Generalstaatsanwaltschaft klärt auf: Was der Vorname HONG, Eisschnelllauf und die Unisextoilette mit dem Bußgeldbescheid zu tun haben...

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 18.09.2015
Rechtsgebiete: GStAHongStrafrechtVerkehrsrecht3|2440 Aufrufe

Ganz häufig finden Stellungnahmen einer GStA es nicht in die juristische Fachliteratur. Schade. Hier aber mal etwas, was es wert war. Die Betroffene mit dem Vornamen HONG war beim AG wegen einer GeschwindigkeitsOWi verurteilt worden. Sie meinte nun, der Bußgeldbescheid sei unwirksam, weil dieser an "Herrn" HONG... gerichtet war. Tatsächlich kann man das problematisieren. Die GStA dazu:

Der Bußgeldbescheid vom 7.2.2014 ist nicht deswegen unwirksam, weil er die falsche Geschlechtsanrede (hier: „Herr“ statt „Frau“) enthielt.

Aufgrund der Tatsache, dass wir zurzeit in einer „Trans-Gender-World" (mit Unisextoiletten in fortschrittlichen Universitäten, Rathäusern oder gar Ministerien, Unisexversicherungstarifen, Unisexfrisuren, Unisexparfums etc.) leben und die sog. Geschlechtsneutralität immer mehr um sich greift, ist die geschlechtliche Anrede heutzutage für viele modern denkende, emanzipierte Bevölkerungsteile unerheblich. So existieren auf unserem Planeten zahlreiche Männer, die sich als Frauen fühlen und zahlreiche Frauen, die sich als Männer fühlen. Die Geschlechtsanrede (Herr/Frau) lässt mithin allenfalls scheinbar auf das tatsächliche (biologische) Geschlecht schließen. Im Gegensatz zu den Personalien eines Menschen (Name, Geburtstag und -ort) erscheint die Geschlechtsbezeichnung – wenn überhaupt – nur von untergeordneter Bedeutung.

Davon abgesehen berühren mangelhafte Angaben zur Person in einem Bußgeldbescheid die Wirksamkeit desselben nicht, sofern sich die Identität des Betroffenen aus den vorhandenen Angaben zweifelsfrei ergibt (Göhler OWiG, 16. Aufl., § 66 Rn 4 a mwN). So verhält es sich hier.

Der Bußgeldbescheid richtete sich unzweideutig gegen die Betroffene Hong X. Der chinesische Vorname "Hong", der
keinen Namenstag kennt, lässt dabei zuvörderst auf eine (zumindest biologisch, s. o.) weibliche Trägereigenschaft schließen. Der Name stammt aus dem Mandarin und bedeutet „rot, erröten“. Er ist eher Mädchenname (Koseform: Hoshi). Die wohl bekannteste Persönlichkeit ist Hong Zhang, eine chinesische Eisschnellläuferin (u.a. Goldmedaillengewinnerin bei den Olympischen Spielen 2014 in der 1000 m Distanz).

Da der Bußgeldbescheid mithin keine ernsthaften Zweifel an der Identität der Betroffenen aufkommen lässt, ist er rechtsgültig.
Die Tat ist daher auch nicht verjährt. Überdies gilt im Rechtsbeschwerdezulassungsverfahren die verjährungsausschließende Regelung des Paragraphen 80 Abs. 5 OWiG: Etwaige Verfahrenshindernisse sind nur dann beachtlich, wenn sie nach Erlass des Urteils eingetreten sind. Dies ist bei der vermeintlichen Verjährung im vorliegenden Fall nicht so.
Soweit die Bußgeldbehörde im Laufe des Verfahrens (nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid durch den Verteidiger der Betroffenen und vor Abgabe der Bußgeldsachen an das AG) mitgeteilt hat, die Geldbuße sei „vollständig beglichen“, ist auch dieser Umstand unerheblich. Zum einen liegt ein Rechtsmittelverzicht nicht schon darin, dass die Betroffene die festgesetzte Geldbuße bezahlt (vgl. LG Hannover MDR 1950, MDR Jahr 1950 Seite 630; OLG Köln VRS 41, VRS Band 41 Seite 440; OLG Stuttgart DAR 1998, DAR Jahr 1998 Seite 29). Zum anderen wäre ein entsprechendes Verfahrenshindernis aber auch unbeachtlich (§ OWIG § 80 Abs. OWIG § 80 Absatz 5 OWiG, s. o.). Eine Nachprüfung des amtsgerichtlichen Urteils ist dem Rechtsbeschwerdegericht verwehrt, solange es die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat.
Gründe, die Rechtsbeschwerde im vorliegenden Fall zuzulassen, sind allerdings nicht ersichtlich. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde richtet sich allein nach § OWIG § 80 OWiG, so dass die Rechtsbeschwerde nur (allein) zur Fortbildung des Rechts zuzulassen wäre. Eine Fortbildung des Rechts kommt nur bei Rechtsfragen in Betracht, die entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und als abstraktionsfähige von praktischer Bedeutung sind (Göhler aaO, § 80 Rn 3). Solche Rechtsfragen stellen sich vorliegend nicht.

GStA Naumburg, NStZ 2015, 527

Wer nun lächeln will, möge das tun...

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