Alles gelogen, was die amerikanische Regierung über den Tod von Usama Bin Laden veröffentlicht hat?

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 19.05.2015

Seit Jahren steht der ins Zwielicht geratene amerikanische Geheimdienst in der Kritik. Wenn sich jetzt auch noch das bewahrheiten würde, was der bekannte amerikanische Enthüllungsjournalist Seymour M. Hersh behauptet, dann dürfte von der Glaubwürdigkeit nichts mehr übrig bleiben.

Hersh gilt als Reporterlegende, seit er Ende der sechziger Jahre das Massaker von My Lai aufdeckte und als erster über die Folter im Abu-Graib-Gefängnis schrieb.

In dem vor kurzem unter dem Titel „The Killing of Usama Bin Laden“ erschienenen Beitrag in der „London Review of Books“ behauptet Hersh, was die amerikanische Regierung über die Kommandoaktion im pakistanischen Abbottabad am 2. Mai 2011, bei der Bin Laden getötet wurde, bislang veröffentlicht hat, sei alles gelogen:

  • Mit finanzieller Unterstützung Saudi-Arabiens sei Bin Laden vom pakistanischen Geheimdienst fünf Jahre lang unter Hausarrest gestanden.

  • Über die Kommandoaktion sei der pakistanische Armee- wie auch der pakistanische Geheimdienstchef informiert gewesen. Deshalb hätten die Navy Seals ungehindert in den pakistanischen Luftraum gelangen können.

  • Im Haus Bin Ladens habe es kein Feuergefecht gegeben, bei dem auch jener Kurier des Al-Qaida-Chefs getötet worden sein soll, der die CIA unwissentlich zur Unterkunft geführt haben soll.

  • Im Haus sei kein geheimdienstlich relevantes Material gefunden worden.

  • Bin Laden sei nicht im Meer bestattet, sondern seine Leiche sei aus einem Hubschrauber geworfen worden.

Das klingt sensationell und wäre ein Skandal, zumal die Operation gegen Bin Laden zu den großen Erfolgen in Obamas erster Amtszeit zählt. Die amerikanischen Medien stehen dem Artikel überwiegend ablehnend gegenüber, zumal sich Hersh hauptsächlich nur auf amerikanischen Geheimdienstmitarbeiter beruft, dessen Namen er nicht nennt (hier zusammenfassende Berichte von SPIEGEL online und in faz.net).

Der jetzt 78-jährige Hersh setzt seinen herausragenden Ruf aufs Spiel, wenn seine Behauptungen widerlegt werden. Das ist aber bislang noch nicht der Fall. Er hat es verdient, dass man seine Recherchen ernst nimmt und nunmehr überprüft. Es wäre nicht das erste Mal, dass es etwas länger dauert, bis die Wahrheit ans Licht kommt.

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14 Kommentare

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Mal angenommen, alles was Hersh behauptet würde stimmen: Klar, interessant wäre das, aber worin genau läge dann der "Skandal"? Dass eine Regierung eine Geheimdienstoperation nicht wahrheitsgemäß kommuniziert? Dass sie ihre Quellen in ausländischen Geheimdiensten und Armeen nicht offenlegt? Dass sie ausländische Regierungen, auf deren zukünftige Kooperation sie Wert legt, nicht desavouiert? Hinter welchem Mond leben Sie?
 

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Gastmann schrieb:
Mal angenommen, alles was Hersh behauptet würde stimmen: Klar, interessant wäre das, aber worin genau läge dann der "Skandal"?

Nicht so kritisch, bitte. Wir haben gerade Geheimdienst-Wochen, und besser als die jüngste Enthüllung, dass Österreich für Deutschland (mittlerweile?) Ausland ist, ist die Story doch allemal.

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Quote:
Bin Laden sei nicht im Meer bestattet, sondern seine Leiche sei aus einem Hubschrauber geworfen worden

Ein amerikanischer Anwalt würde dazu möglicherweise argumentieren, dass Bin Laden doch im Meer bestattet wurde ;-)

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@Gastmann # 2

 

Hinter welchem Mond ich lebe, weiß ich nicht, würde es aber gerne wissen. Was ich aber nicht möchte, ist von einem amerikanischen Präsidenten  belogen und damit manipuliert zu werden.

 

Das Manipulieren des Belogenen ist wohl das stärkste Argument gegen die auf Täuschung angelegte Lüge. Der Belogene soll etwas glauben, was er sonst nicht glauben würde. Er soll Entscheidungen treffen, die er so nicht treffen würde, wenn er die Wahrheit wüsste. Es geht um Wahrhaftigkeit, aber auch um unser Recht auf Wahrheit und Freiheit, das wir verlieren, wenn uns die Lüge manipuliert.

 

Wenn der amerikanische Präsident die Öffentlichkeit mit Lügen manipuliert haben sollte, etwa um die Zustimmung zu seiner Regierungspolitik zu steigern, dann sehe ich darin einen Skandal! 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Bernd von Heintschel-Heinegg

bernd.heintschel-heinegg schrieb:

Wenn der amerikanische Präsident die Öffentlichkeit mit Lügen manipuliert haben sollte, etwa um die Zustimmung zu seiner Regierungspolitik zu steigern, dann sehe ich darin einen Skandal!

Die Lüge ist ein fester Bestandteil der Politik, dazu brauchen Sie nicht in die USA zu blicken. "Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben" - gegenüber positivem Wissen, es nicht ausschließen zu können.
Interessanter wäre, ob man dem staatsrechtlich begegnen kann oder sich in der Demokratie darauf verlassen muss, dass der Wähler Lügen durchschaut. Meines Erachtens würde es schon helfen, wenn Medien ihre obrigkeitshörige Vertrauensseeligkeit ablegen würden und unbewiesene Behauptungen der Regierenden auch also solche behandeln würden.

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Gast schrieb:
Die Lüge ist ein fester Bestandteil der Politik, dazu brauchen Sie nicht in die USA zu blicken. "Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben" - gegenüber positivem Wissen, es nicht ausschließen zu können.

Das ist wohl eher eine falsche Prognose, als eine Lüge

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anderer Gast schrieb:
Gast schrieb:
Die Lüge ist ein fester Bestandteil der Politik, dazu brauchen Sie nicht in die USA zu blicken. "Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben" - gegenüber positivem Wissen, es nicht ausschließen zu können.
Das ist wohl eher eine falsche Prognose, als eine Lüge

 

Man kann darüber diskutieren, ob

a.) eine Lüge,

b.) ein gebrochenes Versprechen

vorliegt. Alternativ mag der so geneigte Verschwörungstheoretiker annehmen, dass Frau Dr. Merkel nach der Äußerung über die LKW-Maut durch einen Doppelgänger ersetzt wurde. Aber eine bloße Prognose ist das nicht.

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@ Gast

 

Natürlich, die Lüge ist fester Bestandteil unseres Lebens! Aber – erinnern wir uns an Bill Clinton, als langsam die Gerüchte durchsickerten, er habe eine Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky und er eine sexuelle Beziehung mit den Worten abstritt "I did not have sexual relations with that woman" – bei amerikanischen Präsidenten können Lügen zu einem Amtsenthebungsverfahren führen. Spätestens dann hätten wir doch den Skandal.

 

Die Frage, ob man den vielfältigen Lügen in der Politik staatsrechtlich begegnen kann, habe ich mir noch gar nicht gestellt. Wie Sie auch schreiben, ist für mich diese Fragestellung schon deshalb "interessant", weil ich bislang noch nie darauf gestoßen bin. Im Moment fällt mir allerdings auch nicht mehr ein, als dass die Medien sich ihrer wichtigen Aufgabe bewusst sein sollten und sie verantwortungsvoll ausüben.

bernd.heintschel-heinegg schrieb:

Die Frage, ob man den vielfältigen Lügen in der Politik staatsrechtlich begegnen kann, habe ich mir noch gar nicht gestellt. Wie Sie auch schreiben, ist für mich diese Fragestellung schon deshalb "interessant", weil ich bislang noch nie darauf gestoßen bin.

Ich hatte vorher auch nicht drüber nachgedacht. Das könnte meiner Ansicht nach daran liegen, dass die Informationstätigkeit der Regierung keinen verfassungsrechtlichen Überbau hat, vergleichbar mit den Justiz-Grundrechten. Es gibt das IFG als begrenzte Anspruchsgrundlage, während die aktive Information als Realakt im Verwaltungsrecht abgehandelt ist. Was zur Frage führt: Habe ich ein subjektives öffentliches Recht auf wahrheitsgemäße Information (im Fall der Information)? Ließe sich vielleicht mit der Rolle des Bürgers als (hoffentlich zutreffend informierter) Wähler begründen.

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Ich würde die Social Media als Kontrollmechanismus noch  dazurechnen: das zeigt sich u.a. beim Arabischen Frühling und dem Sturz einiger Diktatoren weltweit: 

Gute neue Lektüre aus der Yale University dazu (keine Lateinkenntnisse erforderlich):

PAX TECHNICA von P Howard

http://yalepress.yale.edu/book.asp?isbn=9780300199475

Der Autor, ein renommierter Sozialwissenschaftler,  kennt die Szene zu gut wie kaum einer.

 

 

 

 

@Gastmann

 

Der "Skandal" ist m.E. weniger darin zu sehen, dass eine Regierung eine Einsatzkommandoaktion ungenau darstellt, resp. lügt, sondern der "Skandal" entfaltet sich in den Konsequenzen.

 

Wenn Seal Team 6 im Gebäude nicht angegriffen wurde (Feuergefecht), dann war es keine Notwehr, sondern eine vorsätzliche Exekution.

 

Das bedeutet, man hätte bin Laden festsetzen und in der Folge auch verhören können. 

Ein Geständnis bin Ladens wie genau 9/11 von seiner Gruppe geplant und geleitet wurde, hätte viel Licht in die damaligen Vorgänge gebracht.

Eine nicht totzukriegende VT ist doch die Inside Job Theorie. Es müsste im ureigensten Interesse der amerikanischen Regierung sein, diesen Anschlag rechtsstaatlich abzuhandeln.

Stattdessen wird der "Haupttäter" schnell erschossen. Fände ich skandalös. Denn nach der Geschichte der Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins kommen (mir zumindest) stets grosse Zweifel auf bei den Erklärungen der amerikanischen Regierung zu solch historischen Wendepunkten.  

 

 

 

Wir haben uns schon viel zu sehr daran gewöhnt, von der Exekutive belogen zu werden. Erzählt wird, was gerade passend erscheint um die politische Stimmung in die gewünschte Richtung zu beeinflussen - oder auch um die Straftaten von Geheimdiensten zu vertuschen. Dies gilt leider quer durch die Bank vieler Staaten mit an sich demokratisch und rechtstaatlichem System - da sind Merkel und Obama keine Einzelfälle.

Dabei sollte gerade die Lüge der Exekutive in der Demokratie nicht ungeahndet bleiben, denn sie untergräbt die Basis der freien Wahlen. Daneben untergräbt die Lüge de Exekutive auch den Rechtstaat wenn sie dazu eingesetzt wird, Verbrechen von Regierungsorganisationen - wie z.B. Geheimdienste oder Militärs - zu vertuschen.

Angesichts dieser bekannter Lügen, erscheint es unwahrscheinlich, dass bei den Anschlägen zu 9/11 nicht gelogen worden ist.

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