Bewegung im Schwerbehindertenrecht

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 19.07.2015

§ 77 SGB IX verpflichtet Arbeitgeber, solange sie die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen nicht beschäftigen für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz eine Ausgleichsabgabe zu entrichten. Diese Einnahmen gehen an die Integrationsämter und werden vorrangig verwendet, um Arbeitgebern, die behinderte Menschen beschäftigen, dadurch entstehende Kosten zu erstatten. Dabei geht es beispielsweise um den gesetzlichen Zusatzurlaub und die behinderungsgerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes. Eine signifikante Anreizwirkung geht offenbar von der Ausgleichsabgabe in ihrer jetzigen Ausgestaltung nicht aus. Relativ viele Unternehmen entscheiden sich derzeit dafür, lieber die Abgabe zu entrichten, als schwerbehinderte Bewerber einzustellen. Der Grund dafür könnte auch darin liegen, dass die Abgabe mit im Durchschnitt 2000 Euro je unbesetztem Pflichtarbeitsplatz im Jahr nicht übermäßig hoch angesetzt ist. Hier setzt ein neuer Vorschlag aus dem Bundesfinanzministerium an. Wie der „Spiegel“ berichtet, will Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die Beschäftigungschancen schwerbehinderter Menschen erhöhen (und zugleich die Einnahmen steigern). Dazu schlage er vor, die Strafzahlungen für Unternehmen zu verdoppeln, wenn sie nicht genügend Schwerbehinderte beschäftigen. Sollten die Unternehmen hierzulande ihre Einstellungspraxis nicht ändern, stiege damit das Aufkommen aus der Abgabe von derzeit rund 500 Millionen Euro auf eine Milliarde Euro an, schreibt der "Spiegel". Offenbar ist dieser Vorstoß nicht mit dem Bundesarbeitsministerium abgestimmt. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums sagte, der Vorschlag müsse nun diskutiert werden, unter anderem mit dem zuständigen Bundesarbeitsministerium. Hintergrund des Vorstoßes ist die im Koalitionsvertrag vorgesehene Reform des Behindertenrechts. Die Sprecherin des Arbeitsministeriums sagte, dazu liefen derzeit die Abstimmungen. Ein Entwurf zum Bundesteilhabegesetz solle bis Ende Herbst vorliegen. Der Ressortchefin Andrea Nahles dürfte derzeit an einer weiteren Verschlechterung des Verhältnisses zu den Arbeitgeberverbänden nicht gelegen sein. Dies erklärt vielleicht das Ausbleiben einer positiven Reaktion seitens der Bundesarbeitsministerin.

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