Mindestlohn auch für Zeiten der Nichtarbeit – ein Fingerzeig des BAG?

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 14.05.2015

Das neue Mindestlohngesetz (MiLoG) wirft eine Reihe von Fragen auf, u.a. diejenige, wie mit Zeiten der Nichtarbeit zu verfahren ist. Zu denken ist insbesondere an Nichtarbeit an Feiertagen und bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, an Annahmeverzug und Urlaub. Schuldet der Arbeitgeber auch hier den gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde? Bis es hier zu einer höchstrichterlichen Klärung kommt, wird noch einige Zeit vergehen. Mindestlohnvorgaben gibt es allerdings schon seit längerem in anderen Bereichen. Von daher werden jetzt mit besonderer Aufmerksamkeit Urteile zur Kenntnis genommen, die zu Fragen Stellung nehmen, die sich in ähnlicher Form auch für den Mindestlohn nach dem MiLoG stellen. So verhielt es sich in dem jetzt ergangenen Urteil des BAG (Urteil vom 13. Mai 2015 - 10 AZR 191/14 -) zu Entgeltfortzahlungsansprüchen einer pädagogischen Mitarbeiterin. Ihr Arbeitsverhältnis unterfiel kraft "Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch" (MindestlohnVO) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales dem Geltungsbereich des Tarifvertrags zur Regelung des Mindestlohns für pädagogisches Personal vom 15. November 2011 (TV-Mindestlohn). Dieser sah eine Mindeststundenvergütung von 12,60 Euro brutto vor. Die Beklagte zahlte zwar für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden und für Zeiten des Urlaubs diese Mindeststundenvergütung, nicht aber für durch Feiertage oder Arbeitsunfähigkeit ausgefallene Stunden. Auch die Urlaubsabgeltung berechnete sie nur nach der geringeren vertraglichen Vergütung. Mit ihrer Klage hat die Klägerin für Feiertage, Krankheitszeiten und als Urlaubsabgeltung nach Maßgabe des TV-Mindestlohn eine Nachzahlung in Höhe von 1.028,90 Euro brutto verlangt. Das BAG gab ihr jetzt in letzter Instanz recht. Nach § 2 Abs. 1, § 3 iVm. § 4 Abs. 1 EFZG habe der Arbeitgeber für Arbeitszeit, die aufgrund eines gesetzlichen Feiertags oder wegen Arbeitsunfähigkeit ausfällt, dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte (Entgeltausfallprinzip). Die Höhe des Urlaubsentgelts und einer Urlaubsabgeltung bestimme sich gemäß § 11 BUrlG nach der durchschnittlichen Vergütung der letzten dreizehn Wochen (Referenzprinzip). Diese Regelungen fänden auch dann Anwendung, wenn sich die Höhe des Arbeitsentgelts nach einer Mindestlohnregelung richtet, die - wie hier die MindestlohnVO - keine Bestimmungen zur Entgeltfortzahlung und zum Urlaubsentgelt enthalte. Ein Rückgriff des Arbeitsgebers auf eine vertraglich vereinbarte niedrigere Vergütung sei in diesen Fällen deshalb unzulässig. Dieses Urteil könnte ein Fingerzeig für die Interpretation des MiLoG sein. Beim MiLoG ist allerdings zu beachten, dass sich aus der Regierungsbegründung (BT-Drs. 18/1558, 34) ergibt, dass der Mindestlohn „für die geleisteten Arbeitsstunden erreicht“ werden muss. Auch die Fälligkeitsregelung des § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 knüpft für die Fälligkeit des Mindestlohns an die „erbrachte Arbeitsleistung“ an. Gleichwohl spricht einiges dafür, dass das BAG seiner Argumentation auch auf den Mindestlohn nach dem MiLoG übertragen wird. 

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