Ermittlungen des GBA wegen Landesverrats - Schlag ins Wasser

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 01.08.2015

Gegen die zwei Betreiber des Blogs "netzpolitik.org" hat der Generalbundesanwalt ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats eingeleitet. Zum Tatvorwurf und dazu, was von der Subsumtion unter § 94 StGB übrig bleibt (= fast nichts) habe ich hier im Beck-Blog schon vorgestern Stellung genommen. Innerhalb kürzester Zeit haben der schon seit zehn Tagen online gestellte Beitrag zum GBA und den Ermittlungen wegen der NSA-Affäre und die mehrfach aktualisierten Updates tausende neue Leser bekommen, die Nachricht und der Link zum hiesigen Beitrag verbreitete sich hauptsächlich über twitter.

Nach und nach haben vorgestern und gestern beinahe alle großen Medienwebsites, Sender und Printmedien weitere juristische Stellungnahmen zum Ermittlungsverfahren publiziert, alle mit demselben Tenor: Der Verdacht des Landesverrats ist geradezu abwegig, ein Ermittlungsverfahren wegen § 94 StGB hat keine Grundlage, die Ermittlungen sind ein Schlag ins Wasser.  Sogar der Justizminister hat sich gestern mit dieser Tendenz geäußert. Deutlich wurde jetzt auch: Die Strafanzeige des Bundesamts für Verfassungsschutz richtete sich gegen "Unbekannt" und zielte vornehmlich darauf, das Leck im Geheimnisschutz aufzudecken. Die fragwürdige Ermittlungsrichtung gegen die Netzpolitik-Blogger Beckedahl und Meister und damit die Bedrohung der Pressefreiheit hat der GBA zu verantworten. Die Empörung ist wohl auch deshalb so groß, weil dieselbe Behörde bei den bekannt gewordenen Spionagevorwürfen gegen die NSA sich so auffällig zurückhält.

Nach dem sehr starken Medienecho und der Reaktion des Bundesjustizministers ruderte der GBA gestern erkennbar zurück und verkündete, es würden vorerst keine weiteren Ermittlungsmaßnahmen stattfinden. Die FAZ titelte sogar, das Verfahren werde "gestoppt". Aber ein solcher "Ermittlungsstopp" oder ein "Ruhen" der Ermittlungen ist in der StPO nicht vorgesehen.

Wenn erkannt wird, dass die Ermittlungen ohnehin nicht zum Ergebnis einer Strafbarkeit führen können, z.B. weil die Annahme, es handele sich bei den veröffentlichten Dokumenten um Staatsgeheminisse sich als falsch herausstellt, oder andere Voraussetzungen des Tatbestands klar zu verneinen sind, dann kommt nur eine Entscheidung in Betracht: Die umgehende Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO.

Aber auch wenn diese wohl richtige Entscheidung alsbald getroffen wird, wird wohl jetzt die Frage aufgeworfen werden, ob der derzeitige Inhaber des Amts Generalbundesanwalt noch politisch tragbar ist.

 

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228 Kommentare

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Die Vorgabe der verfassungsmäßigen Grundordnung ist die Organschaft der rechtsprechenden Gewalt, aus der die organisatorische Selbstverwaltung der Gerichte folgt und damit ihre institutionelle und personelle Unabhängigkeit, strikte Gewaltentrennung (keine Verschränkung!) von Organen der Judikative von der Exekutive. Wäre dieses verfassungsgemäße Grundprogramm verwirklicht, ergäbe sich auch ein völlig anderes Verhältnis zwischen Gerichten und Staatsanwaltschaften. Dienten beide Behörden nicht dem gleichen Dienstherrn, dann hätte die Exekutive mit Hilfe der Staatsanwaltschaft eine ungleich effizientere Kontrolle über die Gerichte - und auch umgekehrt, die nicht nur auf die Strafverfahren beschränkt sein müsste. Auch eine fakultative Beteiligung der Staatsanwaltschaft an Zivilverfahren wäre denkbar.

Ich denke, das Problem der gerichtlichen Unabhängigkeit sollte zuerst gelöst werden. Denn bei strikter Trennung von Gerichten und Staatsanwaltschaften dürften sich auch die Probleme mit dem Weisungsrecht so gut wie von allein auflösen.

Jedenfalls kann ich nicht ansatzweise erkennen - wie schon oben von @ELL angedeutet, der Justizminister habe mit einer rein "politischen" Weisung außerhalb der Grenzen von Recht und Gesetz in ein laufendes Verfahren eingegriffen. 

 

@MT
Wieso sollte der Justizminister das Legalitätsprinzip missachtet haben?

WR Kolos schrieb:

@MT
Wieso sollte der Justizminister das Legalitätsprinzip missachtet haben?

Ich verstehe nicht ganz, wo die Frage herkommt. Ob dem Justizminister eine Fachaufsicht zusteht hat nichts damit zu tun, ob er im Fall netzpolitik.org das Legalitätsprinzip beachtet hat. Letzteres lässt sich schon allein deswegen kaum sagen, weil es ja noch nicht einmal eine Weisung gegeben haben soll, geschweige denn was deren genauer Inhalt war, wenn es sie gegeben hat.

Das ist ja gerade das große Problem am Weisungsrecht: Alles wird im Verborgenen besprochen und keiner will es hinterher gewesen sein.

5

Das Bundesverfassungsgericht zum Weisungsrecht:

Rn. 21 schrieb:

Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung eines solchen "Wahlrechts" darf nicht übersehen werden, daß die Staatsanwaltschaft nicht nur wie auch jede Verwaltungsbehörde an Gesetz und Recht gebunden ist (Art. 20 Abs. 3 GG); ihre spezifische Aufgabe in der Strafrechtspflege bedingt, daß sie, an das "Legalitätsprinzip" gebunden, von vornherein dem Gesetz gegenüber einen besonders eng begrenzten Ermessensspielraum hat. Ihrer Aufgabe entspricht ihre organische Eingliederung in die Justiz, von der sie ein wesentlicher Bestandteil gerade auch im Rechtsstaat ist. Staatsanwaltschaft und Gericht erfüllen gemeinsam die Aufgabe der "Justizgewährung" (Eberhard Schmidt). Sieht man die Stellung der Staatsanwaltschaft so, dann wird deutlich, welche weitgehenden Sicherungen dagegen bestehen, daß die Weisungsbefugnis der Vorgesetzten (§ 146 GVG) und das den Landesjustizverwaltungen zustehende "Recht der Aufsicht und Leitung" (§ 147 GVG) anderen als "justizgemäßen" Einflüssen auf die Entschließung der Staatsanwaltschaft über die Erhebung der Anklage vor dem Schöffengericht oder der Strafkammer Raum gewähren.

Rn. 22 schrieb:

Darüber hinaus zwingt Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, das Ermessen der Staatsanwaltschaft in diesem Falle weiter zu beschränken. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 24 Abs. 1 Nr. 2 GVG gebietet, daß die Staatsanwaltschaft, wenn sie auf Grund ihrer Prüfung die besondere Bedeutung des Falles bejaht, Anklage beim Landgericht erheben muß und nicht beim Amtsgericht. Sie hat also in diesem Verfahrensstadium nicht ein Ermessen auszuüben, sondern den unbestimmten Rechtsbegriff der "besonderen Bedeutung" auszulegen und den konkreten Fall darunter zu subsumieren. Der Begriff "besondere Bedeutung" ist auch nicht so unbestimmt, daß er gegen das rechtsstaatliche Gebot der Normenklarheit verstieße oder gar unpraktikabel wäre. Er ist nicht unbestimmter als etwa die Begriffe "schwerer Fall" oder "mildernde Umstände" des materiellen Strafrechts. Es handelt sich somit hier ebensowenig um ein echtes "Wahlrecht" der Staatsanwaltschaft, wie in ähnlichen Fällen, in denen sie durch die rechtliche Würdigung des Ermittlungsergebnisses und die Abwägung der voraussichtlich zu erwartenden Strafe Einfluß auf die sachliche Zuständigkeit gewinnt. Ihre Weisungsgebundenheit darf der sachgerechten Erfüllung ihrer Aufgabe nicht entgegenstehen; auch der Weisungsberechtigte darf sich nicht von rechts- oder sachwidrigen Erwägungen leiten lassen.

http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv009223.html

Danach bleibt für eine Fachaufsicht nur noch Raum im Rahmen der sehr begrenzten Ermessensspielräume der Staatsanwaltschaft. Soweit unbestimmte Rechtsbegriffe auf Tatbestandsebene betroffen sind, scheidet eine Fachaufsicht aus.

5

@ Eine Frage (#5)

Dem liegt vermutlich die Darstellung des Generalbundesanwalts zugrunde:

Quote:

Die Bewertung des unabhängigen Sachverständigen habe ich dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gestern unverzüglich mitgeteilt. Mir wurde die Weisung erteilt, das Gutachten sofort zu stoppen und den Gutachtenauftrag zurückzuziehen. Dieser Weisung habe ich Folge geleistet.

https://www.generalbundesanwalt.de/de/showpress.php?themenid=17&newsid=560

Daraus könnte man sachfremde Motive ableiten.

Allerdings wird vonseiten des Bundesministeriums diese Darstellung bestritten. Zum einen ist nicht einmal klar, ob es eine Weisung oder eben eine "Einigung" gegeben hat. Zum anderen weiss man nicht, wann was mit welchem Inhalt besprochen wurde.

0

>"Daraus könnte man sachfremde Motive ableiten."

Könnte man natürlich, aber damit bleibt es eine Vermutung,
oder auch, wenn "politisch" motiviert, eine Unterstellung.

Auch die Mitteilung des GBA läßt offen, ob sich diese
"Einmischung" etwa aufgrund einer unterschiedlichen
rechtlichen Einschätzung ergeben hat.

Erfahren werden wir es, wie sehr oft, wohl leider nicht mehr.

Und ich denke, dass ich mir damit eben aber auch kein
abschließendes Urteil darüber bilden kann.
Daher rührte meine Nachfrage.

Vielen Dank für die Antwort!

0

@MT

Wenn es auch so war, wie der GBA das dargestellt hatte, dann geht die Reaktion des Justizministerium m.E. völlig in Ordnung.

Das Justizministerium wird schon mal bei Gesetzgebung-Outsourcing übergangen. Wird es aber auch noch von seiner nachgeordneten Behörde bei vermeintlich schwierigen Rechtsfragen übergangen, dann wird es wohl ein "Veto-Recht" haben dürfen. Kommt der GBA mit einer Rechtsfrage allein nicht klar, dann ist das Justizministerium wohl die erste Adresse, an die er sich wenden sollte, bevor ein externer Gutachter beauftragt wird. Das versteht sich doch von selbst.

 

Wie lautete eigentlich der Gutachtens-Auftrag?

War es nur die Frage, liegt ein Staatsgeheimnis vor? Welche Frage(n) waren es?

Ich glaube, erst wenn klar ist, was in Auftrag gegeben wurde, dann kann über die Sinnhaftigkeit des Auftrags gesprochen werden. Vorher ist doch alles mit einem "wenn" behaftet.

 

Und ich habe die Überlegung: Wenn ein Mensch ein oder sogar zwei übereinstimmende Gutachten hat, dann ist ein Auftrag zu einem zweiten oder sogar dritten Gutachten doch nur damit zu begründen, dass das vorliegende Gutachten aus irgendeinem Grund mangelhaft erscheint ...

Welchen Grund könnte eine weitere Auftragserteilung - vorausgesetzt der gleiche Auftrag - sonst noch haben?

 

0

Generalbundesanwalt Harald Range erklärt:

Der unabhängige Sachverständige sollte klären, ob es sich bei den veröffentlichten Dokumenten um ein Staatsgeheimnis handelt.

https://www.generalbundesanwalt.de/de/showpress.php?themenid=17&newsid=560

 

Der BGA erklärte auch, dass die vorläufige Bewertung des externen Gutachters die Bundesanwaltschaft in ihrer Rechtsauffassung bestätigt habe, die veröffentlichen Dokumente seien ein Staatsgeheimnis. Die Beauftragung des Externen sollte lediglich die Objektivität der Ermittlungen der als objektivste Behörde der Welt bekannten Behörde sicherstellen. 

Damit haftet jeder anders lautender Rechtsauffassung der Makel fehlender Objektivität an. Gilt also auch für die Rechtsauffassung des Herrn Professor Müller. Also Vorsicht :-)

 

Der Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof Thomas Fischer erklärt seinen Austritt aus dem Verein der Bundesrichter und Bundesanwälte beim Bundesgerichtshof e.V.:

"Der Verein der Bundesrichter und Bundesanwälte befasst sich gemeinhin fast ausschließlich mit der Aufgabe, die Einnahmen aus den Entscheidungssammlungen "BGHZ" und "BGHSt" unter seinen Mitgliedern zu verteilen. Er hat kein Mandat zur Abgabe von Erklärungen zu einzelnen Verfahren. Die Beschuldigung des obersten Dienstvorgesetzten, durch Begehung von Straftaten eine schwere Gefährdung des Rechtsstaats herbeigeführt zu haben, ist derart ungewöhnlich und gewichtig, dass sie nicht im Namen aller Mitglieder öffentlich erhoben werden durfte."

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-08/Verein-Bundesricht...

 

Auch Folgendes ist der Austrittserklärung zu entnehmen:

"Dem Vernehmen nach sind inzwischen Strafanzeigen wegen
Strafvereitelung im Amt gegen den Bundesminister der Justiz erstattet worden."

Nach Informationen des Tagesspiegels liegen der Berliner Staatsanwaltschaft mehrere Strafanzeigen vor.

http://www.tagesspiegel.de/politik/heiko-maas-und-der-fall-netzpolitik-o...

 

Was für eine schäbige Rebellion, die nicht einmal den Mut hat, in eigenem Namen zu zeichnen? Thomas Fischer dürfte wahrscheinlich nicht der einzige sein, der nicht gefragt wurde.

@ Waldemar Robert Kolos

#13

Aus der Erklärung von VRiBGH Fischer:

Quote:

Dies war insoweit unzutreffend, als der Generalbundesanwalt, wie jeder Staatsanwalt, keine „Unabhängigkeit der Justiz“ hat, wie sich aus § 146 GVG selbst dann unzweifelhaft ergibt, wenn man, aus welchen Gründen auch immer, rechtspolitisch eine Änderung anstrebt.

Während es zutrifft, dass einem Staatsanwalt keine Unabhängigkeit der Justiz zusteht*, ist eine Weisung allein aus rechtspolitischen Gründen nach der in #4 zitierten BVerfG-Rechstprechung unzweifelhaft unzulässig, weil sachfremd.

Zutreffend erwähnt Fischer allerdings im Weiteren die Remonstrationspflicht des Generalbundesanwalts, wenn der GBA die (von ihm als solche aufgefasste) Weisung für rechtswidrig erachtet hätte. Interessant auch der Hinweis auf § 63 Abs. 2 BBG. Allerdings kann ich daraus nur entnehmen, dass die Bestätigung des nächtshöheren Vorgesetzten auf Verlangen schriftlich zu fassen wäre (Satz 5). Für die Weisung (in § 63 BBG: Anordnung) gilt das nach dem Geseztestext - entgegen Fischer - nicht.

* weil Teil der Exekutive, vgl. BVerfG https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/200... Rn. 41

 

#7

Meine Bedenken habe ich schon auf Seite 3 in #42 vorgebracht. Problematisch ist m.E., dass der Präzedenzfall "Justizminister kann Gutachten ohne Begründung abbestellen lassen" hängen bleibt. Dass die Ermittlungen bzgl. § 94 StGB gestoppt werden mussten, steht außer Frage.

 

@ ELL #8

Soweit bekannt wurde ein externes Gutachten in Auftrag gegeben, weil man eine zweite Spiegel-Affäre vermeiden wollte.** Damals war nur aufgrund eines Gutachtens des Verteidigungsministeriums das Vorliegen eines Staatsgeheimnisses bejaht worden.***

**

Quote:
„Wir wollten keine zweite Spiegel-Affäre“ heißt es in der Bundesanwaltschaft nach Informationen der F.A.Z. – deshalb habe man so sorgsam gehandelt, und etwa ein externes Gutachten eingeholt.

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/harald-range-ich-wollte-nicht-...

*** http://www.spiegel.de/politik/deutschland/spiegel-affaere-die-chronologi...

0

Es ist immer ein Vergnügen, Herrn Fischer beim Austeilen zuzusehen bzw. zu -lesen. Aber er irrt auch gelegentlich: Der GBA hat eben KEIN Verfahren gegen unbekannt geführt, sondern eines wegen Landesverrats gegen zwei konkrete Personen, bei denen dieser Vorwurf fern lag. Merkwürdig, dass Herr Fischer diesen Kern des Skandals offenbar gar nicht erkannt hat, und sich trotzdem ellenlang über Nebenschauplätze auslassen kann.

# 14

 

Sie halten unter Hinweis auf BVerfG zurecht fest, dass

 

"Weisungen allein aus rechtspolitischen Gründen nach der in #4 zitierten BVerfG-Rechstprechung unzweifelhaft unzulässig, weil sachfremd"

 

sind. In der Praxis bedeutet das aber ja nicht, dass solche unzulässigen Weisungen/Anordnungen in welcher Form und bei welcher Gelegenheit  auch immer (Gang zur Toilette, Kantine?) vom Ober gegenüber dem Unter nicht geschehen.

 

Das mag dazu führen, dass zum Schutz gewisser Betroffener das (enge) Legalitätsprinzip missachtet wird. Wer als Mitglied der Justiz (Stichwort: Justizgewährung) aber Gesetz und Recht aus sachfremden Gründen nicht achtet, missbraucht er dann nicht (durch Tun oder Unterlassen/Schweigen) seine Macht  zum Vorteil/Nutzen seiner selbst oder eines Dritten? Und läge in dieser Frage nicht exakt die Definition von Korruption, wie sie bei Transparancy International nachzulesen ist?

 

Und weiter gefragt:

 

Hätten dann die das Legalitätsprinzip kreativ Handhabenden nicht ein gewichtiges Problem mit der demokratischen Handlungskette:  Transparenz - Vertrauen - Glaubwürdigkeit - Legitimation?

 

Und wäre Solches nicht total unvereinbar mit dem "richterlichen Ethos"  gemäß Limbach, wie von mir oben ausgeführt?

 

Von daher vertrete ich die Auffassung, dass eine Selbstverwaltung von Richterschaft und Staatsanwaltschaft mit der Folge, jedenfalls frei von politischen, sachfremden Weisungen Justizgewährung  im Sinne von Limbach üben zu können,  rechtspolitisch anzustreben wäre, wobei ich für die Installierung einer Kontrolle der Justiz durch die Gesellschaft noch kein abschließendes Bild habe.

 

Darf ich anregen, insoweit vielleicht einen eigenen Beitrag aufzulegen, nachdem Veränderungen der Organisation innert Richterschaft und StA überfällig sind?

 

0

Gast schrieb:

# 14

 

Sie halten unter Hinweis auf BVerfG zurecht fest, dass

 

"Weisungen allein aus rechtspolitischen Gründen nach der in #4 zitierten BVerfG-Rechstprechung unzweifelhaft unzulässig, weil sachfremd"

 

sind.

 

 

Der Satz, auf den es in der oben, von MT zitierten Entscheidung des BVerfG aber schließlich ankommt lautet wie folgt (Rn.23):

... die abstrakte Möglichkeit eines Mißbrauchs macht eine Norm noch nicht verfassungswidrig.

Das gilt entsprechend für das Weisungsrecht. Die abstrakte Möglichkeit eines Missbrauchs macht das Weisungsrecht noch nicht gesetzwidrig. 

Es gibt nicht den geringsten Anhalt dafür, dass das Justizministerium das Weisungsrecht missbraucht haben könnte. Daran ändert auch nichts, wenn man davon ausgeht - etwa auf den Empfängerhorizont abstellend, dass eine Weisung erteilt wurde, den Auftrag für das Rechtsgutachten zurückzunehmen, das klären sollte, ob die veröffentlichen Informationen ein Staatsgeheimnis sind. Klärung von (offenen oder strittigen) Rechtsfragen ist ein Primat der Dienstaufsicht. Es ist doch allzu verständlich und ihr gutes Recht, dass sie keine Konkurrenz, und erst recht keine externe (möglicherweise auch noch eine mit FDP-Parteibuch), in ihrem Revier duldet und eine entsprechende Weisung erteilt.

Und überhaupt, können Rechtsgutachten oder Rechtsexpertisen zum inländischen Recht zum Gegenstand eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gehören, wenn sie doch in der Hauptverhandlung Gegenstand der Beweisaufnahme nicht sein können? 

Es ist eine Frage des Zeitpunkts.

Hat der Justizminister seit Wochen gewusst, dass Ermittlungen laufen und war ruhig, dann, als die Öffentlichkeit einen Aufschrei macht und er erfährt, dass das Gutachten auch noch die bisherige Rechtsauffassung bestätigt, lässt er es stoppen, das sehe ich kritisch. Ist aber fraglich, ob es so gewesen ist.

 

Also nochmal: Erst ermitteln lassen und den Mund halten, dann Ermittlungen für Blödsinn erklären, wenn sie eine unerwünschte Richtung nehmen, das ist für mich Mißbrauch. Entweder hätte der Minister sofort stoppen müssen oder es dann laufen lassen und die weitere Entscheidung einem Gericht überlassen ...

 

 

5

"Laufen lassen" trotz der inzwischen gewonnen Erkenntnis, dass es sich nicht um Staatsgeheimnisse handelt, sehe ich wiederum sehr kritisch. 

Das Ermittlungsverfahren hat zwei Extreme. Einerseits die Strafvereitelung. Andererseits Verfolgung Unschuldiger. Für das Laufen-Lassen, weil möglicherweise konsequent, ist da kein Raum.

Der Rechtsausschuss des Bundestages berät am Mittwoch über die Affäre um den Blog netzpolitik.org.

http://www.lto.de/recht/nachrichten/n/rechtsausschuss-bundestag-beraet-u...

Dem Vernehmen nach stellt sich auch dem Rechtsausschuss die Frage, warum der Justizminister nicht schon früher interveniert habe. Offensichtlich denkt dabei aber niemand an Missbrauch des Weisungsrechts, sondern an (vermeintliche) Untätigkeit.

zu #24

Zitat aus dem Zeit-Artikel:

Politisch und juristisch aber ist die Abmachung äußerst brisant. Denn bis heute kontrolliert niemand außerhalb des BfV, welche Daten auf der Grundlage der "Terms of Reference" an die NSA gelangen. Weder der Datenschutzbeauftragte noch das zur Überwachung des Verfassungsschutzes eingesetzte Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages (PKGr) wurden bislang vollständig über die Abmachung informiert. "Wieder muss ich von der Presse von einem neuen Vertrag BfV/NSA und unerlaubter Weitergabe deutscher Daten an den US-Geheimdienst erfahren", klagt der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele, Mitglied im PKGr. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hingegen beteuert, sich strikt an das Gesetz gehalten zu haben....

Beim BfV setzte sich jedenfalls die Einschätzung durch, dass die Übermittlung von Informationen, die mithilfe von XKeyscore gewonnen würden, an die NSA mit deutschem Recht zu vereinbaren sei. ... Überdies würde ein spezialisierter Jurist die Datenübermittlung jedes Mal "freizeichnen". Niemand außerhalb des BfV weiß, wie viele und wessen Daten mit der NSA geteilt werden. Niemand kann die Praxis des Informationsaustauschs kontrollieren, und wer die politische Verantwortung trägt, ist völlig unklar.

Doch:

- BfV-Präsident Heinz Fromm

- spezialisierter Jurist

- Bundeskanzleramt

- G10-Kommission

- PKGr

- Generalbundesanwalt

- Datenschutzbeauftragter

- Bundestag

- BT-Abgeordnete

Namentliche Konkretisierungen der Verantwortlichkeiten sind für Ermittlungen des GBA zu Landesverrat und verfassungsfeindlicher Betätigung bzw. deren Unterstützung sicher erforderlich.

2

Die ARD hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, um die eigene Kommunikation zu verbessern. Das Gutachten wurde bisher nicht veröffentlicht, ist aber bereits Teil einer öffentlichen Debatte. Wir veröffentlichen das Gutachten, damit sich alle Beitragszahlende aus der Originalquelle informieren können und an der Debatte informierter teilhaben können.

https://netzpolitik.org/2019/wir-veroeffentlichen-das-framing-gutachten-der-ard/

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