Bundeskanzlerin Merkel hat sich nicht strafbar gemacht

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 13.10.2015

Mein Kollege Prof. Dr. Holm Putzke von der Uni Passau vertritt die Ansicht, die Bundeskanzlerin habe sich strafbar gemacht, als sie sich Anfang September mit Österreich darauf geeinigt habe, unter Umgehung des eigentlich vorgesehenen Grenzregimes in Europa/Schengenstaaten, Flüchtlinge in Deutschland in großer Zahl aufzunehmen. (Link: Holm Putzke, Ist die Bundeskanzlerin eine Schleuserin?)

Wie nicht anders zu erwarten hat er Beifall (teilweise von zweifelhafter Seite) und auch  Kritik für seine Beurteilung geerntet.

Zwei Dinge vorangestellt:

1. Ich stimme Putzke zu, dass die Frage der Strafbarkeit nach §§ 95, 96 AufenthaltsG nur einhellig beantwortet werden kann: Nur wenn eine Person den Tatbestand der unerlaubten Einreise erfüllt, dann können  diejenigen strafbar sein, die dieser Person bei der illegalen Einreise Hilfe leisten. Dies ist wohl auch die eigentliche Stoßrichtung der Analyse von Putzke: Er will klarstellen, dass es nicht angeht, immer noch "Schleuser" zu bestrafen (selbst solche, die dies aus rein humanitären Gründen  tun), zugleich aber die Handlungen Merkels als strafrechtlich irrelevant anzusehen.

2. Ich stimme Putzkes Antwort, Frau Merkel habe sich wohl strafbar gemacht, nicht zu.  Putzke hat das Pferd von der falschen Seite her aufgezäumt und dabei die Akzessorietätslehre missachtet. Die Strafbarkeit nach § 96 AufenthaltsG steht entgegen seiner Annahme in entscheidenden Punkten ("Passpflicht") eben doch zur Disposition der Exekutive, die von der Bundeskanzlerin angeführt wird. Um die Straflosigkeit zu begründen ist m.E. auch keine Änderung des AufenthaltsG erforderlich, wie Putzke annimmt.

Die Erfüllung des § 96 AufenthaltsG  ist – wie ja auch Putzke betont – akzessorisch orientiert an der tatbestandlichen, vorsätzlichen und rechtswidrigen Erfüllung der „Haupttat“ des § 95 AufenthaltsG.

Dazu gehört die  unerlaubte Einreise eines Ausländers nach § 14 Abs.1 Nr.1 AufenthaltsG. Dies setzt wiederum voraus, dass der Ausländer einen nach § 3 AufenthaltsG „erforderlichen Pass“ nicht besitzt.

Putzke prüft nicht, ob eine unerlaubte Einreise vorliegt – es genügt ihm vielmehr, dass Polizei und Staatsanwaltschaften einen Anfangsverdacht  routinemäßig bejahen, ohne dass dabei die besondere Lage seit Anfang September überhaupt berückichtigt wird. Putzke verkennt dabei, dass das Aufenthaltsgesetz mit seiner Bestimmung der unerlaubten Einreise selbst wieder akzessorisch ist zu dem Pass- und Grenzregime, welches von der Exekutive gestaltet werden kann und wird.

Meines Erachtens spricht alles dafür, dass die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland infolge der von Merkel initiierten humanitären Handlungen gegenüber den in oder bei Ungarn bzw. auf dem Westbalkan feststeckenden Flüchtlingen schon objektiv tatbestandlich (ausnahmsweise) erlaubt war und ist. Aus dem Gesamtverhalten der Exekutive der Bundesrepublik ist erkennbar, dass in dieser gesonderten Situation auf Einreisedokumente verzichtet wurde, also § 3 AufenthaltsG („Passpflicht“) realiter ausgesetzt ist. Der objektive Tatbestand der unerlaubten Einreise hängt direkt an dieser Passpflicht. Diese ist etwa auch § 14 AufenthaltsVO ("Befreiung von der Passpflicht in Rettungsfällen") in Unglücks- und Katastrophenfällen ausgesetzt. Es handelt sich nach ganz verbreiteter Meinung derzeit in und um die Kriegsgebiete in Syrien, Irak und Afghanistan um Flüchtlingskatastrophen, die m. E. durchaus unter  § 14 AufenthaltsVO subsumierbar sind, und bis an die deutsche Außengrenze reichen. Ob bei einer jedenfalls faktischen Aussetzung der Passpflicht die interpretatorischen  Grenzen dieser Verordnung eingehalten wurden, kann einem Ausländer aber strafrechtlich ohnehin nicht vorgeworfen werden, wenn jedenfalls faktisch erkennbar beim Grenzübertritt seitens der deutschen Behörden auf  Pässe bzw. andere Reisedokumente verzichtet wurde.

Zudem müssten, selbst wenn man annimmt, die unerlaubte Einreise bleibe unabhängig vom konkreten Verhalten der Exekutive objektiv unerlaubt, die vielfach von der Bahn im Auftrag der Bundes- bzw. Landesregierungen über die Grenze transportierten und willkommen geheißenen Flüchtlinge auch noch  vorsätzlich und rechtswidrig unerlaubt eingereist sein. Nicht nur die objektiv tatbestandsmäßige, sondern auch die vorsätzliche Handlung ist Gegenstand der Akzessorietät.

Wer eingeladen ist, eine Wohnung zu betreten, der kann nicht wegen Hausfriedensbruch verfolgt werden. Wer vom deutschen Staat nicht nur eingeladen wird, sondern sogar von Personenbeförderungsunternehmen in dessen Auftrag über die Grenze transportiert wird, ohne dass ein Pass von ihm verlangt wird, der reist nicht unerlaubt ein, schon gar nicht tut er dies vorsätzlich. Strafanzeige und Strafverfolgung (auch wenn die Verfahren  in den allermeisten Fällen ohne weiteren Ermittlungen eingestellt werden) stellen ein venire contra factum proprium dar.

Putzke prüft schließlich nicht, ob einreisende Flüchtlinge (wenn denn vorsätzlich unerlaubt) auch „rechtswidrig“ unerlaubt eingereist sind. Putzke spricht zwar § 34 StGB (Notstand) an, jedoch wendet er die Notstandsnorm nur auf das Verhalten der Bundeskanzlerin, nicht aber auf das Verhalten der Flüchtlinge selbst an. Bei diesen ist aber eine Rechtfertigung einer unerlaubten Einreise unter den im September und Oktober 2015 bestehenden Voraussetzungen sogar recht naheliegend, denn ihnen stand nicht zu Gebote, mit Ungarn oder anderen Drittstaaten Verhandlungen aufzunehmen.

Ergebnis: Beim Grenzübertritt der Flüchtlinge in Folge der derzeitigen Politik der Bundeskanzlerin handelt es sich nicht um unerlaubte Einreise im Sinne des § 14 AufenthaltsG. Es handelt sich in den meisten Fällen wohl weder um eine objektiv tatbestandsmäßige, noch um eine vorsätzliche, noch um eine rechtswidrige Handlung nach § 95 AufenthaltsG. Infolge dessen ist auch die Hilfe zu dieser Einreise kein tatbestandliches Handeln im Sinne des § 96 AufenthaltsG. Weder die Bundeskanzlerin noch andere, die Flüchtlingen bei Einreise und Aufenthalt behilflich sind, haben sich strafbar gemacht.

Ergänzung (13.10.2015, abends):

Holm Putzke hat reagiert auf seiner Website, hier.

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489 Kommentare

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Zum Thema unerlaubte Einreise eines Asylbewerbers und § 18 Asyl(Vf)G:

Quote:

Zwar können grundsätzlich auch Asylbewerber den Tatbestand der unerlaubten Einreise (§ 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG) verwirklichen. Eine unerlaubte Einreise im Sinne dieser Bestimmung liegt jedoch dann nicht vor, wenn der Ausländer zwar nicht im Besitz der erforderlichen Einreisepapiere ist, aber entsprechend § 13 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG bereits an der Grenze um Asyl nachgesucht hat und ihm daraufhin von der Grenzbehörde gemäß § 18 Abs. 2 AsylVfG die Einreise gestattet wurde (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 55 AsylVfG RdNr. 17; Funke-Kaiser in: GK-AufenthG § 14 RdNr. 16 ff.). Denn die Gestattung der Einreise nach § 18 AsylVfG gilt als Sondertatbestand, durch den die allgemeinen Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes über die Anforderungen an eine erlaubte Einreise (§ 14 AufenthG) modifiziert werden (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 14 AufenthG RdNr. 30). Nach diesen Vorgaben kann vorliegend von einer unerlaubten Einreise des Klägers keine Rede sein.

http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=... Rn. 28

Man kann sich also weiter darum streiten, ob ein Nachsuchen an der Grenze durch Sitzen im Zug erfolgte (oder die Grenze nach § 13 AufenthG "verschoben" wurde). Wenn die Voraussetzungen des § 18 AsylVfG vorliegen, ist die Einreise aber nicht unerlaubt.

 

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MT schrieb:

Man kann sich also weiter darum streiten, ob ein Nachsuchen an der Grenze durch Sitzen im Zug erfolgte (oder die Grenze nach § 13 AufenthG "verschoben" wurde). Wenn die Voraussetzungen des § 18 AsylVfG vorliegen, ist die Einreise aber nicht unerlaubt.

Kann man eben nicht, resp. sollte man besser nicht.

Nur weil ein abgelehnter Asylantrag zur Eröffnung des Ausweiseverfahrens führt und ökonomischvon der Bestrafung nach § 95 abgesehen wird, entfällt die Strafbarkeit Merkels nicht.

Die ist dann dran!

Putzke mag zwar in professoraler Bescheidenheit sagen, wenig von einer Strafanzeige gegen die Bundeskanzlerin halten, weil er weiss ganz genau weiss, dass ich ihn in der Folge fressen werde.

Wir müssen die Kanzlerin also unter allen Umständen raushauen.

 

 

@ Max Mustermann

Die Strafbarkeit der Bundeskanzlerin entfällt schon grundsätzlich, wenn § 18 Asyl(Vf)G an der Grenze vorliegt. Was mit den Asylanträgen passiert, ist dann egal. Die einmal erlaubte Einreise wird nicht rückwirkend unerlaubt.

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@MT 

Sie meinen den humanitären Akt nach § 18 IV?

Dafür brauchen Sie aber den Namen des Antragsstellers. Und zwar vor Übertritt der Grenze.

Merkel lässt einen Zug von Budapest nach München fahren.

Ex tunc kriegen Sie sie aus der Nummer nicht raus.

@MT

P.S.

Das meinte ich mit Problemstelle.

Streng genommen, muss der Passierschein bei Grenzübertritt vorliegen.

Wenn wir die in München hinlegen und die tragen ihren Namen ein und wir sagen, die Blätter sind ex tunc wirksam, haben wir immer noch das Problem mit den Strolchen, die vorher aus dem Zug gesprungen sind...

 

@ Max Mustermann

Wenn Kenntnis des Namens ein TBM von § 18 Asyl(Vf)G sein sollte, müsste die natürlich auch gegeben sein, damit die Einreise erlaubt wäre.

Ich weiss nur nicht, wo das herkommen soll. § 18 Abs. 5 Asyl(Vf)G spricht ja von der erkennungsdienstlichen Behandlung, was mehr umfasst als nur den Namen.

Der § 18 Abs. 4 Asyl(Vf)G scheint mir da eher für so etwas wie die Flüchtlingskrise gedacht, wo man ausnahmsweise (jedenfalls anfangs) nicht an der Grenze nach Abs. 5 handeln kann. Aber so ganz genau steht das da nicht.

Ich bleibe aber dabei, dass ich § 13 Abs. 2 AufenthG nicht für einschlägig halte, weil im Asyl(Vf)G immer nur die (physische) Grenze selbst zählt und die Weiterleitung von der (physischen) Grenze zur Aufnahmeeinrichtung ebenfalls geregelt ist (§ 20 Asyl(Vf)G).

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@MT

Deshalb lasse ich die Grenzkontrolle mit der Registrierung enden. Machen ja auch Beamte der Bundespolizei.

Ich brauche § 13 Abs. 2 um die Einreise solange zu verzögern.

Der Grund warum  der Prof. § 14 AufVO hergezogen hat, ist, um einer unbekannten Zahl unbekannter Personnen die Einreise aus humanitären Gründen zu ermöglichen.

Er lässt einfach alle einreisen. Die Realität straft ihn aber lügen, weil plötzlich doch nicht alle Schleuser freigelassen werden.

Um das Ziel zu erreichen, lasse ich jeden Einreisen, der den behördlichen Weg nimmt.

Es wird somit disjunktiv den TB der Kanzlerin von dem des Schleusers abtrennbar.

Machen wir es nicht so, kriegen wir sie nicht raus.

Wie die Grenzbetrachtung des AsylG auch immer geartet sein mag, halte ich für die Strafbarkeit des AufhG nicht massgeblich.

Wenn wir sie jetzt nicht aus der Nummer raushauen, kommt der Teil, der nichts für zarte Gemüter ist und dann knurrt mich der Prof. wieder an, Verfassungsrecht wäre eine Tür weiter.

@MT:

 

Ich muss zugeben, dass Sie da ein passendes Urteil gefunden haben. Man sollte aber beachten, dass es lediglich ein erstinstanzliches VG Urteil ist, dass nur nebenbei erwähnt, dass es die Verurteilung durch das Amtsgericht für falsch hält, ohne diese Verurteilung übrigens aufzuheben. Ob der BGH das auch so sehen würde steht noch in den Sternen (und Kommentare zum Ausländerrecht sind ohnehin nur Meinungen).

 

Aber gut, da ich kein widersprechendes Urteil habe, muss ich wohl zugeben, dass Sie da durchaus recht haben könnten.

 

Frau Merkels Problem besteht aber fort bei den Ausländern die überhaupt bei keiner Grenzbehörde um Asyl ersucht haben. Ob man nun das Zugfahren als konkludentes Ersuchen sieht oder nicht, die meisten Flüchtlinge sind wohl ohnehin per Fuss oder Taxi eingereist und zumindest eine erhebliche Zahl wurde garnicht kontrolliert und hat auch nicht von selbst eine Grenzbehörde aufgesucht. Dass eine Anordnung nach §18 sich nur auf Einzelfälle erstrecken darf kann ich dem Text so direkt nicht entnehmen, sie kann sich aber sicher nur auf jede erstrecken, die bei einer Grenzbehörde um Asyl nachgesucht haben. 

Somit wäre die Kriminalität von Frau Merkel vom Umfang her etwas kleiner als ich angenommen habe. Den Titel der grössten Schleuserin Europas würde Sie denk ich trotzdem noch verdienen (numerisch). Man sieht hier auch schön warum organisierte Kriminalität so gefährlich ist. Hätte Frau Merkel die Einreise aus sicheren Drittstaaten nicht zugelassen hätten die Schengen Aussenländer in kürzester Zeit ihre Grenzen dicht gemacht (Kaskadeneffekt) und somit wären die Attentäter von Paris wohlmöglich garnicht erst dorthin gelangt. Sie hat damit auch Ländern, die sich nicht an ihrer humanitären Hilfsaktion beteiligt haben (Frankreich, Spanien, etc.) ein erhebliches Sicherheitsproblem beschert. Indem Sie Dublin "abgeschafft hat" hat Sie auch die Grundlage für die Abschaffung innereuropäischer Grenzkontrollen zerstört, wie man nun schön an der dt Grenze zu Frakreich sehen kann. Kohl hatte wohl recht.

 

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Mein schlechtes Urteil über die Juristen diese Landes war verfrüht.

Es gibt doch noch einige Juristen, dene der Rock näher ist als das Hemd. Beispielsweise Klaus Peter Frenzen, Präsident des Verwaltungsgerichts Minden:

"Ich habe heute in der FAZ einen sehr mutigen Leserbrief einer Kollegin gelesen, die als Mitglied der Dritten Gewalt zu Recht anmahnte, auch die Exekutive (Merkel eingeschlossen) müsse sich in unserem Rechtsstaat nach mehreren Monaten des von ihr verursachten Chaos endlich selbst wieder an Recht und Gesetz halten, das die Bundesregierung seit Monaten an den Grenzen verletze. Starker, aber berechtigter Tobak! Wenn in aller Regel zurückhaltend agierende VerwaltungsrichterInnen so deutlich werden, wie sie und ich, ist es wahrlich schlimm um dieses Land bestellt. Der Bundestag schweigt wie die Volkskammer, obwohl er an sich über alles Wesentliche zu entscheiden hat. Die willfährigen öffentlich-rechtlichen Medien, erwecken den Eindruck, im vorauseilenden DDR-Gehorsam Merkel und Co. sekundieren zu müssen. Sender - die von uns Zwangsgebührenzahlern finanziert werden und ihr eigenes Süppchen kochen, weil sie von Merkel noch 1,6 Mrd. wollen."

Danke dafür!

Gerold Keefer

3

Das uneinsichtige und wiederholte Einschlagen auf die Bundeskanzlerin mit der Strafrechtskeule war und bleibt (straf)rechtlich unverständlich. Förderung unerlaubter Grenzübertritte durch die Bundeskanzlerin - wie Holm Putzke Angela Merkel vorwirft - wird einfach nur ins Blaue hinein behauptet und wurde bisher nicht einmal im Ansatz dargelegt. Oder: "die Exekutive (Merkel eingeschlossen) müsse sich in unserem Rechtsstaat nach mehreren Monaten des von ihr verursachten Chaos endlich selbst wieder an Recht und Gesetz halten, das die Bundesregierung seit Monaten an den Grenzen verletze." Auch eine hohle Phrase. Verwaltungsrichter sollten aber auch in der Lage sein, ihre Vorwürfe etwas konkreter zu formulieren. 

Die Maßnahme der Kanzlerin hat doch dazu geführt, dass Flüchtlinge aus Österreich oder Ungarn an der Grenze in irgendeiner Weise um Asyl ersuchen können und dort nicht abgewiesen werden und damit legal einreisen können. Gefördert hat die Kanzlerin damit den legalen Grenzübertritt und nicht den illegalen. 

Wenn es dennoch Flüchtlinge geben sollte, die illegal einreisen sollten, obwohl sie das legal tun könnten, dann kann das der Kanzlerin nicht zur Last gelegt werden. Weder strafrechtlich, noch politisch. Diese Flüchtlinge begeben sich dann aus dem Adressatenkreis der Maßnahme. 

Den komplexen Hintergrund der von der Kanzlerin in Gang gesetzten Maßnahmen erläutert Roman Lehner im Verfassungsblog:

http://www.verfassungsblog.de/grenze-auf-grenze-zu-die-transnationale-wi...

WR Kolos schrieb:

Das uneinsichtige und wiederholte Einschlagen auf die Bundeskanzlerin mit der Strafrechtskeule war und bleibt (straf)rechtlich unverständlich. Förderung unerlaubter Grenzübertritte durch die Bundeskanzlerin - wie Holm Putzke Angela Merkel vorwirft - wird einfach nur ins Blaue hinein behauptet und wurde bisher nicht einmal im Ansatz dargelegt.

Herr Putzke hat das durchaus dargelegt. Sie finden die Darlegung hier:

http://www.jura.uni-passau.de/putzke/aktuelles/

Sie umfasst immerhin knapp anderthalbtausend Worte. Mehr hatten Sie bisher glaube ich auch nicht zu bieten.

Wenn gegen Merkel bereits einige hundert Strafanzeigen vorliegen - meine noch nicht mitgerechnet - und ihr schon einige Gerichtspräsidenten öffentlich die Stirn bieten, dann sind das nicht mehr "hohle Phrasen", dann haben wir eine veritable Staatskrise. Ausglöst durch den Rechts- und Verfassungsbruch dieser Kanzlerin.

Im Ausland findet das teilweise noch deutlichere Worte. Beispielsweise der ehemalige polnische Regierungschef Miller:

 „Angela Merkel ist der größte Schadensverursacher Europas“, betonte er. Mit ihrer unbedachten Migrationspolitik habe Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Bedrohung für ganz Europa geschaffen und den Kontinent damit ins Unglück geführt. Niemand habe die Regierungen und Gesellschaften der EU zuvor gefragt, ob sie zu einer Massenzuwanderung bereit wären, fügte er hinzu. Dem ist nichts mehr hinzu zu fügen.

Quelle: http://www.focus.de/politik/ausland/merkel-der-groesste-schadensverursacher-europas-terror-in-paris-im-news-ticker-kommentar_id_7054799.html

Herzliche Grüße

Gerold Keefer

 

2

@ Max Mustermann

Ich verstehe mittlerweile, worauf Sie im Ergebnis hinauswollen. Das Ergebnis ist aber nicht die Begründung für den Weg dahin.

Auf die Grenzbetrachtung des Asyl(Vf)G kommt es m.E. deswegen an, weil das Asyl(Vf)G - vom AufenthG anerkannt - das speziellere Gesetz ist. Wenn also das Asyl(Vf)G etwas regelt, kommt das AufenthG nicht mehr zur Anwendung. Nur weil die Grenzkontrolle möglicherweise nach § 13 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ins Hinterland verschoben wird, bleibt die Grenze iSd §§ 18, 13 Abs. 3 S. 1 Asyl(Vf)G noch immer die Außengrenze Deutschlands.

Es gibt m.E. noch einen weiteren Grund, der gegen die Anwendung von § 13 Abs. 2 AufenthG in Ihrem Sinne spricht. Nach dem Schengener Grenzkodex sind die Grenzübergangsstellen abgeschafft. Damit erfolgt eine Einreise stets nach § 13 Abs. 2 Satz 3 AufenthG, nicht nach Abs. 2 Satz 1. Dadurch wird auch die Anwendbarkeit von Abs. 2 Satz 2 gesperrt, weil der auch eine Grenzübergangsstelle zur Voraussetzung hat.

Dazu BGH:

Quote:

Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist die Einreise in das Bundesgebiet nur an den zugelassenen Grenzübergangsstellen und innerhalb der festgesetz-ten Verkehrsstunden zulässig, soweit nicht auf Grund anderer Rechtsvorschrif-ten oder zwischenstaatlicher Vereinbarungen Ausnahmen zugelassen sind. An einer zugelassenen Grenzübergangsstelle ist die Einreise erst vollendet, wenn der Ausländer die Grenze überschritten und die Grenzübergangsstelle passiert hat (§ 13 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), in allen übrigen Fällen ist ein Ausländer ein-gereist, wenn er die Grenze überschritten hat (§ 13 Abs. 2 Satz 3 AufenthG). Diese nationalen Regelungen für den Grenzverkehr werden - gemeinschafts-rechtlich verbindlich - überlagert durch die Verordnung (EG) 562/2006 vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex, SGK), durch den die ent-sprechenden Vorschriften im Übereinkommen zur Durchführung des Überein-kommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (Schengener Durchführungsübereinkommen, SDÜ) aufgehoben worden sind (vgl. Art. 39 Abs. 1 SGK). Nach Art. 20 SGK dürfen die Binnengrenzen zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Person jederzeit oh-ne Personenkontrollen überschritten werden. Dieser Wegfall der Grenzkontrol-len und der Abbau der Grenzübergangsstellen hat zur Folge, dass sich der Grenzübertritt in das Bundesgebiet an einer Binnengrenze zu einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht mehr nach § 13 Abs. 2 Satz 1 AufenthG richtet, sondern nach § 13 Abs. 2 Satz 3 AufenthG; ein Ausländer ist mithin an einer Binnengrenze bereits dann eingereist, wenn er die Grenzlinie körperlich überschritten und das Bundesgebiet betreten hat (BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 - 4 StR 233/14, juris Rn. 21 mwN).

BGH, Beschluss vom 28. April 2015, Az 3 StR 86/15, Rn. 4

Zu dem hier fraglichen Zeitpunkt der Zugfahrten waren, soweit ich das ersehen kann, die Grenzkontrollen auch noch nicht wieder eingeführt.

http://www.proasyl.de/de/news/detail/news/wiedereinfuehrung_von_grenzkon...

Damit scheidet auch deshalb die Anwendbarkeit von § 13 Abs. 2 Satz 2 AufenthG aus (es sei denn, die Grenzkontrollen wären entgegen meiner Information schon wieder eingeführt gewesen).

Somit ist man wieder bei § 18 Asyl(Vf)G und der Frage, ob ein Nachsuchen an der Grenze vorliegt. Dazu habe ich ja bereits meine Einschätzung abgegeben.

Die Bundeskanzlerin wäre nach meiner Lösung straffrei, weil sie (durch den Bundesinnenminister) von der gesetzlich vorgesehenen Ausnahmeregelung des § 18 Abs. 4 Nr. 2 Asyl(Vf)G Gebrauch gemacht hat. Dadurch entfallen die Haupttaten nach §§ 95, 14 AufenthG mangels unerlaubter Einreise.

Das "Vom-Zug-Hopsen" innerhalb Deutschlands wäre keine taugliche Haupttat für eine Strafbarkeit der Bundeskanzlerin nach § 96 AufenthG, weil die Einreise bereits erlaubterweise an der Grenze erfolgt ist.

Anderweitige Grenzübertritte fallen nicht unter § 18 Abs. 4 Nr. 2 Asyl(Vf)G, wodurch auch diesbezügliche Schleusertätigkeiten noch strafbar wären. Dazu hätte die Bundeskanzlerin aber keine Hilfe iSd § 96 AufenthG geleistet. Im Gegenteil, die (Bundes-)Behörden verfolgen Schleusertätigkeiten ja weiterhin.

Außer der Strafbarkeit der "Vom-Zug-Hopser" kommen wir, soweit mir ersichtlich, also zum gleichen Ergebnis.

PS: Ich glaube Sie tun Prof. Müller Unrecht, wenn Sie sagen er würde nach § 14 AufenthG "alle" einreisen lassen. Es sind nach dem Wortlaut nur diejenigen von der Passpflicht befreit, die im Katastrophenfall Hilfe in Anspruch nehmen wollen (siehe dazu Blogbeitrag).

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Man sollte die anderthalbtausend Worte dann auch bis zum Schluß lesen: "Wer übrigens glaubt, meine Ausführungen als Plädoyer für eine Strafbarkeit von Flüchtlingen oder für Strafanzeigen gegen Angela Merkel und Zugführer verstehen zu können, hat die Stoßrichtung meines Beitrags entweder nicht erkannt oder (möglicherweise bewusst) gründlich missverstanden. Von Strafanzeigen gegen die Bundeskanzlerin oder Zugführer halte ich gar nichts. "

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@MT 

Mangels Zeit kann ich Ihnen nicht in der Ausführlichkeit antworten, die nötig wäre, angemessen die angesprochenen Punkte zu beleuchten. Ich stimme Ihnen im Wesentlichen zu, nur komme ich zu dem Schluss, dass sich dadurch die Gefahr einer möglichen Strafbarkeit der Kanzlerin eher erhöht...

 

Ich springe daher gleich zu dem Punkt den ich für unseren Dissens wesentlich halte.

Sie brechen § 18 IV in seiner systematischen Stellung derart heraus, dass es wie ein verkappter § 14 AufVO ausschaut.

 

Ich halte einen generell-abstrakten Verzicht auf Zurückweisung, wie es das BMI in seiner Pressemitteilung formuliert, für unmöglich. Nach meiner Auffasung müsste eine solche Entscheidung in lauter kleinen Einzelakten ausgestaltet sein. Dafür bräuchte ich also die Angaben zur Person.

 

Den Punkt müssten wir klären.

 

Zudem kommt noch eine logische Stolperstelle hinzu:

Wenn Sie sagen, § 13 Abs. 2 ist wegen mangelnder Kontrollen gesperrt,

(Damit scheidet auch deshalb die Anwendbarkeit von § 13 Abs. 2 Satz 2 AufenthG aus (es sei denn, die Grenzkontrollen wären entgegen meiner Information schon wieder eingeführt gewesen).

dann müsste Gleiches auch für § 18 IV gelten. 

§ 18 beschreibt ja gerade die Ergebnisse der Kontrolle. (unschön formuliert...)

 

LG

Sehr geehrte Kommentatoren,

was die anderthalbtausend Worte meines Kollegen Putzke angeht: Ihm gebührt das Verdienst, diese Frage - angesichts hunderter Ermittlungsverfahren samt U-Haft gegen Schleusungsverdächtige - überhaupt zum Thema gemacht zu haben. In den anderthalbtausend Worten geht er aber mit keinem Wort darauf ein, worüber hier seit einigen Wochen - und durchaus zum Teil tiefgehend - gestritten wird, nämlich, ob überhaupt (und von wem) eine "unerlaubte Einreise" vorliegt. Es ist wegen der sich überlappenden Vorschriften des AufenthaltsG und des AsylG komplizierter als man auf den ersten Blick annimmt. Es handelt sich bei der derzeitigen Krise um eine außergewöhnliche Situation, die keiner derjenigen vorausgesehen hat, die die einschl. Normen geschrieben und verabschiedet haben. Deshalb ist ein juristischer Streit darüber auch nicht ungewöhnlich. Ich kann mich in den einzelnen Ableitungen natürlich ebenso irren wie andere, aber ich meine jedenfalls, dass die Frage der "unerlaubten Einreise", von der die Strafbarkeit der BKin sich u.a. ableitet, beantwortet werden muss, bevor man die "Strafrechtskeule" gegen die Kanzlerin, aber natürlich auch zB gegen Leute , die ohne Bereicherungsabsicht Flüchtlingen weiterhelfen, schwingt.  

Ob die Kanzlerin politisch klug gehandelt hat  ist eine außerstrafrechtliche Frage, die gern anderswo diskutiert werden kann und wird, dann aber auch unter Berücksichtigung der moralischen Verantwortung Europas und der allgemein menschlichen Solidarität. Böswillige Spekulationen darüber, dass die BKin mit ihrer politischen Entscheidung zur Flüchtlingsaufnahme die Attentate in Paris mitverursacht habe, sind von den bisher bekannten Fakten (fast alle Attentäter stammen aus Frankreich und Belgien) nicht gedeckt. 

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

 

Lieber Herr Müller,

Henning Ernst Müller schrieb:

(...)

Es handelt sich bei der derzeitigen Krise um eine außergewöhnliche Situation, die keiner derjenigen vorausgesehen hat, die die einschl. Normen geschrieben und verabschiedet haben.

(...)

 

Sie mögen in allen anderen Belangen recht haben, aber die zitierte Aussage ist leider völlig haltlos.

Die Genfer Flüchtlingskonvention und unsere darauf basierende Gesetzgebung bis hin zum Grundgesetz sind exakt darauf angelegt sinnvoll mit solchen Krisen umzugehen. Die GFK dient unter anderm dazu Völkerwanderungen in vermeintliche Lieblingsländer auszuschließen und auch die Sicherheit der Aufnahmeländer zu gewährleisten.

Letztendlich hat nur Deutschland eine Flüchtlingskrise, weil jeder eingeladen wurde und die geltende Rechtsordnung ausgesetzt wurde, und die jeweiligen Transitländer, die die Flut nolens volens mitbewältigen müssen.

Tröstlich, das der Rest der EU Merkels Flüchtlingswahn geschlossen nicht folgt.

 

Herzliche Grüße

Gerold Keefer

 

 

2

P.S:

Was Ihr P.S. zum § 14 noch angeht, möchte ich kurz vorausschicken, dass ich davon ausgehe, dass wir in unserem Diskurs uns auf die Situation am Budapester HBF und Merkels Sonderzügen beschränken sollten.

Ich halte dort, die Argumentation auch für unredlich, resp. für weit neben der Realität liegend, wenn gesagt wird, (jetzt bewusst flappsig formuliert) in der Arktis ist die Heizung ausgefallen und deswegen muss ich diesen Katastrophenfall am Budapester HBF lösen.

Und dass sich zwischen die Eskimos dummerweise auch noch Indianer mischen, dass kann der Kanzlerin nicht zum Vorwurf gereichen.

Doch kann man. Das ist m.E. vom Vorsatz der Kanzlerin erfasst. Die holt sie ja nicht aus der Arktis.

Die Konstruktion hilft ihr also nicht.

P.P.S.: Ich wollte sagen, deshalb kommt ja §14 zum Zug, weil man alle reinlässt und die Kanzlerin sich dadurch nicht strafbar macht. 

Würde § 14 in diesem Falle nicht für alle gelten, lebte die Frage nach der Strafbarkeit wieder auf und dann wäre sie dran.

Ist sie aber nicht, weil die Passpflicht ja ausgesetzt ist.

@MT

Jetzt verstehe ich, was Sie meinen:

Sie springen über § 13 III in das Verfahren rein und leiten die Strafbefreiung über § 18 IV ein.

Extrem wackelig.

Konkludent und stillschweigend...

Dasselbe  Problem hat der Prof bei § 14 ja auch: De facto einfach durchlaufen lassen und dann konkludent den Vorsatz entfallen lassen.

Sich dann aber hinstellen und das Ganze lautstark mit irgendwelchen "Werten" rechtfertigen.

Dabei ist Kapitulation treffender...

 

Bleibt dabei, meine Meinung ist ohne Kenntnis der Person, kein Gnadenakt möglich.

@ Max Mustermann

Sie mögen meine Lösung als wackelig bezeichnen (das sehe ich naturgemäß anders), aber eins müssen Sie sich in aller Schärfe vor Augen führen: Die Grenzkontrollen, die Sie verschieben wollen, gibt es nach Schengen gar nicht mehr!* Das ist nicht graue Theorie von mir, sondern BGH.

Im § 13 Abs. 3 AsylG** ist m.E. der richtige Ausgangspunkt, weil eine Kontrolle nach § 18 Abs. 1 AsylG findet ja nicht statt.

Die "Klippe" bei der reinen AsylG Lösung, da habe ich aber auch nie einen Hehl draus gemacht, ist das konkludente Nachsuchen. Es sprechen jedoch m.E. die besseren Gründe dafür, das zuzulassen. Schon für den eigentlichen Asylantrag reicht es nach dem Gesetz aus, wenn dieser konkludent gestellt wird, § 13 Abs. 1 AsylG. Dann sind aber an ein Nachsuchen kaum höhere Anforderungen zu stellen. Und wenn sich jemand in einen Sonderzug für Asylsuchende setzt, ist m.E. der objektiv nach außen erkennbare Wille darauf gerichtet, auch als Asylsuchender behandelt zu werden. Ob der wahre Wille ein anderer ist (Asylschwindler, Toilettenbenutzer, etc.), ist nach allgemeinen Grundsätzen unbeachtlich. Da kann ich nur nochmal auf den Vorsatz verweisen. Man fragt ja auch den Angeklagten nicht nach seinem "wahren Willen". Außerdem weiß die "Grenzbehörde", dass da ein Zug für Asylsuchende durchfährt. Von allen Zuginsassen jetzt noch eine explizite Bestätigung dieser offensichtlichen Tatsache zu verlangen, wäre reiner Formalismus.

Auch § 14 Abs. 4 Nr. 2 AsylG spricht m.E. eher für die reine AsylG Lösung. Es mag theoretisch denkbar Einzelfälle geben, wo aus humanitären Gründen das BMI eine Anordnung trifft. Der Regelfall einer humanitären Krise ist das aber wohl nicht, sondern eher die jetzige Situation mit einer nur schwer überschaubaren Vielzahl an Betroffenen. Sinn so einer Norm kann es zwecks Bewältigung einer Flut von Flüchtlingen nicht sein, jeden Einreisenden einzeln vom BMI(!) absegnen zu lassen - und dann nochmal das Asylverfahren vor der dafür zuständigen Behörde durchzuführen. Dann könnte man ja auch gleich verfahrensökonomisch das ganze Asylverfahren (ohne BMI) durchführen. Daher halte ich es für möglich, dass das BMI im Wege der Allgemeinverfügung vorgeht, § 35 Satz 2 VwVfG. Der Personenkreis ist ja durchaus bestimmbar ("Zuginsassen").

Was die erkennungsdienstliche Behandlung (§ 18 Abs. 5 AsylG) angeht, halte ich es nach dem Wortlaut für vertretbar, den Zeitpunkt zu verschieben. Dort steht eben nur, dass die ED-Behandlung durchzuführen ist, nicht, dass das an der Grenze zu erfolgen hat. Sie haben ja erwähnt, dass durchaus Bundespolizisten, und damit die Grenzbehörde, die ED-Behandlung innerhalb Deutschlands übernehmen.

So wird, nach meiner Ansicht, "ein Schuh draus".

* bzw. wurden erst nach dem hier einschlägigen Zeitpunkt wieder eingeführt.

** ich verzichte mal ab jetzt auf das "(Vf)", die Umbenennung sollte jetzt jeder mitgekriegt haben.

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Kleine Ergänzung zu #20:

Dann könnte man ja auch gleich verfahrensökonomisch das ganze Asylverfahren (ohne BMI) an der Grenze durchführen.

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@MT

Danke, dass Sie den SGK eingebracht haben, den ich bisher so nicht berücksichtigt habe und deswegen wohl auch Holm Putzke nicht ganz verstanden habe, wo es ein Problem mit einigen humanitären Schleusern geben soll. Ich bin möglicherweise fälschlich davon ausgegangen, dass es zwar nach SGK keine Grenzkontrollen mehr gibt, aber immer noch Grenzkontrollstellen mit dem Sitz und dem Fuhrpark der Bundespolizei, an denen auch um Asyl nachgesucht werden kann. Auch in Passau scheint es so eine Stelle zu geben. Aber vielleicht ist sie jetzt erst neu eingerichtet oder besetzt worden. 

Wenn wir uns die Grenzkontrollstelle u.a. in Passau aber wegdenken und davon ausgehen, dass es nach SGK keine Grenzkontrollstellen gibt, dann wirds für Flüchtlinge und vor allem ihre humanitären Schleuser heikel. Denn dadurch könnte den Flüchtlingen die Möglichkeit gänzlich genommen sein, von 18 I AsylG Gebrauch zu machen und als um Asyl Nachsuchende mit Gestattungserlaubnis einzureisen. Aber 18 AsylG sagt auch nicht, dass sie es nur an einer Grenzkontrollstelle tun könnten. Es heißt ja: "bei einer ... (Grenzbehörde) nachsucht", und zwar "schriftlich, mündlich oder auf andere Weise" (13 I AsylG). Das haben Sie auch schon zuvor angesprochen.

Für einen humanitären Schleuser, der mit den Flüchtlingen an einen Grenzübergang ohne Kontrollstelle kommt und sich nicht strafbar machen und auch nicht auf die Befreiung der Flüchtlinge von der Passpflicht nach 14 AufenthV verlassen will, heißt das:  stehenbleiben, die Grenzbehörde anrufen, den mitgeführten Flüchtlingen das Handy in die Hand drücken und sie um Asyl nachsuchen lassen, um sich das OK der Grenzbehörde einzuholen. Vielleicht könnte er auch für sie und in ihrem Auftrag um Asyl nachsuchen. Steht irgendwo, dass das "Ersuchen" persönlich gestellt werden muss, oder ergibt sich das aus der Natur der Sache?

Ich weiß zwar nicht, in wessen Auftrag die Sonderzüge gestellt worden sind. Wenn es das BMI gewesen sein sollte, dann ist das doch so gut als hätte die Grenzbehörde die Aktion selbst vorgenommen. Ich gehe davon aus, dass Beamte der Bundespolizei und mit ihnen die Grenzbehörde im Zug waren oder an der Grenze zugestiegen sind. Möglicherweise wird es zuvor eine innerdienstliche Mitteilung gegeben haben, aus der sich in etwa ergibt, dass die Insassen des Sonderzugs "auf andere Weise" um Asyl nachgesucht haben und von der Abweisung bzw. Abschiebung auf Anordnung des BMI aus humanitären Gründen abzusehen sei. 

@MT

Ich kann Ihre Lösung nachvollziehen.

Was mich an ihr aber ganz massiv stört, ist, dass die gesamten Ausführungen den Vorsatz meiner Mandantin geradezu unterstreicht.

Sie geben auch noch offen zu, selbst diejenigen über die Grenze schleussen zu wollen, die nur auf illegalen Wege nach Deutschland wollen.  

Sie karren einfach alles rüber.

Dem Ansinnen mag zwar edle Motive unterliegen, aber der Richter wird nachfragen, wenn es nur um das Selbsteintrittsrecht ging, warum man nicht einfach gewartet hat, bis die in Ungarn und Österreich ordentlich registriert waren und sich dann final in Deutschland um Asyl bemühen...

Ihre Strategie bringt Merkel direkt und ohne über Los zu ziehen in den Knast.

Es mag sein, dass ständige Grenzkontrollen in Schengen ausgesetzt sind, aber meine Mandantin wird die Grenzbehörden ganz sicher nicht angewiesen haben, keine Grenzkontrolle durchzuführen, obwohl die wissen, dass da gerade Züge voller Illegale auf Deutschland zu rollen.

Ganz im Gegenteil!

Nur der Richter soll mir mal erklären, wie er denn die Kontrolle hätte durchführen wollen, wenn in einem Zug 1000 Leute sitzen und eine erkennungsdienstliche Erfassung 10 Minuten dauert. Gleichzeitig müssen die Menschen versorgt und unter Umständen medizinisch auch noch behandelt werden. 

Und dann kommen alle paar Stunden weitere Züge an...

@ Max Mustermann

Selbst wenn da ein Vorsatz sein sollte (was ich so unmittelbar noch nicht mitmachen würde), geht der ins Leere. Ich argumentiere doch, dass der objektive Tatbestand der Haupttat (§§ 95, 14 AufenthG) gar nicht vorliegt. Da kann der Hintermann(-frau) soviel Vorsatz zu § 96 AufenthG haben wie er will. Ohne objektiv tatbestandliche und vorsätzliche (und rechtswidrige) Haupttat keine Strafbarkeit des Hintermanns.

Es liegt ja gerade kein "schleusen" vor. Vielmehr macht man von der gesetzlich vorgesehenen Anordnungsbefugnis, nach der die Zurückweisung von aus sicheren Drittstaaten einreisenden Ausländern ausgesetzt werden kann, Gebrauch (§ 18 Abs. 4 Nr. 2 AsylG). Auf ganz legalem Wege, nach meiner Argumentation jedenfalls. Das Aussortieren erfolgt dann im Asylverfahren. Im Übrigen konnte schon vorher jeder, ob Flüchtling oder nicht, über die Grenze, weil Grenzkontrollen gab es wegen Schengen nicht.

Das "alle rübergekarrt" wurden, ist so oder so unstreitig. Die einzige Frage ist doch, ob das erlaubt war. Was ich nach § 18 Abs. 4 AsylG bejahe.

Ich verstehe nicht ganz, wie das Selbsteintrittsrecht ins Spiel kommen soll. Das ist doch in der Dublin Verordnung geregelt, wenn ich nicht falsch informiert bin. Mit der Einreise hat das m.E. erstmal nichts zu tun. Wenn die Voraussetzungen von § 18 Abs. 4 AsylG vorliegen, war die Einreise der Zuginsassen erlaubt. Beim Selbsteintrittsrecht geht es ja um die Zuständigkeit für das der Einreise nachgelagerte Asylverfahren, also eine ganz andere Baustelle.

Auch eine Registrierung in Ungarn oder Österreich hat m.E. der § 18 Abs. 4 AsylG nicht zur Voraussetzung. Das kann ich da nicht entnehmen, oder hineinlesen.

Auch Züge voller Illegaler gibt es nach meiner Lösung nicht, jedenfalls nicht Züge voller illegal Einreisender.

Um mal in Ihrer Monopoly-Analogie zu bleiben: Die Bundeskanzlerin hat die ihr durch Gesetz zugewiesene "Du kommst aus dem Gefängnis frei"-Karte gezückt.

 

Ich glaube wir müssen mal einen Schritt zurück machen und uns überlegen, wie es nach dem gesetzlichen "Normalfall" gelaufen wäre.

Der Zug hält kurz vor der Grenze zu Deutschland an. Die Insassen steigen alle schön nacheinander aus. Jeder bekommt die Belehrung nach § 20 Abs. 2 AsylG in seiner Lieblingssprache vorgesetzt und unterschreibt sie.

http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/Infothek/Belehrungen/...

Toilettenbenutzende und kostenloszugfahrende EU Bürger unterschreiben nicht und dürfen einfach weiter fahren (oder laufen), weil die sind sowieso einreiseberechtigt. Der "echte" Flüchtling hat mit Unterschrift der § 20 Abs. 2 AsylG Belehrung um Asyl nachgesucht und darf von BMI-Gnaden legal einreisen, § 18 Abs. 1 iVm Abs. 4 Nr. 2 AsylG. Außerdem hat er durch das Nachsuchen eine Aufenthaltsgestattung für die Dauer des Asylverfahrens erlangt, § 55 Abs. 1 AsylG.

Der "Asylschwindler", "Illegale" oder wie auch immer man ihn nennen will - unterschreibt ebenfalls die Belehrung und ist damit genauso legal eingereist und hat genauso eine Aufenthaltsgestattung erworben wie der "echte" Flüchtling. Ausgesiebt wird erst mit dem Asylverfahren selbst.

Die ED-Behandlung ist nach dem Wortlaut des § 18 Abs. 5 AsylG keine Voraussetzung für die Einreiseerlaubnis, weil nicht zwingend an der Grenze durchzuführen (M.E. sollte der Gesetzeswortlaut um Satz 2 ergänzt werden "Satz 1 soll an der Grenze durchgeführt werden.", aber wir müssen mit dem arbeiten, was da steht).

Der Unterschied zum "Durchwinken" ist also geringer, als man im ersten Moment vielleicht vermuten könnte.

 

5

@MT

Sie übersehen dabei nur, dass diejenigen, die zwingend zurückgewiesen werden müssen nach § 18 Abs. 2 S. 3 in Ihrer Lösung einen Passierschein erhalten.

 

Sie werden Frau Merkel niemals überzeugen können, fest im Glauben vor Gericht aufzutreten und dem Richter zu erklären, dass Sie selbstverständlich in einem humanitären Akt Usama bin Laden die Möglichkeit des Asyls verschaffen wollte.

Politisch ist sie dann sowieso tot.

 

Ohne Kontrolle können Sie § 18 IV nicht bringen... 

 

Und was das Selbsteintrittsrecht angeht, rate ich Ihnen, die Frage eines Richters nicht mit rechtlichen Ausführungen zu kontern. Das schätzen die gar nicht...

@ Max Mustermann

Die Kontrolle erfolgt bei meiner Lösung genauso wie bei Ihnen zeitlich und örtlich versetzt in den Aufnahmeeinrichtungen.
 

Das Risiko, das (Zombie-)Osama bin Laden sich ins Land schleicht, halte ich für nicht höher, als es allgemein ohne Grenzkontrollen (Schengen!) eh schon war. Das BKA übrigens auch nicht.

http://www.heise.de/newsticker/meldung/BKA-Herbsttagung-Pariser-Anschlae...

0

@MT

Natürlich gibt es nach Schengenabkommen keine ständigen Grenzkontrollen mehr.

Aber die Einreise und das vorsätzliche Schleusen bleibt deswegen doch unerlaubt.

Oder wollen Sie dem Prof. folgen, der gleich den Vorsatz entfallen lassen will, nur weil man faktisch auf Ausweispapiere verzichtet hat?

 

@ Max Mustermann

Dazu kann ich nur noch sagen "siehe oben".

0

Sehr geehrter Herr Mustermann,

Sie schreiben:

Oder wollen Sie dem Prof. folgen, der gleich den Vorsatz entfallen lassen will, nur weil man faktisch auf Ausweispapiere verzichtet hat?

Wo soll ich das geschrieben haben? Der Vorsatz ist dem objektiven Tatbestand nachgeordnet. Gibt es obj. keine unerlaubte Einreise, dann gibt es allerdings, wenn trotzdem Vorsatz vorliegt, nur einen (hier nicht strafbaren) untauglichen Versuch der unerlaubten Einreise.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

@Prof

Ob bei einer jedenfalls faktischen Aussetzung der Passpflicht die interpretatorischen  Grenzen dieser Verordnung eingehalten wurden, kann einem Ausländer aber strafrechtlich ohnehin nicht vorgeworfen werden, wenn jedenfalls faktisch erkennbar beim Grenzübertritt seitens der deutschen Behörden auf  Pässe bzw. andere Reisedokumente verzichtet wurde.

 

Sehr geehrter Herr Mustermann,

es geht in dem Satz um die Frage, welche Folge eine fehlerhafte Überinterpretation des § 14 AufenthaltsVO für die vorsätzlich unerlaubte Einreise hätte. Sofern nach § 14 AufenthaltsVO die Passpflicht ausgesetzt  ist (war in diesem Fall meine Prämisse) und auch erkennbar auf Pässe/Reisedokumente verzichtet wurde, entfällt der Vorsatz der unerlaubten Einreise.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

@ Max Mustermann

Zu Ihrem Terroristen Argument ist noch anzuführen, dass die BMI Anordnung nach § 18 Abs. 4 AsylG sich nur auf § 18 Abs. 2 Nr. 1, nicht auf Nr. 3 erstrecken kann.

Quote:

(4) Von der Einreiseverweigerung oder Zurückschiebung ist im Falle der Einreise aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a) abzusehen, soweit[...]

4

Wenn man zehntausende unbekannte Menschen einlädt, ohne Visa und ohne jedwede Kontrolle ins Land zu kommen, dann nimmt man realistisch betrachtet doch wohl auch (billigend) das Risiko in Kauf, daß dabei auch illegale Betäubungsmittel, Schwarzgeld und womöglich auch unerlaubte Waffen ins Land geschafft werden.

Warum sollten Schwarzgeldschmuggler und Drogenschmuggler und Waffenschmuggler (und auch Menschenschmuggler, Menschenhändler, und womöglich sogar auch Terroristen) solch eine Situation nicht ausnutzen?

Im Fernsehen wird zwar behauptet, das Straftäter die Situation der fehlenden Kontrolle und der quasi ananrchischen Zustände nicht ausnutzen würden, aber wie glaubhaft sind die entsprechenden Behauptungen der Fernsehanstalten, bzw. wie realistisch erscheint es, daß Straftäter mit krimineller Energie günstige Gelegenheiten nicht wahrnehmen? Solche Vorstellungen erscheinen (kritisch und realistisch betrachtet) doch eher lebensfern oder lebensfremd.

Wenn Beamte ode Regierungsmitglieder daran mitwirken, dann können sich wohl unter den Gesichtspunkten der §§ 13 (Unterlassen) und 27 StGB (Beihilfe) sowie vielleicht auch unter dem Gesichtspunkt der Begünstigung oder Billigung (in Form von Duldung) von Straftaten schon Fragen nach strafrechtlichicher Mitverantwortung von Vertretern der Bundesrepublik Deutschland (Regierungsmitglieder und mitwirkende Spitzenbeamte) ergeben, oder etwa nicht?

Oder haben Regierungsmitglieder und Spitzenbeamte etwa keine Garantenpflicht (imSinne von § 13 StGB), durch ihr Handeln Straftaten entgegenzuwirken und sie soweit als möglich zu verhindern?

3

Sehr geehrter Herr Förster,

eine Garantenpflicht, Straftaten voll verantwortlicher Erwachsener zu verhindern, gibt es ganz allg. nicht. Deshalb hat sich mein Beitrag auch von vornherein auf eine Strafbarkeit nach § 96 AufenthaltsG bezogen. Was Sie schildern (generelle Möglichkeit, dass mangelnde Grenzkontrollen auch zu Straftaten auf deutschem Boden führen), ist zudem kaum geeignet, einen entsprechenden Vorsatz hinsichtlich bestimmter konkreter Straftaten zu wecken.

Die Vorstellung, Politiker seien persönlich Garant für die Nichtbegehung von Straftaten, ist ziemlich abwegig. Da ein nicht geringer Teil der Straftaten in Deutschland von der hiesigen bevölkerung begangen wird, müssten Sie ja dann auch befürworten, dass Politiker ständig Kontrollen bei allen Personen durchführen lassen, die hier leben, um Straftaten zu verhindern - denn es ist ja immer damit zu rechnen, dass in Deutschland wohnhafte Waffen- Drogen- und Schwarzgeldbesitzer es ausnutzen, dass sie nicht anlasslos kontrolliert werden dürfen ("alles andere ist lebensfremd"). Ich bin froh, nicht in einem solchen Staat zu leben.

Umgekehrt: Eher käme noch in Frage, die aktive Mitwirkung von Politikern an Waffenexporten als Beteiligung an Straftaten, die mit den Waffen (vorhersehbar) begangen werden, als strafbar anzusehen. Aber auch dies ist nicht der Fall, weil die Politik sich durch entspr. Gesetze absichert und der gesetzeskonforme Export dann auch nicht strafbar ist.

Übrigens: Seit Jahren gibt es keine regulären Grenzkontrollen an den Grenzübergangsstellen Deutschlands (Schengen), d.h. sie wurden gerade erst wieder teilweise eingeführt. 

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

 

Weil die Einreise- und Aufenthaltsgestattung für Asylsuchende davon abhängig ist, dass sie bei einer Grenzbehörde einen vereinfachten Asylantrag stellen, an dessen Inhalt und Form keine hohen Anforderungen gestellt werden dürfen, stellt sich im Hinblick auf das Schengerabkommen die Frage, ob das faktisch überhaupt möglich ist. Gibt es also überhaupt noch Grenzbehörden an deutschen Grenzen?

Auf der Homepage der Bundespolizei gibt es ganz unten auf der Startseite die "Dienststellensuche". Damit lässt sich eine Landkarte mit der Übersicht über vorhandene Bundespolizeiinspektionen öffnen, also auch die an Grenzübergängen. Auf meine Anfrage hat mir die Pressestelle der Bundespolizei bestätigt, dass an diesen Stellen immer noch Asylanträge gestellt werden können. 

http://www.bundespolizei.de/SiteGlobals/Forms/Websites/Web/Suche/DE/stan...

Die Bundeskanzlerin dürfte man also allenfalls dann mit humanitären Schleppern vergleichen, wenn sie die Flüchtlinge an diesen Bundespolizeiinspektionen zunächst abgesetzt haben, oder?

@Prof.

Ach, und die Prämisse war erkennbar?

Die Argumentation, Mutti wäre schliesslich die erste Schleuserin seit Allepo gewesen, die nicht einfach nur ein Haus, Auto, Job und lebenslange soziale Absicherung in Aussicht gestellt und dabei nicht nur auf eine Vergütung verzichtet hätte, sondern gleich mit kostenlosem erste Klasseabteil angerückt wäre, ist allerdings wacker.

Bei § 14 AufhVO mag zwar Merkel durch einen Grenzübetritt von Usama bin Laden rechtlich nicht so stark in Bedrängnis geraten, dennoch entfällt die Frage, warum man nicht einfach die Möglichkeit des Selbsteintrittsrechtes abgewartet hat, auch in diesem Fall nicht. Es soll ja nicht der unschöne Geschmack einer Schutzbehauptung im Raume stehen.

Und wie begegnen Sie eigentlich Kritikern, die in einer Berufung auf § 14 AufhVO den altsozialistischen Versuch sehen, politische Rechtssprechung in Deutschland wieder salonfähig zu machen?

 

@MT

Ist das denn dann eine unerlaubte Einreise?

Wird wohl unvermeidbar gewesen sein.... 

 

@ Max Mustermann

Zumindest ist in der § 18 Abs. 4 AsylG Anordnung keine positive Entscheidung über die Allgemeingefährlichkeit nach Abs. 2 Nr. 3 zu sehen. Man kann sicher auch vertreten, dass § 18 Abs. 4 AsylG die Einreise einer unter Abs. 2 Nr. 3 fallenden Person nicht zu legalisieren.

Aber insgesamt gilt es hier m.E. den Überblick zu behalten:

1. Nicht erst der Flüchtlingsstrom sorgt für eine problemlose Einreise nach Deutschland. Ich würde sogar behaupten, vor Schengen konnte man die Grenzkontrollen auch sehr leicht umgehen.

2. Osama bin Laden hätte man nach Abs. 2 Nr. 3 auch nicht aufhalten können, weil der nicht in Deutschland rechtskräftig verurteilt worden ist.

3. Die bisher bekannten Frankreich Attentäter waren alle EU-Bürger, die sowieso nicht unter Abs. 2 Nr. 3 fallen (ebenfalls gilt hier das unter 2. geschriebene).

4. Wenn bei einem Massenmörder Ihr größtes Problem darin besteht, dass Sie ihn nicht wegen unerlaubter Einreise drankriegen, muss ich Ihre Prioritäten in Frage stellen und Sie auf § 154 f. StPO verweisen.

4

...die Einreise einer unter Abs. 2 Nr. 3 fallenden Person nicht zu legalisieren vermag.

0

@MT

Sie werden mir nachsehen müssen, dass ich unter dem Treppenabsatz, unter dem ich hause, nicht soviel rumkomme in der Welt und mich daher in der Szene nicht so sehr auskenne.

Was soll das denn? Sie erkennen doch, dass es verschiedene Teilmengen in dem Zug gibt.

Als ich Sie danach gefragt habe, was mit denen ist, die diese Willenerklärung gar nciht abgeben wollten, bekam ich zur Antwort: "Unbeachtlich, erlaubt ist erlaubt."

Jetzt frag ich nach denen, die zwingend zurückgewiesen werden müssen, und Sie kommen mir mit Paris und allgemeine Schwierigkeiten der praktischen Grenzsicherung.

Ist doch gar nicht die Frage...

Wenn § 18 IV diese Teilmenge nicht zu legalisieren vermag, dann haben wir was?

Und Merkel ist was?

Und wenn in Dresden gerufen wird :"Merkel muss weg!" dann wird die intellektuelle Bohème doch entsprechend wissen wohin...  

 

Max Mustermann schrieb:

 

Wenn § 18 IV diese Teilmenge nicht zu legalisieren vermag, dann haben wir was?

 

 

18 IV AsylG legalisiert nicht die Einreise- und Aufenthaltsgestattung.

Einreise- und Aufenthaltsgestattung entsteht kraft Gesetzes mit Antragstellung (55 I AsylG, nichts weiter erforderlich), die u.a. dann erlischt, wenn der Ausländer nach 18 II oder III zurückgewiesen oder zurückgeschoben wird (67 AsylG).

@ Max Mustermann

Osama bin Laden haben Sie aus dem Grab gefischt.

Was wir haben ist ein nicht ausschließbares, verschwindend geringes Restrisiko, für dessen Verwirklichung es derzeit nach BKA keine handfesten Anhaltspunkte gibt und das in der gleichen Höhe auch ohne die § 18 Abs. 4 AsylG Anordnung bestand. Also spätestens beim § 96 AufenthG Vorsatz ist da Schluß.

3

18 IV AsylG legalisiert nicht die Einreise- und Aufenthaltsgestattung.

Einreise- und Aufenthaltsgestattung entsteht kraft Gesetzes mit Antragstellung (55 I AsylG, nichts weiter erforderlich), die u.a. dann erlischt, wenn der Ausländer nach 18 II oder III zurückgewiesen oder zurückgeschoben wird (67 AsylG).

Ja, ja, kein Mensch ist illegal. Hat man mir zur Erinnerung neulich noch an die Hauswand geschmiert.

Dennoch bleibt die Einreise unerlaubt.

Und einer reicht ja schon.

Man kann jetzt natürlich Wahrscheinlichkeitstheorien aufstellen, aber was mir so zu Ohren gekommen ist, hält das halb Deutschland für eine ernst zu nehmende Gefahr und dass Merkel sich dennoch entschieden hat, sogar unter Verletzung eines staatsvertraglichem Ordnungsgefüge, die Züge da hinzustellen, lässt sie natürlich nicht gut aussehen.

Vielleicht ist jetzt Zeit, ihre Persönlichkeit zu erforschen... 

 

@ MT:

 

Mind. einer der Attentäter, die sich selbst in die Luft gesprengt haben soll Syrier gewesen sein; erstregistriert in Griechenland. D.h. es ist sehr wahrscheinlich, dass er aufgrund der Weiterreisenlassens durch Gr und der permissiven Reaktion Deutschlands darauf nach Paris gelangen konnte.

 

 

Natürlich muss ein konkludentes Ersuchen nicht dem wirklichen Willen entsprechen, genausowenig wie bei expliziten Ersuchen. Aber die Handlung muss zumindest schlüssig sein, d.h. der Willen ein Asylersuchen abgeben zu wollen muss hinreichend SICHER erkennbar sein. Ersuchen und Antrag haben ja auch potentiell negative Folgen, deshalb kann der Wille Asylant zu sein nicht ausreichen, es muss auch der Erklärungswille erkennbar sein.

Was meinen Sie was ein normaler Flüchtling sagt, wenn Sie ihn fragen, ob er mit dem Einsteigen ein Asylersuch abgeben wollte? 

 

Nach den Bildern der Flüchtlingszüge nach deren Benutzung zu urteilen gab es darin wohl ohnehin keine Bundespolizei (oder sie hat sich anstatt Sachbeschädigungsstraftaten zu verfolgen und zu verhindern vor Angst auf den Toiletten eingeschlossen). Ich finde übrigens den Unterschied zu ihrem gedachtem Normalfall schon relevant, denn dann hätten die Behörden wenigstens eine Liste mit den Daten der Flüchtlinge und zudem schriftliche Asylersuchen. Aktuell weiss man ja nichtmal wieviele gekommen sind. Es ist der Unterschied zw. Ordnung und Chaos.

4

@MT

Noch eine Teilmenge gefunden.

Was ist mit Minderjährigen?

@Danny

Wir wissen zwar nicht viel über Details zu den Sonderzügen. Dem Vernehmen nach sollen sie aber von deutschen Behörden gestellt worden sein bzw. in ihrem Auftrag oder mit ihrer Zustimmung, und zwar für Flüchtlinge in Budapest und Wien. Wir wissen zwar nicht genau, welcher Zweck damit verbunden war und ob die Sonderzüge nur bestimmten Flüchtlinge galten und nach welchen Kriterien oder Verfahren Flüchtlinge von den österreichischen oder ungarischen Behörden in den Zug gesetzt wurden. Gewiss wollte man ihnen damit nicht nur helfen, die Wartezeit bis zur dortigen Registrierung zu überbrücken und sie in der Zwischenzeit quer durch Deutschland zu kutschieren, um ihnen die Schönheit unseres Landes schon mal zu zeigen. Ich denke, man darf auf einer verhältnismäßig sicheren Grundlage davon ausgehen, dass es sich um Asylsonderzüge gehandelt habe. 

Wer sich aber in einen Asylzug nach Deutschland setzt, der stellt damit auch ein Asylgesuch. Sicher kann man darüber streiten, ob das Asylgesuch den gesetzlichen Anforderungen entsprach, um die gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsgestattung auszulösen und damit die Erforderlichkeit der Passpflicht nach dem Aufenthaltsgesetz entfallen zu lassen. Aber, ich räume ein, da gibt es noch etwas, das mir widersprechen könnte und bevor wir weiter darüber streiten, sollten wir folgenden Beschluss des BGH 21.11.2002 (V ZB 49/02) doch nicht ganz ignorieren, der m.E. fehlerhaft ist, u.a. weil die dortigen Ausführungen zu Art. 16a GG so nicht korrekt sind und weil der BGH an der entscheidenden Stelle Asylgesuch mit Asylantrag verwechselt, indem er auf die Anforderungen der Schriftlichkeit des Antrags aus § 14 AsylG abstellt und dabei § 13 III 2 AsylG ("oder bei der Ausländerbehörde oder der Polizei um Asyl nachzusuchen") und das damit verbundene Ermessen übersieht, die Protokollierungspflicht verneint und den Zweck des Asylgesuchs völlig verkennt:

 

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Ger...

 

 

WR Kolos schrieb:

@Danny

Wir wissen zwar nicht viel über Details zu den Sonderzügen. Dem Vernehmen nach sollen sie aber von deutschen Behörden gestellt worden sein bzw. in ihrem Auftrag oder mit ihrer Zustimmung, und zwar für Flüchtlinge in Budapest und Wien. Wir wissen zwar nicht genau, welcher Zweck damit verbunden war und ob die Sonderzüge nur bestimmten Flüchtlinge galten und nach welchen Kriterien oder Verfahren Flüchtlinge von den österreichischen oder ungarischen Behörden in den Zug gesetzt wurden. Gewiss wollte man ihnen damit nicht nur helfen, die Wartezeit bis zur dortigen Registrierung zu überbrücken und sie in der Zwischenzeit quer durch Deutschland zu kutschieren, um ihnen die Schönheit unseres Landes schon mal zu zeigen. Ich denke, man darf auf einer verhältnismäßig sicheren Grundlage davon ausgehen, dass es sich um Asylsonderzüge gehandelt habe.

So wie ich das verstanden habe gab es die Sonderzüge aufgrund von Kapazitätsproblemen. Ich denke ein Grossteil ist mit normalen Zügen eingereist, nachdem die Kanzlerin mitgeeteilt hat, dass Sie möchte, dass Ungarn dem Verlangen der Flüchtlinge unregistriert weiterzureisen nachgibt.

 

Quote:

Wer sich aber in einen Asylzug nach Deutschland setzt, der stellt damit auch ein Asylgesuch.

Tut mir Leid, aber ich finde es weiterhin unverständlich warum die Anforderungen hier so viel geringer sein sollten als sonst allgemein bei Willenerklärungen.

 

In Bezug auf das u.g. Urteil würde ich da auch dem BGH zustimmen, denn in dem genanntem Fall hat der Ausländer nur gesagt, dass er gerne in Deutschland leben und arbeiten möchte. Er hat ja grade nicht gesagt, dass er politisch oder sonstwie verfolgt wird oder Schutz vor Verfolgung sucht. Anscheinend bringen die Schleuseragenturen den Flüchtlingen zwar bei das Wort Asyl zu sagen, aber das Verständnis worum es sich dabei handelt vermitteln Sie wohl nicht. Da müssen die Agenturen noch nachbessern, denn aktuell liegt die ganze Last sich Asylgründe auszudenken beim BAMF, das dem nur begrenzt gewachsen ist, wie man z.B. an den lustigen Begründungen in den Bewilligungsbescheiden bei syrischen Flüchtlingen sieht.  

 

Quote:

Sicher kann man darüber streiten, ob das Asylgesuch den gesetzlichen Anforderungen entsprach, um die gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsgestattung auszulösen und damit die Erforderlichkeit der Passpflicht nach dem Aufenthaltsgesetz entfallen zu lassen. Aber, ich räume ein, da gibt es noch etwas, das mir widersprechen könnte und bevor wir weiter darüber streiten, sollten wir folgenden Beschluss des BGH 21.11.2002 (V ZB 49/02) doch nicht ganz ignorieren, der m.E. fehlerhaft ist, u.a. weil die dortigen Ausführungen zu Art. 16a GG so nicht korrekt sind und weil der BGH an der entscheidenden Stelle Asylgesuch mit Asylantrag verwechselt, indem er auf die Anforderungen der Schriftlichkeit des Antrags aus § 14 AsylG abstellt und dabei § 13 III 2 AsylG ("oder bei der Ausländerbehörde oder der Polizei um Asyl nachzusuchen") und das damit verbundene Ermessen übersieht, die Protokollierungspflicht verneint und den Zweck des Asylgesuchs völlig verkennt:

 

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Ger...

 

Also im Ergebnis ist das in dem Fall sicher richtig, weil der Ausländer sich den Grenzkontrollen ja grade durch Einreise per Wald entzogen hat, also zweifellos unerlaubt eingereist ist ohne vorher um Asyl ersucht zu haben. Zur Erlangung einer Aufenthaltsgestattung nach nach unerlaubter Einreise verlangt §55 Abs. 1 Satz 3 ausdrücklich mehr als ein Asylgesuch, nämlich einen Asylantrag. Die zusätzlichen formalen Anforderungen die der Antrag ggü. dem Ersuchen hat sind also gewollt. 

Aus § 13 III 2 AsylG ergibt sich nur die Pflicht des Ausländers sich nach der unerlaubten Einreise bei der Polizei/etc. zu melden, aber daraus lässt sich nicht entnehmen dass dieses Ersuchen dann noch die gleiche Wirkung eines ordnungsgemäss vor der Einreise gestellten Ersuchen haben soll. Im Gegenteil: Nach § 19 Abs. 3 kann er sofort zurückgeschoben werden falls er aus einem sicherem Drittstaat unerlaubt eingereist ist.

Ich denke der BGH hat da nicht Ersuch und Antrag verwechselt, sondern eher seine Ansicht ausgedrückt, dass ein nachträgliches Ersuchen dem Ausländer nur begrenzt nützt. Dass die aus sicheren Drittstaaten unerlaubt einreisende Ausländer benachteiligt werden im Vergleich zu denen die sich vorher der Grenzbehörde stellen und denen die nicht aus sicheren Drittstaaten einreisen finde ich nicht grundrechtlich bedenklich. Nach dem GG wär wohl eher noch eine viel drastischere Behandlung erlaubt.

Ich bin erfreut, dasss das Urteil eher meine Auffassung stützt. Wo genau halten Sie das Urteil denn für fehlerhaft, in der Anwendung der einfachen Gesetze oder weil es das Asyl-Grundrecht verkennt? Ein Problem würde ich auch sehen, wenn sich das ganze vor der unerlaubten Einreise abgespielt hätte, aber auf den Fall lässt sich das Urteil wohl ohnehin nicht übertragen.

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Danny schrieb:

WR Kolos schrieb:

Wer sich aber in einen Asylzug nach Deutschland setzt, der stellt damit auch ein Asylgesuch.

Tut mir Leid, aber ich finde es weiterhin unverständlich warum die Anforderungen hier so viel geringer sein sollten als sonst allgemein bei Willenerklärungen.

 

Sind sie doch nicht. Wenn Sie sich in einen Zug setzen, dann nehmen sie den Antrag auf Abschluss eines Beförderungsvertrages an. Wenn ein Ausländer sich in einen Asylzug setzt, dann stellt er damit noch ein Asylgesuch. 

 

Der inhaltliche Unterschied zwischen einem (förmlichen) Asylantrag und einem (formlosen) Asylgesuch ergibt sich aus den Gründen für das Erlöschen der mit ihnen verbundenen Aufenthaltsgestattung in 67 AsylG. Mit dem Asylgesuch wird Aufenthalt zum Zwecke der förmlichen Antragstellung begehrt. Die Aufenthaltsgestattung entsteht kraft Gesetzes und erlischt kraft Gesetzes, wenn der Ausländer innerhalb von zwei Wochen, nachdem er um Asyl nachgesucht hat, noch keinen Asylantrag gestellt hat. Das Asylgesuch kann bei der Grenzbehörde, der Ausländerbehörde oder der Polizeibehörde gestellt werden. Die Behörde entscheidet dann über den faktischen Zugang zum förmlichen Asylverfahren. Dabei sind die in 16a GG enthaltenen Verfahrensgarantien zu beachten. Daraus ergibt sich, dass an das Asylgesuch keine hohen inhaltlichen und formellen Anforderungen gestellt werden dürfen, weil die asylgrundrechtlichen Verfahrensgarantien damit gänzlich leerlaufen könnten. Die Behörde kann zwar das Asylgesuch ablehnen wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit des beabsichtigten Asylantrags nach 18 II AsylG mit der Folge, dass die gesetzliche Aufenthaltsgestattung erlischt. Aber auch dafür bedarf es zunächst einmal eines Asylgesuchs.

Die Unterscheidung zwischen Asylgesuch und Asylantrag wird im AsylG nicht an allen Stellen strickt durchgehalten. Dazu gehört auch der 13 AsylG. Danach liegt ein Asylantrag vor, "wenn sich dem ... geäußerten Willen des Ausländers entnehmen lässt, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht oder dass er Schutz vor Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat begehrt, in dem ihm eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht." Der BGH hatte auf Vorlage des OLG Düsseldorf, das von der Rechtsprechung des OLG Köln abweichen wollte, darüber zu entscheiden, ob dies schon der Fall ist, wenn der Ausländer sich auf "Asyl" beruft. Der BGH verneinte das:

"Es kann deshalb nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß derjenige, der diesen Begriff verwendet, ihn gerade in dem durch § 13 Abs. 1 AsylVfG festgelegten Sinn versteht. Denkbar ist weiterhin, daß dem jeweils Betroffenen die Bedeutung des Wortes "Asyl" überhaupt nicht bekannt ist (vgl. den der Entscheidung OVG Münster, NVwZ-RR 1989, 390 zugrundeliegenden Sachverhalt). Ein Asylgesuch setzt daher mehr als die bloße Verwendung des Wortes "Asyl" voraus (OVG Münster, a. a. O; Marx, a. a. O, § 13 Rdn. 3)."

Der BGH übersah, dass es auf den "geäußerten Willen des Ausländers" ankommt und dieser sich auch im öffentlichen Recht nach den Auslegungsregeln von empfangsbedürftigen Willenserklärungen des BGB (133, 157 BGB) richtet. In der Regel kommt es auf den Empfängerhorizont an unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, insbesondere der wohl regelmäßig vorhandenen sprachlichen Mängel eines Ausländers. In der Regel dürfte aber jeder verständige Erklärungsempfänger das Begehren aus dem "geäußerten Willen des Ausländers" verstehen dürfen, wenn er sich auf "Asyl" beruft. Ob die Bedeutung des Wortes dem Ausländer tatsächlich bekannt ist, ist eine Frage des inneren Erklärungswillens und damit des Erklärungsirrtums. Sollten konkrete Anhaltspunkte für ein Abweichen zwischen dem inneren und geäußerten Willen vorhanden sein, dann sind sie von der Behörde durch Befragung im Wege der Anhörung zu ermitteln. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Ausländer zum einen Mitwirkungspflichten hat und zum anderen einen Anspruch auf rechtliches Gehör. Dieser wird durch die Verfahrensgarantie des 16a GG gedeckt. 

Gleichwohl macht es m.E. aus heutiger Sicht nicht unbedingt viel Sinn, über die Fehlerhaftigkeit der BGH-Entscheidung zu diskutieren, denn jedenfalls dürfte sie inzwischen aufgrund der Entwicklung des Gemeinschaftsrechts überholt sein. In unserer strafrechtlichen Diskussion wäre zu berücksichtigen, dass die unerlaubte Einreise und auch der unerlaubte Aufenthalt und damit Strafbarkeit des Ausländers sowie seines Gehilfen davon abhängig sein kann, ob die (ausdrückliche oder konkludente) Berufung auf "Asyl" den inhaltlichen Anforderungen an ein Asylgesuch genügt. Wenn man sich vor Augen hält, wie komplex und ungesichert die Beantwortung dieser Frage inzwischen geworden ist, dann kann man schon mal an den Punkt kommen, an dem man sich fragen müsste, wie das noch mit dem Bestimmtheitsgebot vereinbar sein kann. 

Bezüglich der Sonderzüge könnte sich die Frage über die inhaltlichen und formellen Anforderungen an ein Asylgesuch möglicherweise dadurch erledigt haben, als das BMI doch mitgeteilt habe, dass von 18 IV AsylG Gebrauch gemacht wurde. Mithin haben die Behörden entschieden, dass es sich um zulässige Asylgesuche gehandelt habe. Ihre Entscheidung ist wirksam und daher bindend, unabhängig davon, ob sie materiell-rechtlich korrekt war. 

WR Kolos schrieb:

Sind sie doch nicht. Wenn Sie sich in einen Zug setzen, dann nehmen sie den Antrag auf Abschluss eines Beförderungsvertrages an. Wenn ein Ausländer sich in einen Asylzug setzt, dann stellt er damit noch ein Asylgesuch. 

Also das ist mir neu. Bisher war ich immer der Meinung, ich würde mit dem Kauf der Fahrkarte den Vertrag abschliessen. Das Problem beim Einsteigen ist ja schon, dass dem Einstiegsvorgang nicht entnommen werden kann wo man wieder aussteigen will. Weil der Einstieg als Willenserklärung so mehrdeutig (und schwer vermittelbar) ist gibt es wohl auch Spezialgesetze fürs Bahnfahren (Bundeseisenbahntarif, die 60 EUR, etc).

 

Beantworten Sie doch mal meine Frage, was der Durchschnittsflüchtling ihrer Meinung nach sagen würde, wenn Sie ihn nach dem Einsteigen fragen ob er damit nach Asyl ersucht hat. Ohne Erklärungsbewusstsein wird man ihm wohl schwerlich Erklärungswillen unterstellen können.

(Mit Erklärungswillen meine ich übrigens nicht den Erklärungsinhalt, sondern den Willen überhaupt eine Erklärung abzugeben.)

 

Wenn sie die Regeln für empfangsbedürftige Willenserklärungen zugrundelegen, würde mich auch ihre Meinung interessieren, ob, von wem und wann diese empfangen wurde. Mangels Personal würde ich schätzen: von niemandem.

 

Das Problem bei dieser Diskussion ist wohl auch, dass die Interpretation von Handlungen allgemein sehr schwierig und subjektiv ist. Manche sehen GV als Heiratsversprechen. Früher sind auf diese Weise sogar viele (inländische) Flüchtlinge entstanden. Heute zum Glück nur noch im Erfolgsfall (Kindesunterhalt). Es würde mich deshalb nicht wundern, wenn wir uns da nicht einig werden. Was mich allerdings wundern würde wäre wenn die Mehrheit das so sieht.

Wenn nun auf dem Zug nicht ASYL draufsteht sondern APPLE iPhone Werbung, dann kauft der Ausländer durch das Einsteigen ein iPhone? Das würde zwar die Smartphone Proliferation erklären, aber es fällt mir sehr schwer im Einsteigen irgendeine Willenserklärung zu sehen, auch beim normalen Bahnfahren.  

Quote:

Dabei sind die in 16a GG enthaltenen Verfahrensgarantien zu beachten.

 

Welche Verfahrensgarantien für Ausländer, die aus der EU einreisen sind denn in 16a GG enthalten?

 

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@ Danny

Dann bleibt es wohl bei meinen anderen drei Punkten. Ich vermute mal nicht, dass derjenige zu einer § 18 Abs. 2 Nr. 3 AsylG genügenden Freiheitsstrafe in Deutschland verurteilt wurde. Außerdem beschreibt das wieder ein Problem des Schengen Systems, nicht eins des Flüchtlingsstroms. Der Mann wurde ja ordnungsgemäß in Griechenland ED-behandelt. Auf die Strafbarkeit der Bundeskanzlerin hat das m.E. keinen Einfluss. Entweder der Terrorist fällt unter die § 18 Abs. 4 AsylG Anordnung, damit fehlende Haupttat. Oder er fällt nicht unter die Anordnung, dann fehlt es am Vorsatz für § 96 AufenthG. Denn wenn der weit überwiegende Teil legal einreist, wird sich ein "billigen" wohl kaum auf die Illegalen erstrecken. Und "für möglich halten" muss die BKin bei der Einschätzung des BKA auch nicht, jedenfalls nicht mehr als ohne die Anordnung.

Was kann am Asyl nachsuchen denn negativ sein? Einen konkludenten Antrag behaupte ich nicht.

Was Ordnung und Chaos angeht: Ich habe nicht behauptet, dass es keinen Unterschied gibt. Allerdings bin ich der Meinung, dass Ordnung im Wesentlichen duch die ED-Behandlung hergestellt wird. Das unterschriebene Papier ist m.E. nicht entscheidend, weil da kann ja jeder eintragen, was er will.

@ Max Mustermann

Mit den Minderjährigen ist erstmal nichts, bis Sie mir sagen was mit denen sein soll. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass noch nie ein Minderjähriger in Deutschland um Asyl nachgesucht hat.

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@MT

Bei minderjährigen Flüchtlingen, die unbegleitet einreisen, erscheint mir das aber deswegen nicht unproblematisch, weil sie "zur Vornahme von Verfahrenshandlungen nach" dem AsylG (§ 12) nicht handlungsfähig sind - nicht einmal beschränkt. Zur Stellung eines förmlichen Asylantrags muss ihnen ein Vormund bestellt werden. Sollte das auch für das Asylgesuch gelten und ihnen kein Vormund bestellt werden, dann könnte das Asylgesuch nichtig sein mit der Folge, dass die gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsgestattung nicht ausgelöst wird. Eine grauenhafte Vorstellung. Aber wie lässt sich dieses Problem lösen? Kann die Entscheidung der Grenzbehörde über das Asylgesuch den Mangel heilen oder zumindest die Anwendung des AufenthG verdrängen?

Angenommen, der deutsche Staatsbürger B nimmt auf seinem Heimweg von Wien kommend zwei unbegleitete Flüchtlinge in seinem PKW auf, ein 15- und 17-jähriges Geschwisterpaar, das ihn darum bittet, und setzt sie bei der Grenzbehörde in Passau zunächst ab. Kann sich B strafbar gemacht haben, wenn die Grenzbehörde das Paar passieren lässt, ohne dass ein Vormund bestellt wurde?

Ja, es fehlt am Vorsatz, sowohl bei dem Geschwisterpaar als auch bei B. Dass aber überhaupt der objektive Tatbestand der unerlaubten Einreise vorliegen könnte und sie bis zur Stellung des förmlichen Asylantrags durch einen Vormund die gesetzliche Aufenthaltsgestattung nicht genießen oder gar sich unerlaubt aufhalten könnten, weil sie minderjährig sind und damit sogar einen Anspruch auf besondere Verfahrensrechte haben sollten, erscheint mir wenig befriedigend. Minderjährige wären damit schlechter gestellt als Erwachsene. Hinzu kommt, dass diejenigen, die ihnen Hilfe leisten (bei Einreise oder während ihres Aufenthalts), einer erhöhten Gefahr der Strafverfolgung ausgesetzt wären. 

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