In Celle ist man sich nicht einig

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 01.09.2015
Rechtsgebiete: Familienrecht28|5703 Aufrufe

Gemäß § 1626 a BGB überträgt das Gericht beiden Elternteilen eines nichtehelichen Kindes die gemeinsame elterliche Sorge, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht (negative Kindeswohlprüfung).

Hat diese Neufassung des § 1626a BGB auch Auswirkungen auf Kinder, für die die gemeinsame elterliche Sorge aufgrund Ehe oder Sorgerechtserklärung bereits besteht, wenn ein Elternteil die Alleinsorge anstrebt?

Gibt es ein Leitbild „gemeinsame elterliche Sorge“ für alle Kinder?

Diese Frage ist – wer die Juristen kennt, ahnt es schon – umstritten.

Am OLG in Celle sind sich die Senate untereinander nicht einig:

Der 10. Senat bejaht dies (OLG Celle, Beschluss vom 16.01.2014 - 10 UF 80/13).

Anders hingegen der 15 Senat, der meint,  auch nach Erlass des Gesetzes zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern von 16. April 2013 bestehe bei bestehender gemeinsamer elterlicher Sorge kein Leitbild dahin, dass deren Fortbestand gegenüber der Alleinsorge im Sinne eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses vorzugswürdig ist.

Prüfungsmaßstab sei vielmehr allein, welche Regelung aus Gründen des Kindeswohls zu treffen ist. Mindestvoraussetzung für den Fortbestand der gemeinsamen elterlichen Sorge ist neben den eben genannten Kriterien die objektive Kommunikationsfähigkeit und subjektive Konsensbereitschaft der Kindeseltern.

Das von der Gegenansicht nunmehr zusätzlich geforderte Merkmal, dass das Kind bei bestehender schwerwiegender und nachhaltiger Störung der Kommunikation der Eltern und nicht möglicher gemeinsamer Entscheidungsfindung erheblich belastet würde, wenn seine Eltern gezwungen würden, die elterliche Sorge gemeinsam auszuüben

sei abzulehnen.

OLG Celle, Beschluss vom 14.08.15 – 15 UF 44/15

Es macht also einen Unterschied, ob man in Hannover oder Hildesheim lebt

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28 Kommentare

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So falsch wie es damals war, dem Vater ohne Kindeswohlprüfung das gemeinsame Sorgerecht zu verweigern, so falsch wäre es heute, ihm dieses allein aufgrund eines "Leitbildes" zu übertragen. Maßgeblich sind immer die Umstände des Einzelfalls. 

St. Rspr. des BVerfG, siehe u.a. BVerfG 1 BvR 692/92:

Die Gerichte müssen sich daher im Einzelfall um eine Konkordanz der verschiedenen Grundrechte bemühen. [...] Diesen Anforderungen werden die Gerichte nur gerecht, wenn sie sich mit den Besonderheiten des Einzelfalles auseinandersetzen ...

https://www.jurion.de/Urteile/BVerfG/1993-02-18/1-BvR-692_92

Eine auf dem Leitbild "gemeinsame elterliche Sorge" beruhende Entscheidung wird diesen Anforderungen nicht gerecht.

Sehr geehrter Herr Kolos,

die Verweigerung "damals", also bis 2010, war offensichtlich menschenrechtswidrig und verfassungswidrig. ImÜbrigen von der Mehrheit der Juristen im Familienrecht getragen oder zumindest nicht in Frage gestellt. Vor 2013 war es sehr schwer und vor 2010 fast ausgeschlossen, überhaupt einen Anwalt dafür zu gewinnen eine Antrag auf GSR zu stellen, was ja Voraussetzung für den Weg durch die Instanzen zur Verfassungsbeschwerde oder EGMR-Prüfung ist. Ohne Anwalt ist das kaum möglich. Mir ist vor dem Gesetz von 2013 nur Verweigerung und Belehrungen von Fachanwälten für Familienrecht bekannt geworden. Rechtsanwalt Rixe, der fast alle wesentlichen Themen für Väterrechte beim EGMR und BVerfG vertrat, ist eine Ausnahme von der Regel.

Wenn ich mich richtig entsinne, gab es dann um 2013 als Gesetzesvorschlag auch die Lösung: Gemeinsame Sorge ab Vaterschaftsanerkennung oder Geburt des Kindes. Wäre das denn verfassungswidrig? Wessen Grundrechte wären damit verletzt?

Der Entzug des (alleinigen) Sorgerechts wegen Kindeswohlgefährdung ist erklärtermaßen einer der schwerwiegendsten Eingriffe in das Elternrecht. Warum sollte also der Entzug bei einem gemeinsamen Sorgerecht ein milderes Mittel für den bisherigen Grundrechtsträger sein?

Wie grenzen sich Verweigerer eines "Leitbildes" von einer (weiterbetriebenen) Missachtung des Grundrechtes ab? Ist dafür die übliche Begründung: "Die gemeinsame Sorge sei mit dem Wohl des Kindes unvereinbar. Die erforderliche Kooperationsfähigkeit der Eltern fehle. Es könne dahinstehen, welcher Elternteil dafür verantwortlich sei." (Beschluss des Amtsgerichts Perleberg vom 25. Februar 2015 s.a. http://blog.beck.de/2015/08/13/deutliche-worte-aus-brandenburg) im Gegensatz zur Rspr. des BVerfG 1 BvR 692/92 (siehe Zitat) zur Einzelfallprüfung als Lackmus-Test anwendbar?

Warum muss dem konkreten Vater, der mit der Vaterschaftsanerkennung sich auch zu Pflichten und Rechten bekennt, zunächst pauschaliert unterstellt werden, dass er zu einer gemeinsamen Sorge möglicherweise nicht befähigt wäre? Pflichten ja, Rechte nur auf staatliche Zuweisung? Fördert das Gerichtsverfahren, egal ob vereinfacht oder streitig die familiären Bindungen und die wirtschaftliche Potenz der Betroffenen? Worum geht es wirklich? Wer hat etwas davon, dass die lt. Grundgesetz gleichberechtigten Geschlechter ihr Elternrecht nicht vom Lebensbeginn des Kindes an, gleichberechtigt und ohne Diskriminierung ausüben dürfen, solange es keine Zustimmung der Mutter gibt? Anwälte, Sachverständige, Beistände, Jugendämter, Gerichte, der Staat? Eine Kindeswohlgefährdungsprüfungs-Verantwortungsgemeinschaft, also die Nachwächter der menschenrechts- und grundrechtswidrigen Rechtsprechung bis 2010 bzw. 2013?

Gibt es wesentliche Unterschiede zwischen "damals falsch" und nun "Leitbild-falsch", Herr Kolos?

Herr Kolos, ich verstehe Ihre juristische Logik zu diesem Thema nicht, dabei sind Sie mir bei anderen Themen als konsequent logisch und rechtssicher bekannt.

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Herr Kolos, sie wissen aber schon dass, wir nicht mehr im Jahre 1993 stehen geblieben sind?

Entscheidend für den Entzug des Sorgerechts ist: „gravierend schädigendes Erziehungsversagen“.
Das schließt den üblichen Mißbrauch über das Kommunikationsversagen aus. Unstrittig ist, dass es andere Wege der Information/Kommunikation zwischen Eltern gibt die funktionieren.
E-Mail Verkehr oder ein Wechselheftchen sorgen in den meisten Fälle dafür, dass jegliche Emotionen/Entwicklungen bei der Übergabe ausgeschlossen werden.
Das Bundesverfassungsgericht sprang mit seinem Beschluss aus der Verfassungsbeschwerde mit dem Aktenzeichen Az. 1 BvR 1178/14 auf die Seite der erziehungsberechtigten Eltern. Diese müssen ihre Erziehungsfähigkeit nicht positiv unter Beweis stellen und der Staat habe Zurückhaltung  gegenüber den Erziehungs-Einstellungen der Eltern zu üben.
Quelle: http://www.zeit.de/gesellschaft/familie/2014-11/sorgerecht-verfassungsge...

@Deutschlands Väter

Mir ist durchaus bewusst, dass in 1993 die Ansprüche des mit der Mutter des Kindes nicht verheirateten Vaters damals noch verfassungsrechtlich falsch beurteilt wurden und gesetzlich nicht geregelt waren. Die Neuregelung hat aber weder das gemeinsame Sorgerecht noch das Kindeswohl als Entscheidungsmaßstab neu erfunden. Das gab es doch schon damals. Das Recht des von der Mutter getrennten oder geschiedenen Vaters auf Beibehaltung der gemeinsamen Sorge für das Kind kann doch aber nicht anders sein, als das Recht des nicht verheirateten Vaters auf Übertragung. Das übersehen einige neu betroffenen und von der Neuregelung leicht geblendeten Väter, wenn sie meinen, dass die gesamte Rechtsprechung zum Sorgerecht inzwischen überholt sei. 

Was auf jeden Fall überholt sein sollte, das sind "Leitbilder": "Das Kind gehört zur Mutter" oder "Gemeinsame Sorge geht vor Alleinsorge". Sie sind auch völlig überflüssig. Denn das muss sich eben aus den Umständen des Einzelfalls ergeben.

Sie schreiben:

Entscheidend für den Entzug des Sorgerechts ist: "gravierend schädigendes Erziehungsversagen". Das schließt den üblichen Mißbrauch über das Kommunikationsversagen aus.

Das ist doch aber ein anderes Problemfeld. Das betrifft doch nur die Entscheidungen nach 1666 BGB wegen Kindeswohlgefährdung. 

Das "Kommunikationsversagen" ist schon ein Thema für sich, das einer besonderen und differenzierten Betrachtung bedarf. Ein Senat beim OLG Brandenburg - wie Herr Burschel schon berichtete - hat damit einen Anfang gemacht und die weitere Beschwerde zum BGH zugelassen. Es wäre gut, wenn die Mutter davon Gebrauch gemacht hätte. Denn ansonsten ändert seine Rechtsprechung nur etwas in dem Bezirk, für den der Senat zuständig ist.

Damit kommen wir aber schon zu dem eigentlichen Thema, um das es hier offensichtlich geht. Fakt ist, dass zwei Senate eines Oberlandesgerichts sich in ihrer Rechtsprechung unterscheiden können. Folge: Anträge aus Hannover werden anders beschieden als Anträge aus Hildesheim, obwohl sie alle in die Zuständigkeit eines Oberlandesgerichts fallen. Das ist doch kein Zustand, mit dem man zufrieden sein kann, oder?

Das Elternrecht und die Pflicht von Geburt an für sein Kind zu sorgen betrifft Vater wie Mutter gleichermaßen. In erster Linie Sorge durch Betreuung (Naturalunterhalt).
Wie kann es sein, dass Väter dafür erst Dritte um Erlaubnis fragen müssen? Väter, ob verheiratet oder nicht, geraten mit der Mutter in Konflikt, wenn sie ihre Lebensaufgabe ernst nehmen und für das eigene Kind ein guter Vater sein wollen? Was beabsichtigt der Gesetzgeber damit? Was bewirkt diese künstlich provozierte Auseinandersetzung bei den Kindern?

Dürfen Menschenrechte und Ansprüche an das Leben "aus den Umständen zum Einzelfall" stilisiert werden?
Dann ist jeder Vater der nach der Geburt seines Kindes beim Standesamt die Vaterschaftsurkunde unterschreibt und damit automatisch (Normalfall) das Sorgerecht für sein Kind ausüben würde, unter den derzeitigen Rahmenbedingungen ein Einzelfall? Das kann nicht Ihr Ernst sein!

Ein Formular, eine Unterschrift, ein Bekenntnis und der Gesetzgeber, zweifelt dies pauschal an?

Es ist traurig festzustellen, dass es bei einigen Gerichten noch immer nicht angekommen ist, JA es gibt spätestens seit 2013 das Leitbild „gemeinsame elterliche Sorge“ für ALLE Kinder, was sich eben nicht auf ledige Väter beschränkt, sondern auch für die Eltern gilt, die das GSR bereits ausüben.
Daher ist es ja auch im Grundsatz richtig: "Gemeinsame Sorge geht vor Alleinsorge", weil allein die Aussicht das andere Elternteil aus der Verantwortung kicken zu können, zur Entfremdung führt. Da aber das Kindesinteresse auf Elternerhalt oberste Priorität hat, ist der Wunsch auf Alleinsorge nachrangig und dem GSR untergeordnet.

@Lutz Lippke

"Meine" juristische Logik liegt in der Beachtung der Rechtsprechung. Man sollte die Rechnung eben nicht ohne den Wirt machen. Dass die familiengerichtliche Rechtsprechung "logisch" sei, das habe ich niemals behauptet. Zumal sie nicht einmal einheitlich ist, nicht einmal innerhalb eines Oberlandesgerichts. Möglicherweise ist das der Knackpunkt.

Sie Schreiben:

Warum muss dem konkreten Vater, der mit der Vaterschaftsanerkennung sich auch zu Pflichten und Rechten bekennt, zunächst pauschaliert unterstellt werden, dass er zu einer gemeinsamen Sorge möglicherweise nicht befähigt wäre?

Das tut doch aber niemand, oder? Wenn es Anhaltspunkte für fehlende Erziehungsfähigkeit gäbe, dann würde sich der Antrag schon von allein erledigen. Anders liegt es, wenn der betreuende Elternteil nicht erziehungsfähig ist, z.B. wegen der ihm fehlenden Bindungstoleranz. Dieser Umstand ändert entgegen der Theorie in der Praxis nichts an seinem Sorgerecht. Sie wird durch die enge Bindung des Kindes kompensiert. Das wird dann mit "eingeschränkter Erziehungsfähigkeit" umschrieben, was so logisch ist wie "ein bisschen schwanger". 

WR Kolos schrieb:

@Lutz Lippke

"Meine" juristische Logik liegt in der Beachtung der Rechtsprechung. Man sollte die Rechnung eben nicht ohne den Wirt machen. Dass die familiengerichtliche Rechtsprechung "logisch" sei, das habe ich niemals behauptet. Zumal sie nicht einmal einheitlich ist, nicht einmal innerhalb eines Oberlandesgerichts. Möglicherweise ist das der Knackpunkt.

Sie Schreiben:

Warum muss dem konkreten Vater, der mit der Vaterschaftsanerkennung sich auch zu Pflichten und Rechten bekennt, zunächst pauschaliert unterstellt werden, dass er zu einer gemeinsamen Sorge möglicherweise nicht befähigt wäre?

Das tut doch aber niemand, oder? Wenn es Anhaltspunkte für fehlende Erziehungsfähigkeit gäbe, dann würde sich der Antrag schon von allein erledigen. Anders liegt es, wenn der betreuende Elternteil nicht erziehungsfähig ist, z.B. wegen der ihm fehlenden Bindungstoleranz. Dieser Umstand ändert entgegen der Theorie in der Praxis nichts an seinem Sorgerecht. Sie wird durch die enge Bindung des Kindes kompensiert. Das wird dann mit "eingeschränkter Erziehungsfähigkeit" umschrieben, was so logisch ist wie "ein bisschen schwanger". 

Sehr geehrter Herr Kolos,

lassen Sie uns trotz oder gerade wegen des Wirtes mit dem Grundgesetz beginnen, denn die Beachtung der Rechtsprechung bis mindestens 2010 führte zu vielen grundrechtswidrigen Beschlüssen im Familienrecht. Ob der Staat das Grundgesetz mit seiner Wirts-"Logik" gerade achtet oder nicht, ist ziemlich ungewiss. Im Übrigen ist der Wirt nach dem Grundgesetz Dienstleister des Volkes, auch wenn das u.a. deutsche Richter nicht gern hören und befolgen mögen.

Das Grundgesetz gibt auch die Rechte der einzelnen Bürger vor. (Nach Auffassung von Richtern nur als Mindestschutz)

Art. 1: Würde des Menschen, Menschenrechte, unmittelbar geltendes Recht - Anm: dazu gehört wohl für Eltern, sich verbal/schriftlich streiten zu dürfen oder dies möglicherweise in der Zukunft zu tun, ohne allein deswegen Elternrechte versagt oder entzogen zu bekommen

Art. 2: freie Entfaltung der Persönlichkeit unter Beachtung der Rechte Anderer und der Sitten, Unversehrtheit, Freiheit - hier ist wohl das Kindeswohl verortet, aber auch das Persönlichkeitsrecht Vater zu sein, außer bei Vergewaltigungen, unmittelbarer Gewaltätigkeit, Ausnahmetatbestände bei Vaterschaftsfeststellung/ Geburt ist nach m.M. der allgemeine Vorbehalt zum Elternrecht gegenüber dem nichtverheirateten Vater eine Grundrechtsverletzung

Art.3: Gleichberechtigung, Diskriminierungsverbot!!! - ????

Art.6: Schutz von Ehe und Familie, Pflege und Erziehung sind das natürliche Recht der Eltern und obliegende Pflicht. Trennung von Kindern nur bei Versagen oder Verwahrlosung. Uneheliche Kinder gleiche Bedingungen!!!

....

Meine Logik: Daran sind die Gesetze und die Rechtsprechung gebunden (Art. 1). Die familiengerichtliche Rechtsprechung und sogar die Gesetze müssen sich logisch, also schlüssig mit den Grundrechten vertragen. Tun sie das wirklich?

Offizielle Gründe für die Verhinderung des GSR von Geburt an, war der Mutterschutz und die Frage, ob Väter allgemein gewillt und fähig zur Elternschaft sind. Dürftigere Argumente als die zugunsten eines Antragsverfahren findet man kaum.

Ich behaupte sowieso, das vielmehr inoffizielle Gründe entscheidend für die Durchsetzung des  Antragsverfahrens waren und die aktuelle Rechtsprechung zumindest überwiegend in alte Muster verfällt oder dies anstrebt. Denn es ist die Wirtsindustrie im Familienrecht, die ihre Besitzstände verteidigt. Das Kindeswohl ist in dieser Logik ein Wirtschaftsgut. Wenn Sie diese Logik des Wirtes als Grundlage einer Analyse nehmen, dann lassen Sie doch das Grundgesetz gleich ganz weg.

 

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@Deutschlands Väter

Es ist traurig festzustellen, dass es bei einigen Gerichten noch immer nicht angekommen ist, JA es gibt spätestens seit 2013 das Leitbild „gemeinsame elterliche Sorge“ für ALLE Kinder, was sich eben nicht auf ledige Väter beschränkt, sondern auch für die Eltern gilt, die das GSR bereits ausüben.

Erstens dürfte das immer noch eine Mindermeinung sein. Zweitens ist sie falsch.

Daher ist es ja auch im Grundsatz richtig: "Gemeinsame Sorge geht vor Alleinsorge", weil allein die Aussicht das andere Elternteil aus der Verantwortung kicken zu können, zur Entfremdung führt. Da aber das Kindesinteresse auf Elternerhalt oberste Priorität hat, ist der Wunsch auf Alleinsorge nachrangig und dem GSR untergeordnet.

Da haben Sie doch schon mögliche Umstände des Einzelfalls beschrieben. Wenn es aber in einem konkreten Fall so sein sollte, brauchen Sie doch kein "Leitbild" mehr.

Sehr geehrter Herr Lippke,

ich kenne zwar nicht die aktuelle Statistik. Aber noch vor Kurzem waren Verfassungsbeschwerden aus dem familiengerichtlichen Bereich die häufigsten und die erfolgreichsten. Ich denke, daran dürfte sich immer noch nichts geändert haben. Überragend im statistischen Vergleich sind außerdem die Menschenrechtsbeschwerden. Außerdem sind mir einige Nichtannahmeentscheidungen bekannt über eigentlich aussichtsreiche Fälle, in denen aber das richtige Grundrecht nicht (substantiiert) gerügt wurde. Das bedeutet aber nicht, dass generell und alles, was die Familiengerichte entscheiden, gleich unter dem Verdacht der Verfassungswidrigkeit oder der Menschenrechtsverletzung steht. Fachgerichtliche Entscheidungen nach Maßgabe von "Leitbildern" sind jedenfalls sehr bedenklich.

Sehr geehrter Herr Kolos,

Sie schrieben: "Fachgerichtliche Entscheidungen nach Maßgabe von "Leitbildern" sind jedenfalls sehr bedenklich."

Soweit Sie damit meinen, das Entscheidungen sich am konkreten Einzelfall orientieren müssen, stimme ich Ihnen absolut zu. Die implizite Vorgabe von Verfahrensergebnissen durch "in der Regel", "im Allgemeinen" und in diesem Sinne sicher auch "Leitbildern" verstellt in der Praxis aus Gründen der Bequemlichkeit und dem Hang zum Üblichen leider oft die Prüfung des Einzelfalls. Es wird dann in Entscheidungen die Regel aus Gesetz oder Rechtsprechung zitiert und als Bezug zum Einzelfall so etwas wie "so ist es auch hier", "wie hier" oder "es sind keine Gründe erkennbar, die ein Abweichen von der Regel ..." dargeboten. Das Begründungs-Sparen (Geiz ist geil) zu Gegenargumenten unterstützt dann den Siegeszug der "Regelentscheidung" durch die Instanzen. Der Einzelfall bleibt "regelmäßig" auf der Strecke. 

Was die Bindung an die Menschenrechte, Grundrechte und Verfahrensgrundsätze betrifft, sehe ich klare Leitbilder aber als wesentlich an. Schon um dem Hang zur Manipulation bei unbequemen Fällen zu begrenzen. Dazu gehören die tatsächliche Gewährleistung fairer Ausgangsbedingungen vor und während Gerichtsverfahren. Die ungleichen Startbedingungen zum elterlichen Grundrecht zwischen Mutter und Vater sehe ich von daher als sehr problematisch an. Sieger und Verlierer stehen vorher schon fest. Kinder wollen keine Verlierer sein und verlieren aber fast immer. Verfahren zu Umgang und Sorge sollen zunächst vermitteln und Einigung befördern. Das ist bei ungleichen Vorbedingungen und Rechten schon eine Herausforderung und kann nur durch faire und klar an Verfahrensgrundsätzen orientierte Verfahrensführung wieder etwas ausgeglichen werden. Es geht also nicht nur um das Problem Gesetze und Rechtsprechung zum Verfahrensgegenstand, sondern wesentlich auch um die Einhaltung fairer und verbindlicher Bedingungen während familiengerichtlicher Verfahren. Die Verfahren sind i.d.R. nicht öffentlich. Eine Evaluation und Diskussion findet faktisch nicht statt.

Ich kann Eltern, die zwischen außergerichtlicher Einigung und der Klärung vor Gericht hin und her schwanken, nicht empfehlen auf die faire gerichtliche Klärung zu hoffen. Alles was außerhalb des Gerichts erträglich und abschließend zu vereinbaren geht, schützt bei "Verzicht aufs Gericht" beide Elternteile und natürlich betroffene Kinder vor dem desillusionierenden Gerichtsalltag mit wenig Bezug zum Leben. Damit will ich jedoch Eltern, die vor Gericht gehen oder gegangen werden, nicht unterstellen, das diese streitsüchtig sind. Übrigens auch ein "Leitbild", das zwar informell aber deutlich sichtbar aus allen möglichen Rechtsmeinungen hervorlugt.  

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Der Entzug der bestehenden elterlichen Sorge stellt den schärfsten Eingriff in das Elternrecht dar.
Das Recht zur Ausübung der elterlichen Sorge ist ein besonderer Ausfluss der in Art. 6 GG normierten Elternrechte. Danach soll die Erziehung der Kinder Recht und Pflicht der Eltern sein.

Wenn das Kindeswohl gefährdet ist, also nur nach §1666 BGB, kann das Sorgerecht einem Elternteil oder den Eltern insgesamt entzogen werden.

Im Verfahren über den Entzug der elterlichen Sorge hat auch der Kindeswille Beachtung zu finden, jedoch nicht uneingeschränkt.
Dies wird in der nun veröffentlichten Entscheidung des 4. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichtes Hamm vom 22.06.2015 - 4 UF 16/15 deutlich.

Hier hat der Senat des Oberlandesgerichtes den Sorgerechtsentzug im Wege der einstweiligen Anordnung abgelehnt, obwohl der Kindeswille entgegenstand. Im Raum stand ein Schlag des Kindesvaters. Dieser stelle zwar eine Kindeswohlgefährdung dar. Allerdings überwiege hier das Elternrecht. Gerade in einem Eilverfahren wie dem Verfahren über die einstweilige Anordnung könne kein Sorgerechtsentzug stattfinden, nur weil sich das Kind dies wünsche. Zwar stelle auch die Überwindung eines stark ausgeprägten Kindeswillen eine Kindeswohlgefährdung dar, allerdings überwiege hier das Elternrecht aus Art. 6 GG.

@#11

Ich glaube die Vermischung von Problemfällen besonderer Ausprägung mit Grundsatzfragen verwirrt nur. Ich habe den Beschluss des OLG Hamm nur angelesen. Es geht wohl um ganz andere Fragen als hier im Beitrag und gerade in dem Einzelfall wohl vor allem Sorgfalt und ein gutes Gespür für Ursachenforschung und Lösungswege. Man kann für die am Verfahren Beteiligten nur hoffen, dass Unvoreingenommenheit und Professionalität zu den notwendigen Übergangshilfen und damit zur Lösung führen. Ein wichtiges Thema ist m.E. in diesem Zusammenhang die Durchsetzung der prozessualen Wahrheitspflicht. Aber damit sieht es allgemein nicht gut aus, nicht nur im Familienrecht.  

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Sehr geehrter Herr Lippke,

Sie vergleichen Entscheidungen aufgrund von "Leitbildern" mit

... Gründen der Bequemlichkeit und dem Hang zum Üblichen ...

Das ist auch ein sehr zutreffender Vergleich. Dazu der Fall aus BVerfG - 1 BvR 1265/08: 

Die Mutter des Kindes trennte sich vom Vater und nahm das Kind mit und verweigerte anschließend den Umgang. Der Vater beantragte im Eilverfahren die Alleinsorge. Das Familiengericht lehnte seinen Antrag ab. Im Beschwerdeverfahren sagte dann das OLG: Also im Eilverfahren kann allenfalls der Familienrichter etwas tun. Der Senat (drei Richter) kann (will?) so gut wie nix daran tun. Das ist so üblich. Ständige Praxis. Familiengerichtliche Entscheidungen ändern wir im Eilverfahren nur dann, wenn die Grundversorgung des Kindes nicht gewährleistet ist. Ansonsten verweisen wir auf das Hauptsacheverfahren. Und das dauert bekanntlich. Da wird auch noch das familienpsychologische Gutachten in Auftrag gegeben. Das braucht seine Zeit.

Die Besonderheit des konkreten Einzelfalles: Der Vater war die Hauptbezugsperson und derjenige Elternteil, zu dem das Kind die größere Bindung hatte. Dem Wohl des Kindes zuliebe hätte man das nach der Trennung so beibehalten und der Vater die Betreuung des Kindes übernehmen müssen. Durch die Wegnahme des Kindes, Kontaktsperre und Zeitablauf ertrotzte die Mutter eine neue Kontinuität. Das Familiengericht und das OLG ließen das auch zu. 

Das ist mit den Grundrechten nicht vereinbar. Die Besonderheiten des Einzelfalls werden vom OLG aufgrund ständiger Praxis außer Acht gelassen. Effektiver Rechtsschutz geht anders. 

Leider hatte die Verfassungsbeschwerde des Vaters keinen Erfolgt. Denn eine Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz wurde nicht gerügt. Das verletzte Grundrecht hätte nicht zwingend genannt werden müssen. Auch wäre das allein nicht ausreichend. Es kommt auf den Sachvortrag an. 

Daran sieht man aber auch noch, wie wenig Verfassungsbeschwerden in Sorgerechtsverfahren helfen. Auch wenn die VB erfolgreich gewesen wäre. Bis zur Entscheidung und Zurückverweisung wäre so viel Zeit vergangen, dass die neue und ertrotzte Kontinuität längst zur Entscheidungsgrundlage hätte gemacht werden müssen. Das OLG hätte dann zwar eine Sachentscheidung getroffen, aber wieder nicht nach Antrag des Vaters, wegen der neuen Situation. Die Umstände des Einzelfalles wären dann anders als zuvor. 

Übrigens, die Mutter handelte wohl auch nach einem Leitbild: "Das Kind gehört zur Mutter". Es bleibt der Trost: Die Mutter wäre nicht bei allen Senaten eines OLG damit durchgekommen.

Sehr geehrter Herr Kolos,

vielen Dank für den Hinweis auf diesen Fall.

Leider ohne Quellennachweis kann ich Ihnen zur umgekehrten Geschlechts- und Startsituation eine anderen Fall mit gleichem Ausgang zugunsten der Mutter berichten. Dem Vater wurde im eA-Verfahren die alleinige Sorge zuerkannt. Gutachten, Stellungnahmen, Umgangsregelung und verschärfte Zwangsgeldandrohung lagen aus einem Umgangsverfahren bereits vor. Es erfolgte die Haushaltsaufnahme des Kindes beim Vater und tatsächliche Ausübung des Sorgerechts. Die Beschwerde gegen die eAO der Mutter beim OLG hatte jedoch Erfolg, der Sorgebeschluss zugunsten des Vaters wurde aufgehoben. Zwar war die Kindeswohlgefährdung durch die Mutter (Umgangsvereitelung, Wegzug, Beeinflussung gegen den Vater) für das OLG unstreitig und das Kind hatte sich in der Anhörung des OLG belastbar für den Verbleib beim Vater ausgesprochen, doch hielt das OLG den Eingriff in das Grundrecht der Mutter im Rahmen eines eA-Verfahren für zu weitgehend. Entgegen dem Familiengericht hielt das OLG die Möglichkeiten zur Durchsetzung des Umgangs durch Umgangspflegschaft und Zwangsgeld nicht von vornherein für aussichtslos. Die Verhältnisse würden sich zudem auch bei weiterer Umgangsverweigerung durch die Mutter nicht bis zu einer Entscheidung im HS-Verfahren so weit manifestieren, dass eine Entscheidung im eA-Verfahren erforderlich sei. Das Kind kam wieder zur Mutter. Die Alleinsorge der Mutter wurde dann in der HS vom OLG trotz fortgesetzter Verstösse gegen die Umgangsregelung zugunsten der Alleinsorge der Mutter bestätigt, da nun die Kontinuität für den Verbleib bei der Mutter spreche.  Die Jahre der intensiven Betreuung durch den Vater vor dem heimlichen Wegzug und die Zeit der Alleinsorge des Vaters fand keine Erwähnung. Kosten des Verfahrens soll der Vater tragen. Vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen. Art.3 und Art.6 GG gelten demnach wohl doch nur für Mütter.     

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@ Kolos @ Lippke

Vielen Dank für die interessanten Fallbeispiele.

Haben hierzu Familienrichter (ich denke da auch an Herrn Burschel) auch eine Meinung?

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Noch einmal zum "Leitbild":

Natürlich darf der Gesetzgeber Wünsche haben und sie in den Gesetzesmaterialien als "Leitbild" äußern. Wenn sie aber Wirklichkeit werden und ihnen Taten folgen sollen, dann muss er sie aber auch noch mit einem entsprechenden Gesetzesinhalt versehen. Hätte der Gesetzgeber sein "Leitbild" in ein Widerspruchsverfahren verpackt, so dass die gemeinsame Elternverantwortung mit der Geburt des Kindes kraft Gesetzes auf beide Eltern übergeht - unter Vorbehalt eines Widerspruchs, dann hätte das seinem "Leitbild" am meisten entsprochen. Es widerspricht dem aber, wenn er zunächst die Mutter in die Verantwortung nimmt und die gemeinsame Elternverantwortung dem späteren Willen des Vaters überlässt. 

Während die Mutter ihre Ausbildung, ihr Studium oder ihre Berufsaussichten zu Gunsten des Kindes und der Kindesbetreuung zurückstellen muss, kann der Vater seine persönlichen Verhältnisse in Ruhe ordnen und sich damit auch Zeit lassen. Wenn es dann irgendwann mal passen sollte, kann er ja immer noch einen Antrag stellen und damit seine Bereitschaft äußern. Dann soll das subjektive "Leitbild" des historischen Gesetzgebers endlich aufgehen. Kindeswohlaspekte insbesondere hinsichtlich der Kontinuität fallen dann dem frommen Entschluss des Vaters für die Übernahme der gemeinsamen Elternverantwortung zum Opfer. Kindeswohlaspekte im Ist-Zustand werden nicht berücksichtigt. Positive Kindeswohlprüfung wird nicht verlangt. Entscheidend kommt es auf die Einwände der Mutter an. Soll sie doch dem subjektiven "Leitbild" des Gesetzgebers widersprechen und in die Zukunft schauen, um dem Gericht überzeugende Argumente für eine Negativprognose zu liefern. Das ist doch nicht mehr als fair, oder?

Für die negative Kindeswohlprüfung ist es auch egal, ob der Vater von Anfang an faktisch sich in den Dienst der gemeinsamen Elternverantwortung gestellt oder sich aber davor zunächst gedrückt hatte. Beides gleich zu behandeln ist auch nur fair, oder?

@ Kolos

Danke für den Blick von einer "anderen" Seite. Meine Schlussfolgerungen dazu:

- das derzeitige Gesetz entspricht nicht dem Leitbild und dem heutigen "Stand der Familie"

- gesetzlich GSR von Vaterschaftsanerkennung an, wäre (möglicherweise einzig) GG-konform und als realitätsnah bzw. zukunftsfähig anzustreben, Ausnahmen eben nur für Ausnahmefälle

- die Phase Mutterschutz/Säuglingsalter gibt bis zu einem gewissen Grad eine Rollenverteilung vor, die nicht der Maßstab für die Bewertung der Bindung Vater-Kind sein kann. Viele Väter leisten in dieser Zeit sehr viel und ordnen sich dem symbiotischen Mutter-Kind-Gespann ein Stück weit unter. Sie sorgen damit ebenso für ihre Kinder, trotz oder gerade wegen der notwendigen Rollenverteilung. Väterschutz steckt allgemein noch in den Kinderschuhen. Ich sehe aber auch keinen Grund, Vätern die sich zunächst erst ordnen müssen, deswegen schon das moralische Recht auf Sorge abzusprechen. Eingewöhnungsprobleme gibt es bei Müttern auch, ohne das hoffentlich vorschnell das Sorgerecht abgeschossen wird. Das Sorgerecht ist kein allumfassendes Verfügungsrecht, sondern ein Pflichtrecht, nämlich das Recht die Elternpflichten auszuüben und eben auch in die eigene und geeignete Elternrolle hineinzuwachsen.

- wird eine scharf getrennte Rollenverteilung tatsächlich und "grundlos" deutlich länger als notwendig oder bis zu einer Scheidung/Trennung beibehalten, dann könnte die Vermutung gelten, dass das dem Familienverständnis entsprach und wegen der Trennung der Eltern dieses Rollenverhältnis gegenüber dem Kind nicht unmittelbar aufgehoben ist. Das betrifft aber eher die Frage des ABR für das Kind, zeitlich begrenzten Betreuungsunterhalt, Ausgleichsansprüche der Mutter und den Umfang des Kontakts, Umgangs des Vaters und nicht das Sorgerecht insgesamt.

- die pointierte Darstellung einer väterbevorzugenden und fiktionalen Praxis in #16 zeigt die Unglaublichkeit der überwiegend mütterbevorzugenden Rechtsprechung zum Sorgerecht auf. Denn selbst Väter, die von Geburt an für ihre Kinder omnipräsent waren, können sich ihre Fähigkeiten und Bindungstoleranz im Zweifel sonstwohin schieben und werden Vätern ohne Interessen und Fähigkeiten gleichgestellt. Wenn der Staat in Gestalt des Familienrichters auftritt, ist die Trennlösung meist die intellektuell einfachste Lösung und auf kurze Sicht gedacht die als sparsamer und ggf. auch lukrativer für den Staat Angenommene.

- Leiden tun unter diesen Verhältnissen nicht nur Väter und Kinder, sondern auch die Partner(innen) der Väter und später die der Kinder. Besonders zu leiden haben aber Frauen, die kein Sorgerecht für ihre Kinder haben und dies nicht auf einer akuten Kindeswohlgefährdung beruht. Es würde wohl entlasten, wenn das GSR das Normale wäre und die alleinige Sorge des Vaters nicht zugleich ein gesellschaftliches Stigma für die Mutter bedeutete.

- Das Sorgerecht mittels Versagung oder Entzug als Bewährungs- oder Disziplinierungsmittel anzuwenden, ist zwar grundrechtsverletzend, aber gängige Praxis in Deutschland. Das neue Gesetz hat das bisher höchtens punktuell zum Positiven gewendet. Das hängt sicher auch mit dem Gesetz, aber unbedingt auch mit den Auslegungen und Lebensgewohnheiten der Vollstrecker zusammen.

Vielleicht mal zur Information für Juristen: In durchaus üblichen Lebenswelten heutiger Familien müss(t)en beide Elternteile arbeiten und viel leisten, um halbwegs gut über die Runden zu kommen. Das ist von der Wirtschaft und damit auch vom (Rechts)-Staat so gewollt. Trage er auch die Lasten mit. Scheidung/Trennung haben häufiger auch mit diesen Lasten zu tun und setzen zusätzlich noch Herausforderndes drauf. Wenn Sie als Jurist damit beruflich zu tun haben, dann leisten Sie sich doch mal den Gedanken an Anerkennung und Respekt für die geleisteten Anstrengungen und weniger pauschale Verachtung für hoffentlich temporäre Schwächen von Eltern.       

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@Lutz Lippke

Sie können mir weder fehlenden Respekt noch Verachtung für "Elternfehler" vorwerfen. Mir liegt es fern, das Erziehungsverhalten der Eltern zu beurteilen. Ich wüsste auch nicht, was ein "Fehler" insoweit sein soll - von wenigen Ausnahmen abgesehen. Ich bin davon überzeugt, dass Eltern generell am besten wissen, was für ihr Kind das Beste ist. Das Elternvorrecht zur Bestimmung des Kindeswohls ist auch durch die Verfassung geschützt.

Wenn der Vater mit der Erziehung und zumindest gelegentlichen Betreuung des Kindes zunächst nichts zu tun hatte - aus welchen Gründen auch immer, dann sehe ich darin keinen Fehler. Vielmehr ist das in meinen Augen eine von den Eltern getroffene Entscheidung - nach den Umständen des konkreten Einzelfalls, die sie als das Beste für ihr Kind sahen. Dabei muss auch nicht für immer so bleiben. Das Kindeswohl ist keine konstante Größe. Es ändert sich ständig. Auch das ist von ihnen zu beachten.

Es geht mir darum, dass nicht der Gesetzgeber und nicht die Gerichte mir nichts dir nichts einfach einen Schnitt in die einmal geschaffene Erziehungssituation vornehmen dürfen, ohne eine positive Kindeswohlprüfung vorzunehmen. In das Elternrecht der Mutter darf nur dann eingegriffen werden, wenn der Eingriff mit dem Wohl des Kindes - natürlich nur unter Beachtung der konkreten Umstände des Einzelfalls - vereinbar ist. Es sollte mich schon sehr wundern, wenn eine an den subjektiven Willen des Gesetzgebers angelehnte Gerichtspraxis, die einen Eingriff aufgrund bloß negativer Kindeswohlprüfung vornehmen will, von Dauer sein und verfassungsrechtlich Bestand haben sollte. Das BVerfG hatte sich schon etwas dabei gedacht, als es in seiner Übergangsentscheidung noch auf eine positive Kindeswohlprüfung abstellte. 

Zum 2. Beschluss OLG Celle, Beschluss vom 14.08.15 – 15 UF 44/15 >> Gegenteil des von der Bundesregierung 2013 beschlossenem Leitbildes.

OLG Celle führt den Kindeswohlbegriff ins Unsinnige:

Das OLG Celle behauptet in seinem Beschluss Rdnr. 15, doch tatsächlich, dass "der aufgezwungene Fortbestand der gemeinsamen elterlichen Sorge ... als Sanktion des die Kommunikation verweigernden Elternteils erscheinen" könnte, "was angesichts der verfassungsrechtlichen Wertung, dass die Elterninteressen hinter den Kindesinteressen zurückzustehen haben, auszuschließen" sei.

Man hat schon viele unglaubliche Beschlussbegründungen in familiengerichtlichen Verfahren gelesen, aber obiger Satz des OLG Celle gehört zu den TOP 10 der gerichtlichen Kuriositäten. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: der aufgezwungene Fortbestand der gemeinsamen elterlichen Sorge könnte nach Meinung des OLG Celle als Sanktion des die Kommunikation verweigernden Elternteils verstanden werden!

Worum geht es denn in den Kindschaftsrechtsverfahren? Genau, um das Wohl des Kindes. Wieso also interessiert es das OLG Celle demnach, ob die aufgezwungene Fortsetzung der gemeinsamen elterlichen Sorge als Sanktion des die Kommunikation verweigernden Elternteils verstanden werden könnte. Wieso vor diesem Hintergrund das OLG Celle weiterhin die Ansicht vertritt, dass eine solche Sanktion als Elterninteresse hinter den Kindesinteressen zurück zu stehen hat, erschließt sich mir nicht. Gerade weil die Elterninteressen, also die des boykottierenden Elternteils auf Erlangung der Alleinsorge, hinter den Kindesinteressen, also auf Erhalt BEIDER Elternteile nach Trennung und Scheidung, zurück zu stehen hat, kann und darf es in einer gerichtlichen - und erst recht in einer obergerichtlichen - Entscheidung nicht ankommen, ob ein Elternteil sich sanktioniert fühlen könnte. Doch das OLG Celle macht daraus, dass die gemeinsame Sorge angeblich nicht fortgesetzt werden dürfe, wenn der betreuende Elternteil dies ablehnt. Damit wird der Kindeswohlbegriff durch das OLG Celle pervertiert. Eine ähnlich irrsinnige Entscheidung des OLG Celle wurde bereits schon einmal erfolgreich vor dem Bundesverfassungsgericht angegriffen (BVerfG, Beschluss vom 29. Januar 2010 - 1 BvR 374/09)

Jedem Elternteil, der vom Sorgerechtsentzug durch die Kommunikation verweigerten anderen Elternteil betroffen ist, kann im Falle einer gleichlautenden Äußerung eines der an den gerichtlichen Verfahren beteiligten Professionen nur dringend angeraten werden, darauf hinzuweisen, dass gerade eine solche Rücksichtnahme auf den die Kommunikation verweigernden Elternteil eine unzulässige Bevorzugung von Elterninteressen gegenüber den Kindesinteressen ist! Im Übrigen befördert eine solche Rechtsansicht den Elternstreit, weil die Kommunikationsverweigerung nach obiger Ansicht der Garant für die Alleinsorge des betreuenden Elternteils ist - und damit wird das Kindeswohl beschädigt. Denn nichts schadet dem Wohl des Kindes mehr, als sich streitende Eltern, die sich um´s Kind zanken.

Dem OLG Celle kann deswegen nur folgendes Zitat von Erich Kästner entgegen gehalten werden:

"An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die Schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern."

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Das OLG Celle hat diesen Unfug vom BGH abgeschrieben. Das macht es natürlich auch nicht besser. Diese Schnapsidee lässt sich beliebig verwenden. Denn, wenn das gemeinsame Sorgerecht Sanktionscharakter soll haben können, dann muss man auch erklären können, wieso dann dem Entzug des Sorgerechts und der Alleinsorge kein Sanktionscharakter zukommen soll. Natürlich ist das Sorgerecht kein Sanktionsmittel. Es ist aber auch genauso wenig ein Belohnungsmittel. Und ein Mittel zur Entlastung der Justiz ist es auch nicht. 

Das gedankliche Fundament des BGH dürfe im folgenden Satz liegen (BGH - XII ZB 158/05, Seite 9): 

aa) Zu den wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge, für die ein Mindestmaß an Verständigungsmöglichkeiten zur Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge getrennt lebender Eltern gefordert werden muss, gehören jedenfalls die Grundentscheidungen über den persönlichen Umgang des Kindes mit dem nicht betreuenden Elternteil (vgl. Senatsbeschluss vom 29. September 1999 - XII ZB 3/99 - FamRZ 1999, 1646, 1647; Bamberger/Roth/Veit BGB § 1671 Rdn. 29), die gleichzeitig zu den Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung im Sinne von § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB zählen (vgl. hierzu Palandt/Diederichsen BGB 67. Auflage § 1687 BGB Rdn. 7; MünchKomm/Finger BGB 4. Aufl. § 1687 Rdn. 9; Schwab FamRZ 1998, 457, 469). 

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Ger...

Mit diesem Satz muss man nicht gänzlich einverstanden sein. Aber darauf will ich jetzt nicht hinaus. Wenn man ihn so akzeptiert, dann spricht die Verständigung der Eltern über eine Umgangsregelung - selbstverständlich auch in einem Umgangsverfahren - dafür, dass ein "Mindestmaß an Verständigungsmöglichkeiten zur Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge" (oder Übertragung der Mitsorge) vorhanden sei. Diesem Umstand muss dann konsequenterweise eine Vermutungswirkung zukommen. Es wäre demnach rechtsfehlerhaft, wenn das Fachgericht die Feststellung fehlender Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit treffen sollte, ohne sich damit aber auseinandergesetzt zu haben, dass die Eltern sich über den Umgang verständigt hatten. Oder, wie sehen Sie das?

 

Dass die Eltern sich über den Umgang des Vaters mit der Tochter geeinigt haben, das wurde vom OLG Celle völlig ausgeblendet. Unverständlich. Zumal das OLG im Übrigen seine Entscheidung vom BGH abgeschrieben hat. 

Offensichtlich kennen die Celler Richter drei wichtige Dokumente nicht:

Den Brandenburger Leitfaden Früherkennung von Gewalt gegen Kinder und Jugendliche (Herausgeber u.a. Land Brandenburg), den Bayerischen Ärzteleitfaden (Herausgeber Staatsministerium für Arbeit und Soziales) und den Ärzteleitfaden der Landesärztekammer Baden-Württemberg.

In allen drei Dokumenten wird die Handlung des entfremdenden Elterneils bzw. die Instrumentalisierung des Kindes im Elternkonflikt ganz klar als Ausübung von seelischer Gewalt am Kind identifiziert.

In diesem Zusammenhang ist das 2. Urteil des OLG Celle schlicht absurd, denn es besagt nichts anderes, als dass man von jedweder gerichtlichen Entscheidung zu gunsten der Opfer absehen möchte, die der gewaltausübende Täter als Sanktion auch nur empfinden könnte und dies sei Opferschutz (schliesslich ist das Kind in Entfremdungsfällen eines der, wenn nicht das Hauptopfer, neben weiteren Famiienangehörigen).

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Seit dem 2.10.2015 gilt in Europa das Leitbild: Paritätische Betreuung von Geburt an, als Regel für Vater und Mutter, unabhängig von einem Trauschein.

 

"Die fortgesetzte Erfüllung der Pflichten der Eltern gegenüber ihren Kindern bei gleicher Betreuungsleistung und gemeinsamer Unterhaltsleistung, ist zweifellos die beste Lösung für das Kind". Beschluss 5/2013 des spanischen Verfassungsgerichtes

Die 56 Internationalen wissenschaftlichen Langzeitstudien als Grundlage der Entscheidung lassen keinen Zweifel mehr daran, was dem Kindeswohl entspricht: Zwei Zu Hause zu haben.

 

EUROPARAT unterzeichnet einstimmig Resolution 2079 zur RATIFIZIERUNG als STANDARD in allen Mitgliedsstaaten

***** DOPPELRESIDENZ / WECHSELMODELL *****

Am 02.10.2015 fand die Sitzung der parlamentarischen Versammlung des Europarates in Straßburg statt. Alle Mitgliedsstaaten wurden aufgefordert, die Doppelresidenz/Wechselmodell, also die Betreuung von Trennungskindern durch beide Elternteile, als bevorzugtes anzunehmendes Modell im Gesetz zu verankern.

 

Die Resolution wurde mit 46 Stimmen dafür, 0 Gegenstimmen und 2 Abwesenden einstimmig verabschiedet.

Abstimmungsergebnis im Detail, mit Namen, Fraktionszugehörigkeit und Nationalität

http://assembly.coe.int/nw/xml/Votes/DB-VotesResults-EN.asp.

 

 

Übersetzung: Gleichheit und gemeinsame elterliche Verantwortung, die Rolle der Väter

Parlamentarische Versammlung

 

1. Die Parlamentarische Versammlung fördert konsequent die Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsplatz und im Privatbereich. Wesentliche Verbesserungen in diesem Bereich, auch wenn sie immer noch nicht ausreichend sind, können in den meisten Mitgliedsstaaten des Europarates beobachtet werden. Innerhalb der Familie muss die Gleichstellung von Eltern gewährleistet und gefördert werden, von dem Moment an, wo das Kind auf die Welt kommt. Die Beteiligung beider Eltern in ihrer Erziehung des Kindes ist von Vorteil für dessen Entwicklung. Die Rolle der Väter gegenüber ihren Kindern, ebenso kleinen Kindern, muss besser anerkannt und angemessener bewertet werden.

 

2. Gemeinsame elterliche Verantwortung bedeutet, dass die Eltern bestimmte Rechte, Pflichten und Verantwortlichkeiten gegenüber ihren Kindern haben. Tatsache ist jedoch, dass Väter manchmal mit Gesetzen, Praktiken und Vorurteilen konfrontiert werden, die dazu führen können, ihnen die dauerhafte Beziehung zu ihren Kindern vorenthalten. In seiner Resolution 1921 (2013) "Die Gleichstellung der Geschlechter, der Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben und gemeinsame Verantwortung", fordert die Versammlung die Behörden der Mitgliedstaaten auf, das Recht der Väter zu respektieren, um die gemeinsame Verantwortung sicherzustellen, dass das Familienrecht im Falle einer Trennung oder Scheidung die Möglichkeit des gemeinsamen Sorgerechts im besten Interesse für die Kinder, auf der Grundlage gegenseitiger Vereinbarung zwischen den Eltern, sicherstellt.

 

3. Die Versammlung möchte hierbei hervorheben, dass die Achtung des Familienlebens sowohl durch das Grundrecht der in Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (ETS No. 5), sowie durch zahlreiche internationale Rechtsinstrumente, zu bewahren ist. Für jeden Elternteil und sein Kind ist die Möglichkeit, zusammen zu sein, ein wesentlicher Bestandteil des Familienlebens. Eltern-Kind-Trennung hat unheilbare Auswirkungen auf ihre Beziehung. Eine solche Trennung sollte nur von einem Gericht und nur unter außergewöhnlichen Umständen mit ernsten Risiken für das Wohl des Kindes angeordnet werden.

 

4. Darüber hinaus ist die Versammlung überzeugt, dass die Entwicklung gemeinsamer Betreuung hilft, Geschlechterstereotypen in Bezug auf die Rolle von Frauen und Männern in der Familie zu überwinden, welche lediglich ein Spiegelbild der soziologischen Veränderungen darstellt, wie sie sich in den letzten fünfzig Jahren in Hinblick auf die Privat- und Familien-Sphäre entwickelt hat.

 

5. Angesichts dieser Überlegungen fordert die Versammlung die Mitgliedstaaten auf:

 

5.1. das Europäische Übereinkommen über die Ausübung von Kinderrechten (ETS Nr 160) und das Übereinkommen über den Umgang mit Kindern (ETS Nr 192) zu unterzeichnen und / oder zu ratifizieren, wenn sie es nicht bereits getan haben,

 

5.2. das Haager Übereinkommen von 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung, sofern sie es noch nicht gemacht haben, zu unterzeichnen und/ oder zu ratifizieren und diese in einer Form umzusetzen und zu implementieren, dass sichergestellt ist, dass jene Behörden, welche für die Durchsetzung zuständig sind, diesen umgehend nachkommen und sie befolgen.

 

5.3. sicherzustellen, dass die Eltern die gleichen Rechte gegenüber ihren Kindern nach dessen Rechtsvorschriften und Verwaltungspraxis haben, und jedem Elternteil das Recht garantieren, informiert zu werden, und ein Mitspracherecht bei wichtigen Entscheidungen, die das Leben und die Entwicklung ihres Kindes beeinflussen, im besten Interesse des Kindes zu erhalten.

 

5.4. von ihren Gesetzen jede Benachteiligung zu entfernen, die auf dem Familienstand der Eltern basiert, die ihr Kind anerkannt haben;

 

5.5. in ihre Gesetze den Grundsatz der Doppelresidenz (Wechselmodell) nach einer Trennung einzuführen, und Ausnahmen ausschließlich auf Fälle von Kindesmisshandlung, Vernachlässigung, oder häuslicher Gewalt einzuschränken, mit jener Zeitaufteilung, in der das Kind mit jedem Elternteil lebt, die entsprechend den Bedürfnissen und Interessen des Kindes angepasst sind;

 

5.6. respektieren das Recht der Kinder in allen Angelegenheiten angehört zu werden, die sie betreffen, wenn sie ein ausreichendes Verständnis für die betreffenden Fragen besitzen;

 

5.7. berücksichtigen die geteilte Betreuung bei der Vergabe von Sozialleistungen;

 

5.8. setzen alle erforderlichen Schritte um, damit Entscheidungen in Bezug auf den Wohnsitz der Kinder und deren Zugang zu diesen Rechten voll durchgesetzt werden, inklusive dem Nachgehen von Beschwerden bezüglich Behinderung der Kindesübergaben;

 

5.9. Mediation im Rahmen der juristischen Familienverfahren, die Kinder involvieren, zu fördern, insbesondere durch die Einführung einer gerichtlich angeordneten Pflicht der Informationsberatung, um die Eltern aufzuklären, dass die Doppelresidenz (Wechselmodell) eine sinnvolle Option im besten Interesse des Kindes darstellt, und eine solche Lösung zu erarbeiten, indem sichergestellt wird, dass die Mediatoren eine angemessene Schulung erhalten und durch die Förderung der interdisziplinären Zusammenarbeit auf der Grundlage des "Cochemer Modells " trainiert sind;

 

5.10. stellen sicher, dass alle Fachkräfte, die während des Familien-Gerichtsverfahrens in Kontakt mit Kindern kommen, die notwendige interdisziplinäre Ausbildung auf die spezifischen Rechte und Bedürfnisse von Kindern der verschiedenen Altersgruppen besitzen, wie auch sonst bei allen Verfahren, in die Kinder involviert sind, den Leitlinien des Rates für eine kinderfreundliche Justiz entsprechen;

 

5.11. Elternschaftspläne zu fördern, die Eltern ermöglichen, die wichtigsten Aspekte, die das Leben der Kinder betreffen, selbst zu bestimmen und die Einführung der Möglichkeit für Kinder, eine Überprüfung der Vereinbarungen, die sie selbst betreffen, zu überprüfen bzw. zu bewerten, insbesondere ihrem Wohnort;

 

5.12. bezahlten Elternurlaub für Väter einzuführen, wobei ein Modell der nicht übertragbaren Elternzeiten zu bevorzugen ist.

 

 

Stellungnahme zum Europaratsbeschluss CSU Familienkommision:

Gleichberechtigung der Eltern - Gemeinsame Erziehung der Kinder auch nach Trennung

 

Die Vorsitzende der Familienkommission und Landtagsabgeordnete Kerstin Schreyer-Stäblein zur jüngsten Entscheidung des Europarats: "Auch nach einer Trennung ist es wichtig, dass die Eltern gemeinsam für die Kinder da sind und diese gemeinsam erziehen. Die elterliche Fürsorge, also von Vater und Mutter, sowie die Stabilität und Sicherheit des Zuhauses sind für die Entwicklung eines Kindes unerlässlich. Die Aufforderung des Europarates an die Mitgliedstaaten, dass künftig der Grundsatz der Doppelresidenz nach einer Trennung der Eltern eingeführt werden soll, ist ein wichtiges Signal, denn bisher sind vor allem Väter häufig benachteiligt."

 

Bereits jetzt werde in vielen Familien nach der Trennung das "Wechselmodell" geteilter Elternverantwortung, wie das Prinzip der Doppelresidenz für Kinder auch genannt wird, auf freiwilliger Basis erfolgreich angewandt. Die Kinder leben dabei abwechselnd, z.B. im Wochenrhythmus im Haushalt des Vaters und der Mutter, die Erziehung, die Verantwortung aber auch die Ausübung von Rechten werden somit von beiden Elternteilen in ähnlichem Umfang übernommen.

 

"Im Interesse von Trennungskindern und deren Eltern sollte die gemeinsame Erziehung zum gesetzlichen Regelfall werden. In Fällen von Vernachlässigung, Kindesmisshandlung oder häuslicher Gewalt darf dies selbstverständlich nicht gelten. Andere europäische Länder wie Belgien und Schweden praktizieren das Wechselmodell bereits mit großem Erfolg, in Deutschland jedoch besteht hier noch deutlicher Nachholbedarf", so die Familienkommissionsvorsitzende weiter. Denn oberstes Prinzip ist und bleibt das Wohlergehen unserer Kinder!

Hier die Quelle zur Resulotion mit dem richtigen Abstimmungsverhältnis: http://assembly.coe.int/nw/xml/XRef/Xref-DocDetails-EN.asp?fileid=22220&...

Mit dem Ende des Ernährer Modells, ist die Diskriminierung der Eltern wegen ihrem Geschlecht beendet. Eine Zwangszuweisung in Betreuendes oder Zahlendes Elternteil ist seit dem ausgeschlossen.

Erstrangig hat ein leiblicher Vater durch Betreuung seiner Elterlichen Verantwortung nachzukommen.

Das Wechselmodell 50:50 in der Praxis wünschen sich Kinder von sich aus, weil es ihren Bedürfnissen am nächsten kommt und entspricht. Kein Kind würde sich freiwillig darauf einlassen, mit einem Elternteil weniger Zeit zu verbringen, als mit dem anderen. Insofern können andere Zeitaufteilungen abseits einer 50:50 Regelung nur Ausnahmen für Einzelfälle sein. Konsequenz: Kein Anlass mehr zum Streit, worunter die Kinder am meisten leiden. ZDF Tivi + KIKA zeigen wie selbstverständlich das hälftige Wechselmodell im Alltag funktioniert.

http://www.tivi.de/mediathek/sendung-895212/mein-leben-nach-der-trennung...

 

"Die Erfüllung der Pflichten der Eltern gegenüber ihren Kindern bei gleicher Betreuungsleistung und gemeinsamer Unterhaltsleistung, ist zweifellos die beste Lösung für das Kind".

Das sieht auch die SPD so und fasst einstimmig folgenden Beschluss:

SPD-Landesverband Sachsen, Außerordentlicher Landesparteitag 2015
Anträge Familie, Soziales und Gesundheit, Antrag FSG03, Ergebnis:  mehrheitlich angenommen
Recht des elterlichen Unterhalts - Einführung des Wechselmodells als gesetzliche Option

Bundesregierung und Bundestagsfraktion werden aufgefordert, für den Fall der Trennung der Eltern das sog. „Wechselmodell“, bei dem die Betreuung und Erziehung des Kindes abwechselnd in einem zu bestimmenden Verhältnis bei dem einen und bei dem anderen Elternteil liegt, gesetzlich als Alternative einzuführen.
Das BGB, insbesondere § 1606 III BGB und weitere, mit ihm zusammenhängende Vorschriften sollen geändert werden. In Zukunft soll es nicht mehr als Regelfall definiert sein, dass ein Elternteil seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, dadurch erfüllt, dass er das Kind betreut, während der andere Elternteil zahlt. Stattdessen sollte es eine Regelung geben, die es erleichtert, Betreuung und Unterhaltsverpflichtung zu entkoppeln.
Wenn sich die Eltern nicht auf eine bestimmte Regelung einigen können, die dem Kindeswohl entspricht und beiden Eltern die anteilige Betreuung ermöglicht, soll dem Gericht die Entscheidung über eine solche, dem Wohl des Kindes förderliche Regelung zugewiesen werden.

Quelle: http://www.spd-sachsen.de/wp-content/uploads/2015/09/Beschluss-FSG03-Ein...

 

Das Wechselmodell als Hype

Als ein Vater, der Elternzeit seit 2001 und das Wechselmodell nach Trennung außergerichtlich vereinbarte und jahrelang praktizierte, kann ich das nur begrüßen. Es ist das generische und somit selbstverständliche Leitbild einer Elternverantwortung entsprechend dem Grundgesetz. Der zähe Widerstand aus Politik und Justiz ist kaum durch die Sorge um das Kindeswohl motiviert. Die tatsächlichen Gründe der verbreiteten Ablehnung durch die Justiz kann man nur aus verdrucksten Stellungnahmen und windigen Begründungen herauslesen. Diese sind überwiegend kindeswohlgefährdend, zumindest potenziell. Das folgt auch aus Forschungsergebnissen, wie die hier dargelegten http://www.famrb.de/media/Suenderhauf_FamRB.PDF. Dass die dort angegebenen Ablehnungsgründe sich "nur" auf andere Auffassungen und Gewohnheiten in der Sache beschränken und die offensichtlichen Eigeninteressen (Macht, Status, Tätigkeits- und Einnahmemöglichkeiten für Juristen) aussparen, ist wohl dem diplomatischen Überzeugungswillen geschuldet. 

Umgehungsstrategien

Bereits zur Reform des gemeinsamen Sorgerecht entwickelten Juristen und emsige Interessenverbände für Alleinerziehung Strategien, um die positive Entwicklungsabsichten im Elternrecht zu unterlaufen. So wird es auch bei einer zukünftig formal höheren Akzeptanz des Wechselmodells kommen. Diese Strategien fußen im Wesentlichen auf Konfliktverschärfung, Instrumentalisierung und Zuweisung von Verantwortung an die umgangsberechtigten Kinder, Verfahrensverzögerung, sowie der sturen Ignoranz gegenüber verbindlichen Rechtsgrundlagen und sozialpsychologische Erkenntnisse.

Woran fehlt es?

Die Fragen, wie in einem konkreten Einzelfall die Sorge, der Kindesaufenthalt und die Betreuung / Kontakte gerichtlich zu regeln wäre, lassen sich nicht durch Generalklauseln festlegen. Als Ausgangslage ist eine echte grundgesetzkonforme Regelung (Wechselmodell) hilfreich, aber nicht ausreichend. Es bedarf eines grundsätzlichen Respekts gegenüber der Leistung und Rolle beider Elternteile auch in einer Konfliktlage, berufliche Fähigkeiten und Verantwortungsgefühl der beteiligten Fachkräfte und ein Primat des Nichtjuristischen. Denn die Beziehung zwischen Eltern und ihren Kindern ist primär eine natürliche, soziale Rolle und nur sekundär eine rechtliche. Mit dem Juristischen kann also nur hilfsweise diese natürliche, soziale Rolle befördert und bestehende Schieflagen abgebaut werden. Dass es nur am Verständnis der Juristen für diese Tatsache fehlt, ist arg zu bezweifeln. "In Celle ist man sich nicht einig" ist Ausdruck einer weit verbreiteten Unfähigkeit zur professionellen Berufsausübung bis hin zur Verweigerung jeder Vernunft in der Sache. Die Folgen sind gesetzwidrige Verfahrensgänge, überlange Ermittlungs-, Vermittlungs- und Entscheidungsprozesse bis hin zu absurden und dreisten Übergriffen in die Lebenswege der Betroffenen. Nicht selten ein Experimentierfeld von selbst psychopathischen Untauglichen für seelische Quälerei und Folter an Betroffenen. Kinder gehören dabei immer zu den Opfern. Es fehlt tatsächlich auch an durchsetzbarer Verantwortlichkeit  und ggf. am Strafrecht gegen "...ist man sich nicht einig" (wie man die Eigeninteressen am Besten verklausuliert weiter bedient). Natürlich ist das eine Illusion, ein frommer Wunsch.

Was wird kommen?

Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass erst (weitere) schlimme Tragödien in der Sache ein Umsteuern erzwingen. Bisher finden diese Tragödien ausschließlich in den Kinderzimmern und in den Räumen der Eltern statt. Wenn schon, dann gehören diese aber in die Arbeitszimmer der Rechtsverweigerer, Psychopathen und Plünderer. Appelle wie diese nach der "Sorgerechtsreform" von 2013 (Kommentar 2) bleiben weitgehend ungehört. https://www.familienrecht.de/originalzitate-zur-umfrage-sorgerechtsrefor...

Die Erhabenheit der Juristen über Recht und Realität scheint immer noch ungebrochen. Ohne Katastrophe, Schmerz, Angst und Schock wird die grässliche Musik der Einfalt und des Eigennutzes wohl einfach weitergespielt. Diese Einigkeit verliert sich möglicherweise erst, wenn dicke Mauern, Zugangssperren und kreativer Formaljurismus keinen Schutz mehr vor dem Regress bieten.

Ansonsten gibt es wohl nichts Neues im Sorge- und Umgangsrecht, wie der Blog offenbart ;-)

 

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Doppelresidenz für ALLE Eltern, alles andere ist Augenwischerei 
Das paritätische Wechselmodell (Doppelresidenz) sollte gegen den Willen eines Elternteils per Gesetz im Familienrecht verankert werden, so wie es in Australien, Belgien, Schweden etc. bereits seit Jahren erfolgreiche gängige Praxis ist, alles Andere wäre scheinheilig.
Ein Kind braucht beide Eltern. Nur wenn die Doppelresidenz auch gegen den Willen eines Elternteils automatisch per Gesetz gilt, kann einer Eltern-Kind-Entfremdung entgegen gewirkt werden.
Jahrelange Gerichtsprozsse fördern derzeit die Entfremdung eines Elternteils und rufen psychische Schäden bei Kindern und Eltern hervor, welche sehr oft nicht mehr reversible sind.
Diese Verlustängste des eigenen Kindes enden sehr oft im Suizid eines Elternteils.

Zwei Zuhause für Trennungskinder - das Beste was ihnen passieren kann. 
Der Aufwand lohnt sich, denn die Kinder wollen auf keinen Elternteil verzichten.
Seit drei Jahren teilen sich die Erzieherin und der Computerfachmann die Zeit mit ihren beiden Kindern Luca und Joshua zu gleichen Teilen. Der Nachwuchs hat daher ein Zuhause im Stadtteil Schwachhausen und eines in Horn-Lehe. "Ich denke, dass es viel anstrengender ist, sich zu streiten, als zu versuchen, miteinander klarzukommen. Ich weiß nicht, warum das nicht mehr getrennte Paare versuchen – schon wegen der Kinder."
Quelle: ARD
http://www.radiobremen.de/gesellschaft/themen/trennungskinder-wohnen100....

In Österreich ist man da weiter:
Das Ende von Zahler und Betreuer beschlossen. Kein Kindesunterhalt mehr bei 25% weniger Betreuung. 
Die Höchstrichter in Österreich stellten fest, dass Betreuung der Kinder durch die Eltern wie hier im Verhältnis 3:4 grundsätzlich keinen Kindesunterhalt rechtfertigt. Stets unter der Prämisse, dass das Einkommen der Eltern ähnlich ist. Es ist die zweite Entscheidung in dieser Richtung. Schon zuvor hatte der OGH (1 Ob 158/15i) der Regelung „Einer zahlt, der andere pflegt und erzieht“ abgeschworen. Durch die neue Regelung „soll den veränderten Rollen in der zerbrochenen Familie Rechnung getragen werden und die Rollenverteilung erziehender Elternteil – Besuchselternteil aufgegeben werden“.
Quelle:
http://diepresse.com/home/recht/rechtallgemein/4959239/Familienrecht_Kei...

 

Die Erhabenheit der Juristen über Recht und Realität scheint immer noch ungebrochen.

Das geforderte Wechselmodell ist eine Frage für den Gesetzgeber, also das Parlament, und nicht für "erhabene Juristen". die sich nur an das Gesetz zu halten haben. Wenn Sie das Wechselmodell wollen, dann müssen Sie es auf den vorgeschriebenen Wegen der demokratischen Willensbildung durchsetzen.

1

Der durch den Gesetzgeber zu schaffende „Regelfall“ schafft erst die Voraussetzung für die Wahrung von Kindeswohl, da der Blick auf das Kind nicht durch wirtschaftliche Aspekte verstellt wird.
 

Damals wie heute dient das Kindeswohl als Vehikel zur Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen. Der Streit um die paritätische Teilhabe der Eltern durch das Wechselmodell ist Ausdruck dieses rechtlich nach wie vor ungelösten Interessenkonflikts. Die gegen das Wechselmodell vehement vorgebrachten Bedenken dürften, wie der Rück­blick auf die Ent­wick­lung von der Al­lein­sor­ge zur ge­mein­sa­men el­ter­lichen Sor­ge zeigt, ebenso unbegründet sein, wie seinerzeit die Befürchtungen, das Kin­des­wohl bliebe bei gemeinsamer elterlichen Sorge auf der Strecke oder würde zum Spielball elterlicher Egoismen.

Das Gegenteil war richtig. Die durch die ge­setz­li­che Neuregelung des Sorgerechts bewirkte Entkoppelung von Alleinsorge und Unterhaltsberechtigung machte den Streit um das Sorgerecht obsolet und half den Blick der Eltern auf das Kindeswohl zu lenken, was wesentlich zur Akzeptanz der gemeinsamen elterlichen Sorge als Normalfall nach Trennung und Scheidung beigetragen hat. Nach den Erfahrungen bei der gemeinsamen elterlichen Sorge kann erwartet werden, dass die Entwicklung zur gesetzlichen Einführung des Doppelresidenzmodells (Wechselmodells) durch Entkoppelung von den damit verbundenen wirtschaftlichen Vorteilen des Residenzmodells die Voraussetzungen dafür schafft, dass die ge­mein­sa­me Ver­ant­wor­tung für das Kind nach der Trennung nicht dessen Wohl gefährdet, sondern im Gegenteil dient.

Absurde Hartz-IV-Reform trifft Trennungskinder
Das Kindesinteresse auf paritätisches Familienleben mit beiden Eltern hat seit dem Europaratsbeschluss oberste Priorität. Das Modell einer zahlt der andere betreut schadet den Kindern, wissenschaftlich belegt. Finanzielle Anreize wie Unterhalt bzw. Zuschüsse die das andere Elternteil aus seiner Betreuungspflicht verdrängen haben so nichts mehr in Gesellschaft oder Familienrecht zu suchen. Dennoch ist das Familienministerium versucht seine wirtschaftlichen Einsparinteressen zu Lasten der Vater-Kind Bindung durchzusetzen.

Viele Verbände u.a. der Juristinnenverband laufen dagegen Sturm, sie sind sich einig: die Reform aus dem Hause Schwesig ist Kindeswohlgefährdender Unsinn.
"Man wird das gemeinsame Erziehen nicht fördern, wenn man es finanziell bestraft. Was da jetzt geplant ist, ist ein massiver Negativanreiz dafür, mehr Zeit mit dem Vater zu verbringen", sagte die Bundestagsabgeordnete der "Welt".
"Diese Reform geht klar gegen eine partnerschaftliche Aufteilung nach der Trennung.
"Die gesetzliche Regelung würde eine Schlechterstellung für Alleinerziehende gesetzlich festschreiben und einen gesetzlich begründbaren Anreiz darstellen, möglichst wenig Betreuung durch den Vater zulassen."

Ergo: Wenn beispielsweise Mütter mit jedem Tag, den das Kind mit dem Vater verbringt, weniger Geld in der Kasse haben, werden sie umso erbitterter dagegen ankämpfen, ihm mehr Zeit mit dem gemeinsamen Kind einzuräumen.

"Das Prinzip der anteiligen Aufrechnung der Umgangstage zwischen den Eltern folgt einer Logik, die voraussetzt, dass mit dem Kind auch sein Zimmer, das Kinderbett und weitere benötigte Dinge von einem Elternteil zum anderen wechseln", sagt AGF-Geschäftsführer Sven Iversen. "In der Praxis ist das natürlich Unsinn."

http://www.welt.de/politik/deutschland/article154339875/Absurde-Hartz-IV...

 

 

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