ArbG Hamburg: Kündigung nach Entwendung von 8 halben Brötchen unwirksam

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 11.07.2015

Nach der Emmely-Entscheidung des BAG ist es um sog. Bagatellkündigungen stiller geworden. Man hat den Eindruck, dass die Instanzgerichte nunmehr genauer hinschauen und dabei durchaus mit Augenmaß urteilen. So auch im jetzt entschiedenen Fall des ArbG Hamburg (Urteil vom 10.7.2015,  Az. 27 Ca 87/15). In diesem Verfahren ging es um eine Krankenschwester die seit fast 23 Jahren in einem Hamburger Krankenhaus beschäftigt war und den Status der ordentlichen Unkündbarkeit erreicht hatte. Im Pausenraum wurden im Kühlschrank belegte Brötchen gelagert, welche für externe Mitarbeiter (z.B. Rettungssanitäter) bestimmt waren. Eines Morgens entnahm die Krankenschwester 8 halbe belegte Brötchenhälften dem Kühlschrank, und stellte diese in den eigenen Pausenraum. Dort wurden sie von den eigenen Mitarbeitern verzehrt, jedenfalls eine Hälfte auch durch sie. Als die Krankenschwester später zu dem Vorgang angehört wurde, räumte sie diesen umgehend ein, weil ihr eigenes Essen aus dem Kühlschrank gestohlen worden sei. Ihr wurde daraufhin fristlos gekündigt, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist. Die von ihr gegen die Kündigung erhobene Klage hatte jetzt Erfolg. Das ArbG Hamburg stellte zwar klar, dass auch die Entwendung geringwertiger Sachen grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann. Die Kündigung einer Krankenschwester nach knapp 23 Dienstjahren, in denen es nicht zu Beanstandungen gekommen ist, weil sie acht belegte Brötchenhälften, die von ihrer Arbeitgeberin für externe Mitarbeiter bereitgestellt wurden, genommen und mit ihren Kolleginnen während ihrer Schicht gegessen hat, hält das ArbG Hamburg hingegen für unverhältnismäßig. Zuvor hätte eine Abmahnung als milderes Mittel und zur Objektivierung der negativen Prognose ausgesprochen werden müssen.

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1 Kommentar

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Ein Urteil, das ein erstinstanzliches Gericht gefällt hat, sollte man nicht au,f die Goldwaage legen. Schon gar nicht, wenn es um die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe wie "Zumutbarkeit", "wichtiger Grund" oder "Erschütterung des Vertrauensverhältnis" geht.

 

In einer anderen Instanz oder vor einem anderen Gericht kann die Sache dann wieder ganz anders aussehen. Je nach dem wie sympathisch die Parteien oder die Prozessbevollmächtigten dem Richter sind. Das ist aber ein alter Hut. Sich Gedanken darüber zu machen, was ein Gericht im konkreten Fall als Zumutbar oder Unzumutbar erachtet, kommt einem "Kaffeesatzlesen" gleich.

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