BVerfG: Keine einstweilige Anordnung gegen Tarifeinheitsgesetz

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 12.10.2015

Das BVerfG hat den Antrag von drei Berufsgruppen-Gewerkschaften, die Geltung des sog. Tarifeinheitsgesetzes im Wege der einstweiligen Anordnung vorerst auszusetzen, abgelehnt. Dabei hat es sich jeder inhaltlichen Bewertung des neuen § 4a TVG und der mit ihm in das ArbGG eingefügten Verfahrensregelungen (Gesetz zur Tarifeinheit vom 3.7.2015, BGBl I S. 1130) enthalten und keine Stellung zu deren Vereinbarkeit mit der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) bezogen. Die Entscheidung beruht allein auf einer Interessenabwägung.

Es sei gegenwärtig nicht erkennbar, dass die Beschwerdeführer oder Dritte im Zeitraum bis zur Entscheidung in der Hauptsache kaum revidierbare oder irreversible Nachteile erleiden, weil die gesetzlich angeordnete Tarifeinheit schon vor Eintritt des Kollisionsfalls Wirkungen entfaltet (vgl. § 32 Abs. 1 BVerfGG). Insbesondere besäßen die Tarifvertragsparteien unterschiedliche tarifpolitische Möglichkeiten, eine zur Verdrängung des „Minderheiten-Tarifvertrages“ führende Tarifkollision zu vermeiden. Zudem sei nicht ausgeschlossen, dass verdrängte Tarifverträge auch für die Vergangenheit Geltung beanspruchten, falls die angegriffene Kollisionsregel für nichtig erklärt werden sollte.

Allerdings erkennt das BVerfG sowohl die besondere Eilbedürftigkeit der Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen als auch die verfassungsrechtliche Schutzbedürftigkeit der antragstellenden Gewerkschaften ausdrücklich anerkannt. Dies findet seinen Ausdruck zum einen in der Aussage, dass der Senat eine Entscheidung in der Hauptsache bereits bis zum Ende des kommenden Jahres anstrebt. Zum anderen weist der Senat ausdrücklich auf Folgendes hin:

Es bleibt den Beschwerdeführern unbenommen, bei einer erheblichen Änderung der tatsächlichen Umstände einen erneuten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu stellen (vgl. BVerfGE 91, 83 <91>; 122, 120 <132>). Die Sicherungsfunktion der einstweiligen Anordnung kann es auch rechtfertigen, dass der Senat ohne einen entsprechenden Antrag der Beschwerdeführer eine einstweilige Anordnung von Amts wegen erlässt (vgl. BVerfGE 1, 74 <75>; 1, 349 <350>; 46, 337 <338>).

BVerfG, Beschluss vom 6.10.2015 – 1 BvR 1571/15 u.a., BeckRS 2015, 52959

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