Strafverteidigerpraxis: Anwesenheit einer Begleitperson bei Exploration durch Sachverständigen

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 19.10.2015


 Das OLG Hamm NJW 2015, 1461 (Beschluss vom 3.2.2015 - 14 UF 135/14) hat in einem Zivilverfahren entschieden, dass einem zu begutachtenden Beteiligten beim Explorationsgespräch die Anwesenheit einer Begleitperson ohne Äußerungsrecht zu gestatten ist.

 

Das Gericht stützt sich dabei auf die Erwägung, dass ein Betroffener nur dann die Möglichkeit habe, effektiven Rechtsschutz gegen mögliche Fehler des Sachverständigen bei der Exploration zu erlangen, wenn er diese mit Hilfe der Aussage eines Zeugen belegen kann. Die Besorgnis, durch die Anwesenheit einer Begleitperson könne die Exploration beeinflusst werden, habe hinter diesem Gesichtspunkt zurückzutreten. Allerdings habe die Begleitperson nicht das Recht, sich durch Fragen oder sonstige Äußerungen an dem Untersuchungsgespräch zu beteiligen.

 

Die Erwägungen des OLG Hamm lassen sich auf Strafverfahren übertragen. Dort ist, soweit mir bekannt, diese  Rechtsfrage noch nicht entschieden. Auch im Strafverfahren haben der Beschuldigte wie auch Zeugen – zumal bei mutmaßlichen Gewaltopfern von Partnerschaftsgewalt oder sexuellen Missbrauchs, wenn Aussage gegen Aussage steht – ein berechtigtes Interesse, mögliche Fehler des Sachverständigen während eines Explorationsgesprächs beweisen zu können. Da die Gespräche bislang regelmäßig (noch) nicht aufgezeichnet werden, kann ein solcher Beweis dann nur durch einen Zeugen gelingen.

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5 Kommentare

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OLG Hamm, 24.10.2006 - 4 Ws 489, 490/06 (http://dejure.org/2006,22992): "Der Angeklagte hat keinen Anspruch auf Anwesenheit seines Verteidigers während der Exploration durch den Sachverständigen."

Zu einer psychiatrischen Untersuchung im Rahmen des Beamtenrechts OVG Rheinland-Pfalz, 11.06.2013 - 2 A 11071/12.OVG (http://dejure.org/2013,13578): "Im Hinblick auf die Stellung des Sachverständigen als eines Gehilfen des Gerichts, der zur Unparteilichkeit und Neutralität verpflichtet ist, besteht im Gegenteil kein Grund, der betroffenen Partei generell das Recht zuzubilligen, eine Vertrauensperson (etwa als Zeugen) zu einer Untersuchung durch einen medizinischen Sachverständigen hinzuziehen."

Zum arbeitsgerichtlichen Verfahren LAG Hamm, 02.11.2006 - 8 Sa 1332/05 (http://dejure.org/2006,11159): "Weist der vom Gericht beauftragte psychologische Sachverständige, welcher im Zuge eines Kündigungsschutzprozesses die Frage der Schuldfähigkeit des Arbeitnehmers zu beurteilen hat, eine zum Explorationsgespräch mitgebrachte Vertrauensperson zurück, so kann hierin jedenfalls dann kein relevanter Verfahrensmangel gesehen werden, wenn keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder ersichtlich sind, dass sich die fehlende Zulassung der Vertrauensperson auf das Gutachtenergebnis ausgewirkt haben könnte."

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Und nicht nur das OLG Hamm, sondern auch der 1. und der 3. Strafsenat des BGH haben ein Anwesenheitsrecht des Verteidigers verneint.  Die einzige Teilnahmeberechtigung von Gesetzes wegen dürfte in 67 Abs. 1 JGG zu finden sein.  Auch der Zeugenbeistand und der Nebenklagevertreter dürften kein Anwesenheitsrecht haben bei der Begutachtung ihrer Mandanten. Nachdem grds. weder Zeugen noch Beschuldigte sich einer psychologischen/psychiatrischen Begutachtung unterziehen müssen und somit keine  Mitwirkungspflicht haben wie im FamFG (dort wird diese für die Duldung einer Begutachtung durch Sachverständige mit 144 I 3  ZPO analog begründet)  ist dies mE auch zutreffend.

Dass im Ausgangsfall des OLG Hamm  eine Aufzeichnung vermutlich zuverlässiger wäre als ein  Vertrauenszeuge dürfte einleuchten. Gerade in sehr streitigen Umgangs- und Sorgerechtsverfahren wird die Objektivität und Neutralität dieser "Vertrauenszeugen"  eher gering sein und dann allenfalls Streit darüber entstehen, ob und wie sich diese Vertrauensperson vielleicht doch eingemischt hat oder nicht etc. Der Streit verlagert sich dann allenfalls auf eine andere Ebene oder es stehen beim Ablehnungsgesuch zwei Aussagen (Proband + Zeuge) gegen eine (Sachverständige), was mangels gesetzlicher Beweisregeln (zweier Zeugen Mund tut stets die volle Wahrheit kund) auch nicht unbedingt weiterhilft.

 

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gaestchen schrieb:

Nachdem grds. weder Zeugen noch Beschuldigte sich einer psychologischen/psychiatrischen Begutachtung unterziehen müssen

 

Das wird Gustl Mollath im Nachhinein freuen zu hören. :-)

 

gaestchen schrieb:

Gerade in sehr streitigen Umgangs- und Sorgerechtsverfahren wird die Objektivität und Neutralität dieser "Vertrauenszeugen"  eher gering sein

 

Daran habe ich auch gedacht. Wenn der Gesichtspunkt der Beweissicherung wirklich tragend sein soll für die Zulassung eines Beobachters, dann wäre es besser, von vornherein einen "neutralen" Zeugen vorzusehen (nach dem Vorbild von § 105 Abs. 2 StPO?). Aber vielleicht gibt es ja auch bessere Gesichtspunkte als gerade diesen.

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Manche Sachverständige, insbesondere die immer wieder bestellten "Haus- und Hofgutachter" mancher Gerichte, nehme ihre Rolle als Gehilfen des Gerichts etwas zu wörtlich, indem sie versuchen, den sich auf sein Schweigerecht berufenden Angeklagten Angaben zum Tatvorwurf zu entlocken oder einen Keil zwischen Verteidiger und Mandanten zu treiben (nach dem Motto: "Ihr Verteidiger macht nur Unsinn, ich weiß besser, was für sie gut ist...").

 

Insofern wäre ein Anwesenheitsrecht des Verteidigers oder anderer Vertrauenspersonen zwar wünschenswert, aber unpraktikabel. Zum einen stünde, selbst wenn der Sachverständige "Mist baut", Aussage gegen Aussage. Wem das Gericht in einem solchen Fall Glauben schenken würde, ist völlig klar: nicht dem Verteidiger, sondern "seinem" Gutachter. Zudem würden die zum Teil stundenlangen Gespräche, die der Sachverständige mit dem Angeklagten führt, dem Verteidiger nicht vergütet. Während der Sachverständige 85,- Euro pro Stunde erhält, müßte der (Pflicht-) Verteidiger kostenlos arbeiten (Fälle der bezahlten Wahlverteidigung gibt es in solchen Konstellationen praktisch nicht). Das kann sich kein Anwalt wirtschaftlich leisten; es sei denn, er hätte ausgesorgt und betriebe Strafverteidigung nur noch aus Liebe zum Rechtsstaat.

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Nach den bisherigen Darlegungen kann dann eigentlich jedem Probanden nur noch geraten werden, bei einer Exploration ohne die Anwesenheit einer eigenen Vertrauensperson, dem Gutachter nur den Namen, die Anschrift und die Nummer des Bundespersonalausweises mitzuteilen.

Auf alle Fragen dann aber konsequent und beharrlich zu schweigen, auch keine eigenen Erklärungen mündlich abzugeben, bis die vorgesehene Zeit für dieses "Gespräch" abgelaufen ist.

Wo ist das Problem dabei?

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