LG Freiburg: Wer gegen ein Strafurteil nur "Rechtsmittel einlegt" meint damit nicht die sofortige Beschwerde!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 02.12.2015

Was meint eigentlich ein Rechtsmittelführer, wenn er gegen ein verurteilendes Strafurteil Rechtsmittel einlegt. Man könnte meinen: Erstmal jedes statthafte, zumal auch das Gericht im Protokoll ja regelmäßig nur vermerkt, es sei eine Rechtsmittelbelehrung erfolgt. Gemeint ist damit natürlich jedes Rechtsmittel, also auch die so genannte Kostenbeschwerde. Das LG Freiburg war da aber nicht so großzügig:

Eine Abänderung der Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Urteils war der Berufungsstrafkammer bereits deshalb verwehrt, weil gegen die Kostenentscheidung keine sofortige Beschwerde nach § 464 Abs. 3 S. 1 StPO eingelegt wurde. Es kann daher dahinstehen, ob die Kammer, wäre sie mit der Frage befasst worden, die Kostenentscheidung geändert hätte.

1. Der Verteidiger hat am 25.03.2015 „gegen das Urteil des AG Freiburg vom 18.03.2015 Rechtsmittel“ eingelegt. Dieses Rechtsmittel ist als Berufung auszulegen.

a. Es liegt fern anzunehmen, dass der Verteidiger mit dem „Rechtsmittel“ eine sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung meinte. Zum einen hat er dies nämlich nicht kenntlich gemacht, zum anderen hat er auch nach Vorlage der Akten an die Berufungsstrafkammer und einer schriftlichen Anfrage derselben im Juni 2015 nach dem Berufungsziel nicht vorgetragen, keine Berufung bzw. Revision, sondern eine sofortige Beschwerde vorgelegt zu haben. Es ist gerichts- und anwaltsbekannt, dass die vom Verteidiger verwendete Formulierung üblich ist, um den Schuld- oder Strafausspruch des Urteils, nicht aber um seine Kostenentscheidung anzufechten.

b. Innerhalb der gesetzlichen Frist ging keine Revisionsbegründung ein. Daher ist das Rechtsmittel als Berufung zu behandeln.

c. Das „Rechtsmittel“ kann auch nicht gem. § 300 StPO dahin ausgelegt werden, dass mit ihm nicht nur die Berufung, sondern auch die sofortige Beschwerde nach § 464 Abs. 3 S. 1 StPO eingelegt werden sollte. Ein unbestimmtes Rechtsmittel schließt die sofortige Beschwerde nicht ein, Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 2015, § 464 Rn. 21 m. w. N.; vgl. OLG Stuttgart, Justiz 2003, 451. Es kann auch nicht als solche ausgelegt werden, Die erweiternde Auslegung eines unbestimmt eingelegten Rechtsmittels dahin, dass es auch eine sofortige Beschwerde beinhalte, ist im Interesse der Rechtsklarheit auch deshalb unzulässig, weil andernfalls die gesetzlichen Notfristen für die Einlegung der verschiedenen Rechtsbehelfe unterlaufen werden könnten (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 2015, § 300, Rn. 3 a. E.; Jesse in: Löwe-Rosenberg, StPO, 2014, § 300, Rn. 8).

2. Die fristgerechte Einlegung einer sofortigen Beschwerde wäre - entgegen der Auffassung des Verteidigers - Voraussetzung dafür gewesen, die Kostenentscheidung des Amtsgerichts einer Überprüfung zuzuführen.
Die Kostenentscheidung des Amtsgericht muss grundsätzlich gesondert mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden, § 464 Abs. 3 S. 1 StPO. Eine Ausnahme hiervon gilt nach der zutreffenden neueren Rspr. und h. M. (vgl. Hilger in Löwe-Rosenberg, StPO, 2010, § 464, Rn. 42 f., m. w. N.) nur, wenn die Hauptsacheentscheidung so geändert wird, dass sie der erstinstanzlichen Kostenentscheidung widerspricht (Grundsatz der unlösbaren Verknüpfung der Sach- mit der Kostenentscheidung). Dies ist hier nicht der Fall und war auch von vornherein mit dem Rechtsmittel nicht angestrebt. Der Angeklagte hatte die vom Amtsgericht abgeurteilte Ordnungswidrigkeit nämlich gestanden. Es ging ihm mit dem Rechtsmittel darum, dass das Fahrverbot - der Rechtslage entsprechend - mit der Vollstreckungsflexibilität des § 25 Abs. 2 a StVG ausgestattet sein sollte.
Dem Angeklagten war auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Einlegung der sofortigen Beschwerde zu bewilligen. Zum einen hat er dies nicht beantragt und auch die sofortige Beschwerde nicht nachgeholt. Zum anderen wäre eine Wiedereinsetzung, auch von Amts wegen, schon deshalb ausgeschieden, weil der Verteidiger die Einlegung der sofortigen Beschwerde versäumt hat. Im Bereich des Kostenrechts wird dem Angeklagten das Verschulden seines Anwalts ebenso zugerechnet wie im Zivilprozess, vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 2015, § 464/21 m. w. N.; BGHSt 26, 126; OLG Düsseldorf, OLGSt StPO § 464 Nr. 5.

LG Freiburg, Urteil vom 27.10.2015 - 10 Ns 550 Js 28148/14 - AK 23/15

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2 Kommentare

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Es ging ihm mit dem Rechtsmittel darum, dass das Fahrverbot - der Rechtslage entsprechend - mit der Vollstreckungsflexibilität des § 25 Abs. 2 a StVG ausgestattet sein sollte.

Was hat denn das mit der "Kostenentscheidung" zu tun?

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Das solllte zwar bekannt sein und ist deshalb ein Verteidigerfehler. Die Argumentation überzeugt aus meiner Sicht dennoch nicht. Die Kostenentscheidung ist untrennbar mit dem Rest des Urteils verknüpft. Wird das Urteil insgesamt angefochten, ist selbstverständlich auch die Kostenentscheidung gemeint. Zwei Rechtsmittel gegen eine einheitliche Entscheidung scheinen mir rechtlicher Blödsinn.

 

Es ist zwar nur ein geringer Mehraufwand zu formulieren: "Lege ich gegen das ... Urteil Rechtsmittel und gegen die darin verkündete Kostenentscheidung sofortige Beschwerde ein", aber wer weiß, ob eine solche Formulierung nicht wieder weitere Gefahren, auch kostenrechtlicher Art,  mit sich brächte. Hätte es denn wohl ausgereicht, innerhalb der Begründung des unbestimmten Rechtsmittels darauf hinzuweisen, daß auch die Kostenentscheidung mit angefochten wird? Darauf deuten zumindest die Entscheidungsgründe des LG Freiburg hin.

 

Im Ergebnis wäre die Kostenentscheidung aufgrund des relativ geringen Erfolges des Rechtsmittels wahrscheinlich ohnehin nicht anders ausgefallen (vgl. den kürzlich hier besprochenen Beschluß des BGH, Beschluss vom 22.9.2015 - 4 StR 128/15.

 

 

 

 

 

 

 

 

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