Aufrechnungsverbot in der Gewerberaummiete

von Dr. Klaus Lützenkirchen, veröffentlicht am 28.10.2015

Der VII. Senat (BGH v. 7.4.2011 – VII ZR 209/07) hat für den Architektenvertrag eine Formularklausel, die die Aufrechnung auf rechtskräftig festgestellte oder unstreitige Forderung beschränkt, als unwirksam angesehen. Begründung: es sind Konstellationen denkbar, in denen die Forderung des Bauherrn im laufenden Prozess entscheidungsreif werden, der Prozess jedoch noch weitergeführt werden muss (z.B. wegen der Zinsen auf die Forderung des Architekten). Wenn kein Vorbehalt für entscheidungsreife Forderungen in der Klausel enthalten ist, verstößt sie gegen § 307 Abs. 1 BGB.

In der Gewerberaummiete wird nach wie vor von der Wirksamkeit von Aufrechnungsverbotsklauseln ausgegangen (OLG Düsseldorf v. 25.7.2013 – 10 U 114/12; KG v. 26.10.2009 – 8 U 45/09; OLG Köln v. 9.7.2012 – 1 U 49/12; OLG Celle v. 22.3.2012 – 2 U 127/11; OLG Frankfurt v. 28.1.2011 – 2 U 135/10; LG Köln v. 7.3.2012 – 32 O 353/11).

Ich bleibe dabei: die Entscheidung des VII. Senats des BGH ist auf das Mietrecht übertragbar, was für die Wohnraummiete bereits durch das OLG Celle (v. 29.12.1989 – 2 U 200/88) festgestellt wurde.

Unabhängig davon ist auch im Mietrecht die vom VII. Senat angeführte Konstellation denkbar, dass im laufenden Prozess Ansprüche des Mieters entscheidungsreif werden, der Prozess aber noch wegen weiterer Ansprüche des Vermieters fortgesetzt werden muss, insbesondere eine Beweisaufnahme stattfindet. In diesem Fall trägt der Mieter für die Dauer des Prozesses das Insolvenzrisiko. Dies gilt vor allem nach Beendigung des Mietvertrages, bei der bekanntlich ein vertragliches Aufrechnungsverbot fortgilt (OLG Düsseldorf v. 28.5.2009 – 10 U 2/09). In dieser Situation kann der Mieter, dessen Forderung rechtskräftig festgestellt oder entscheidungsreif ist, nicht mehr darauf hoffen, seine Forderung gegen Mietzahlungsansprüche des Vermieters im Wege der Aufrechnung  realisieren zu können.

Unabhängig davon übersieht die zitierte OLG-Rechtsprechung, dass mittlerweile auch im Individualprozess als Maßstab für die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB die kundefeindlichste Auslegung gilt (BGH v. 29.4.2008 - KZR 2/07 Rz. 19 m.w.N.; BGH v. 23.9.2009 - VIII ZR 344/08 Rz. 8), die das OLG Celle in einem Verbandsprozess bereits 1989 angewendet hat.

Im Übrigen ergibt sich die Unwirksamkeit bereits aus einer erheblichen Abweichung vom gesetzlichen Leitbild (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Denn das Aufrechnungsverbot nimmt dem Mieter die Möglichkeit, die Heilung einer fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges gemäß § 543 Abs. 2 S. 3 BGB herbeizuführen. Bei dieser durch das Gesetz eingeräumten Aufrechnung, handelt es sich für den Gewerberaummieter um die einzige Heilungsmöglichkeit gegenüber einer fristlosen Kündigung. An der Wahrnehmung dieser Möglichkeit ist er selbst bei entscheidungsreifen Forderungen gehindert.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen