgegangen werden. Dementsprechend bestand insoweit für den Betriebsrat keinerlei Anknüpfungspunkt (mehr) für die Geltendmachung von Mitbestimmungsrechten.

LAG Hamm, Beschluss vom 7.8.2015 - 13 TaBV 18/15, BeckRS 2015, 72704

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5 Kommentare

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Das war ja auch eine Herkulesaufgabe für den Anwalt! Und jetzt so etwas. Prozessiert wurde wegen des Honorars übrigens aus abgetretenem Recht. Wer da wohl der Zessionar war?

Nach Rn. 11 der Entscheidung ging es um Anwaltshonorart von schlappen 4.292,32 € - in Worten: viertausendzweihundertzweiundneunzig Euro und zweiunddreißig Cent. Zuzüglich Zinsen. Das ist ein Betrag, so gering, dass er gemessen an den Peanuts von good old H. Kopper nur noch unter homöopathischen Gesichtspunkten wahrgenommen werden kann.

Um einmal eine Parallelwertung in der Prozessanwaltssphäre vorzunehmen.

Sagen wir, ich vertrete als Anwalt vor dem Arbeitsgericht eine Partei in einer Kündigungsschutzklage, sei es Arbeitgeber, sei es Arbeitnehmer. Nehmen wir weiter an, der gekündigte Arbeitnehmer hat ein gegenüber dem Einkommen einer sog. "Sitzerin" oder eines Klomanns oder einer Klofrau ganz leicht erhöhtes Bruttogehalt, beispielsweise 30.000,00 € im Monat. Der Streitwert beträgt dann bei einer Kündigungsschutzklage das Dreifache, also 90.000,00 €. Mein Anwaltshonorar beträgt sodann (Verfahrens u. Terminsgebühr) 4.242,35 €. Eine Erstattung durch die Gegenpartei findet nicht statt (§ 12 a ArbGG), d. h. mein Auftraggeber bezahlt mich selbst.

Dieses Beispiel zeigt, dass die übermenschliche Anstrengung eines Anwalts, den Betriebsrat in einem im konkreten Fall unnötigen Einigungsstellenverfahren zu vertreten, überhaupt nicht richtig gewürdigt wird, denn hier nimmt man ja als Anwalt nur 50,00 € mehr ein als bei einer einfachen Kündigungsschutzsache. Und jetzt noch so etwas: Die Kostenerstattung gegen den Arbeitgeber geht in zwei Instanzen nicht durch. Böse Welt!

 

 

 

 

Martin Bender schrieb:

Um einmal eine Parallelwertung in der Prozessanwaltssphäre vorzunehmen.

Sagen wir, ich vertrete als Anwalt vor dem Arbeitsgericht eine Partei in einer Kündigungsschutzklage, sei es Arbeitgeber, sei es Arbeitnehmer. Nehmen wir weiter an, der gekündigte Arbeitnehmer hat ein gegenüber dem Einkommen einer sog. "Sitzerin" oder eines Klomanns oder einer Klofrau ganz leicht erhöhtes Bruttogehalt, beispielsweise 30.000,00 € im Monat. Der Streitwert beträgt dann bei einer Kündigungsschutzklage das Dreifache, also 90.000,00 €. Mein Anwaltshonorar beträgt sodann (Verfahrens u. Terminsgebühr) 4.242,35 €. Eine Erstattung durch die Gegenpartei findet nicht statt (§ 12 a ArbGG), d. h. mein Auftraggeber bezahlt mich selbst.

 

Beträgt der Streitwert einer Kündigungsschutzklage nicht nur ein Quartals(brutto)gehalt? Bei 30.000 dann 7.500. 

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siehe u.U. auch: Taz  Streit ums Klimpergeld -  Geputzt oder rumgesessen?

Eine frühere Toilettenfrau bei Karstadt in Hamburg will vor Gericht erstreiten, dass sie den Mindestlohn bekommt – statt 3,40 Euro plus Prämien

HAMBURG taz | Für viele Menschen sind sie wichtige Anlaufstelle bei längeren Einkaufstouren: die Kundentoiletten großer Läden. Sie vorzuhalten, ist oft kein kostenloser Service der Warenhäuser, meistens steht da ein Teller – für Kleingeld der Erleichterten.

Rund 50 Cent werden verlangt oder doch wenigstens zur Zahlung empfohlen. Viele Kunden werden wohl denken, dieses Geld landet bei den Mitarbeitern, die das WC sauber halten. Irrtum – zeigt ein derzeit laufendes Arbeitsgerichtsverfahren in Hamburg.

Da klagt eine ehemalige Toilettenfrau, die von April bis September 2012 ein Kunden-WC bei Karstadt betreut hat, gegen ihren früheren Arbeitgeber, fordert rückwirkend mehr Lohn. Angestellt war sie nicht bei der Warenhaus-Kette selbst, sondern bei einem Subunternehmer, der für Karstadt mehrere Toiletten bewirtschaftet. Laut ihrem Anwalt Detlef Burian bekam die Klägerin 3,40 Euro pro Stunde – brutto. Oder anders gerechnet: 600 Euro brutto für einen Vollzeit-Job, mindestens acht Stunden pro Tag, fünf Tage die Woche.

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