Verfahren nach § 154 StPO eingestellt. Der Geschädigte ärgert sich. Er kann keine Wiederaufnahme verlangen!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 12.09.2015

Die Überschrift sagt alles. Der Geschädigte hat keine Möglichkeit, nach einer Einstellung nach § 154 StPO die Wiederaufnahme des Verfahrens durchsetzen zu können:

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift vom 25.6.2015 unter anderem Folgendes ausgeführt:

„Ungeachtet der Tatsache, dass es für die Wiederaufnahme von nach § 154 Abs. 2 StPO ausgeschiedenen Verfahrensteilen des Antrags eines Verfahrensbeteiligten nicht bedarf, war das vom Beschwerdeführer formulierte Begehren als prozessualer Antrag vorliegend bereits unstatthaft, weil nach der Konzeption der §§ 153 ff. StPO Rechtsbehelfe des Verletzten - zumal eines solchen, der nicht als Nebenkläger an der Hauptverhandlung beteiligt ist - gegen eine unter Opportunitätsgesichtspunkten getroffene Einstellungsentscheidung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts nicht vorgesehen sind. Dann kann dem Verletzten aber auch kein Recht zur Beantragung der Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 4 StPO - als „actus contrarius" zu einer getroffenen Einstellungsentscheidung - zustehen.

Im Falle der gerichtlichen Entscheidung gemäß Absatz 2 kann schon eine Anhörung und Benachrichtigung des Verletzten grundsätzlich nur dann erfolgen, wenn er als Nebenkläger am Verfahren beteiligt ist. Ihm soll aber selbst dann - nach allgemeiner Auffassung - ein Rechtsbehelf gegen die Ausscheidung der ihn betreffenden Verfahrensteile nicht zustehen. Dies wird insbesondere mit § 400 Abs. 2 S. 2 StPO begründet (zu vgl. SK/StPO-Weßlau, a.a.O., Rn. 50; KMR-Plöd, StPO, § 154 Rn. 26; HK-Gercke, StPO, 5. Aufl., § 154 Rn. 13). Allenfalls die Staatsanwaltschaft und der Privatkläger können unter bestimmten Umständen zur Anfechtung einer Einstellungsentscheidung gemäß § 154 Abs. 2 StPO berechtigt sein (vgl. zum Meinungsstand insoweit HK-Gercke, a.a.O., § 154 Rn. 13, 19, und Meyer-Goßner, StPO, 57.Aufl., § 154 Rn. 24)“.

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an. Der Umstand, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 4 StPO unzulässig war, hat aber nicht zwangsläufig zur Folge, dass auch die Beschwerde gegen die Verwerfung eines solchen Wiederaufnahmeantrags als unzulässig zu verwerfen ist, wie es im vorliegenden Verfahren von der Generalstaatsanwaltschaft beantragt worden ist. Ob der Staatsanwaltschaft gegen den eine Wiederaufnahme nach § 154 Abs. 4 StPO ablehnenden Beschluss das Recht der Beschwerde zusteht oder nicht, ist streitig (vgl. zum Meinungsstand Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 154 Rn. 24, OLG Hamm, Beschluss vom 05.06.2008 - 1 Ws 254/08 -, BeckRS 2008, 14254). Diese Frage bedarf hier jedoch keiner abschließenden Entscheidung, eben so wenig, ob bei einer Verneinung dieser Frage ein Beschwerderecht eines nicht am Verfahren Beteiligten - wie es hinsichtlich des Beschwerdeführers der Fall ist - erst recht ausgeschlossen ist, wovon wohl die Generalstaatsanwaltschaft ausgeht, da sich die Beschwerde jedenfalls aus den - oben wiedergegebenen - zutreffenden Ausführungen in der Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft Hamm vom 25.06.2015, darüber hinaus aber auch aus dem von der Strafkammer in dem angefochtenen Beschluss angeführten Grund, des Ablaufs der Ausschlussfrist des § 154 Abs. 4 StPO, als unbegründet erweist.

Oberlandesgericht Hamm, Beschl. v. 30.7.2015, 1 Ws 305/15

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1 Kommentar

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> Verfahren nach § 154 StPO eingestellt. Der Geschädigte ärgert sich. Er kann keine Wiederaufnahme verlangen!

Stimmt, die Überschrift sagt viel im Gegensatz zum Rest ihres Kommentars.

Wie wird denn aus rechtlicher Sicht begründet, dass ein Geschädigter offensichtlich benachteiligt wird, weil er für die ihm geschehene Rechtsverletzung kein rechtliches Gehör erhält, obwohl die Rechtsverletzung dem Angeschuldigten nachgewiesen werden kann?

Es geht mir nicht um den Wortlaut des Gesetzes, sondern um die Auslegung der Rechtsnorm im Bezug auf die deutsche Straftheorie (Vergeltungstheorie innerhalb der Vereinigungstheorie).

Eine unter Opportunitätsgesichtspunkten getroffene Einstellungsentscheidung scheint hier ein strafrechtliches Vakuum für den Geschädigten zu verursachen. Da dem Geschädigten selbst die Beschwermöglichkeit genommen wird, bleibt diesem letztendlich nur die Selbstjustiz.

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