Branchentreff Kartellrecht – Bericht von der Arbeitssitzung der Studienvereinigung

von Dr. Rolf Hempel, veröffentlicht am 04.12.2015

Wie jedes Jahr fand kurz vor Nikolaus (am 03.12.2015) die Arbeitssitzung der Studienvereinigung Kartellrecht in Bonn statt.

Wegen des großen Andrangs ist die Veranstaltung schon vor einigen Jahren vom schönen Petersberg in ein modernes, funktionelles Tagungshotel umgezogen. Funktionell waren auch die behandelten Themen:

Herr Mundt berichtete von der Tätigkeit des Bundeskartellamts im sich dem Ende neigenden Jahr. Er spannte einen weiten Bogen von der digitalen Ökonomie bis zu den internationalen Aktivitäten des Bundeskartellamts. In ersterer sieht das Bundeskartellamt seine Aufgabe drin, die Märkte angreifbar zu halten. Herr Mundt ging beispielhaft auf den Google-Fall der Europäischen Kommission ein. Er berichtete außerdem von diversen Plattform-Fällen, darunter recht humorvoll von dem Online-Dating-Plattform­zusammenschluss. Für die kommende Zeit kündigte er einen Bericht der Internetplattform-Gruppe (im Wesentlichen die Beschlusskammer 6) des Bundeskartellamts zu Internetthemen an. Dann berichtete er vom großen Vertikal-Fall. Das Bundeskartellamt habe sich auf klare Verstöße der vertikalen Preisbindung konzentriert. Zwar bleibe ein großer Graubereich, in den auch das „Nachfassen“ bei UVP gehöre. Die damalige Vorsitzenden-Handreichung sei inzwischen durch den weitgehenden Verfahrensabschluss obsolet. Das Bundeskartellamt werde sie durch einen Leitfaden zum Thema „Vertikale Preisbindung im Lebensmitteleinzelhandel“ ersetzen, in dem die Prioritäten für die Durchsetzung durch das Bundeskartellamt festgehalten würden. Herr Mundt ging noch kurz auf den unlängst entschiedenen Asics-Fall ein. Das Bundeskartellamt stützte seine Entscheidung nicht auf das Plattformverbot. Man wollte insoweit offenbar einer Meinungsverschiedenheit mit der Europäischen Kommission über die einschlägigen Passagen in den Leitlinien aus dem Weg gehen. Zu diesem Thema sollten die Zuhörer später noch mehr hören (siehe unten). In der Divergenz der Behördenauffassungen in Europa zu Bestpreisklauseln sah Herr Mundt kein Problem, sondern hob die im Übrigen große Einheitlichkeit der Auffassung der Behörden hervor. Eine volle Kohärenz sei weder zu erreichen noch anzustreben. Zum Thema Fusionskontrolle verwies Herr Mundt auf den EDEKA/Tengelmann-Fall. Über kurze Hinweise zur Missbrauchsaufsicht (verträgt sich gut mit dem Thema Verbraucherschutz, also her damit) und zur Kartellverfolgung (die Gesamtbußgeldhöhe von EUR 1 Mrd. werde in diesem Jahr nicht erreicht) kam er zu einem Ausblick auf die bevorstehende GWB-Novelle. In der Frage der Rechtsnachfolge bestehe jetzt weitgehend Einigkeit zwischen BMWi und BMJ. Die bevorstehende Änderung werde wohl „in Richtung EG Kartellrecht“ gehen. Die Schadensersatzrichtlinie solle möglichst schlank umgesetzt werden, um die behördliche Durchsetzung nicht zu gefährden. Weitere Gegenstände würden Regelungen für den Medien und Pressebereich sowie die Fusionskontrolle sein, in der evtl. das Transaktionsvolumen als neue zusätzliche Aufgreifschwelle eingeführt würde. Wie immer charmante und rhetorisch brillante Competition (authority) advocacy.

Es folgte ein Vortrag von Frau zur Nieden über die Entscheidung des LAG Düsseldorf zur (Nicht)-Haftung des Geschäftsführers für das der Gesellschaft auferlegte Bußgeld. Die Referentin nahm die Entscheidung nach allen Regeln der Kunst auseinander. Die Entscheidung ist wohl wesentlich mit dem arbeitsrechtlichen Gedanken des Schutzes des Arbeitnehmers vor existenzvernichtender Überforderung zu erklären. So etwas verstehen wir als Kartellrechtler nicht. Zu ergänzen bleibt in dieser Hinsicht der Hinweis auf die aktuelle Mitteilung über die Entscheidung des LAG Düsseldorf (vom 27.11.2015, 14 Sa 800/15), in der auch die Inanspruchnahme des Geschäftsführers für von der Gesellschaft geleisteten Kartellschadensersatz abgelehnt wurde.

Herr Gänswein hatte sich sehr aktuelle und praxisrelevante Fragen zur Gesamtschuldnerischen Haftung für Kartellrechtsverstöße vorgenommen und berichtete zu den Haftungsquoten und zur Verjährung der Ausgleichsansprüche. Das Thema treibt den ein oder anderen Kollegen um, wie die Diskussion zeigte. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber dafür sorgen wird, dass der Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB nicht frühzeitig verjährt.

Zum Abschluss sprach Frau Spenner über die (noch nicht veröffentlichte) Asics-Entscheidung des Bundeskartellamts, mit der das Bundeskartellamt dem Sportschuhhersteller untersagte, seine Händlern im selektiven Vertriebssystem an der Nutzung von Preisvergleichsmaschinen und Marke für AdWords-Werbung bei Google zu hindern. Frau Krüger, ehemals B2 und jetzt Grundsatzabteilung hielt ein spontanes Koreferat. Mit Blick auf die Vorweihnachtszeit (?) verlief die Diskussion ohne Schärfe und sachlich.

Alles in einem wieder eine sehr interessante Veranstaltung.

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