Kinder- und Jugendanwalt

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 12.05.2015
Rechtsgebiete: Familienrecht14|4852 Aufrufe

Die Betreffende ist nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassen, sondern unbekannten Berufes.  Sie ist mehrfach von den Familiengerichten als Verfahrensbeiständin nach § 158 FamFG bestellt worden.

Seitdem führt sie in ihrem Briefkopf die Bezeichnung „Kinder- und Jugendanwalt“.

Das OLG Düsseldorf hat eine Unterlassungsklage der Rechtsanwaltskammer abgewiesen. Ein Fall des unlauteren Wettbewerbs liege nicht vor.

Die Angabe „Kinder- und Jugendanwalt“ richte sich ausschließlich an Fachkreise, bei denen es auf deren Verständnis ankommt. Dieses Verständnis vermögen die Mitglieder des Senats hier zu beurteilen, da sie als Berufsrichter beurteilen können, wie Richter und Rechtspfleger ihre Entscheidungen treffen. Dabei ist zunächst von Bedeutung, dass Fachkreise eine Werbung regelmäßig sorgfältiger betrachten werden, als die Allgemeinheit. Das gilt insbesondere bei weitgehenden Entscheidungen, wie sie hier den Gegenstand der Entscheidung des Familiengerichts bilden. Diese werden regelmäßig nur nach einer umfassenden Information über die Sachkunde und Qualifikation des zu bestellenden Pflegers/Vormundes erfolgen. Hinzu kommt, dass gerade die hier angesprochenen Verkehrskreise über Erfahrung und Fachkenntnisse des Familienrechts verfügen, so dass ihnen bekannt ist, dass es zwar einen Fachanwalt für Familienrecht gibt, nicht aber einen solchen für „Kinder- und Jugendrecht“. Sie werden aus diesem Grunde die Angabe nicht als die Behauptung der Beklagten verstehen, Rechtsanwältin zu sein, sondern in dem Sinne, in dem die Beklagte die Angabe auch verstanden wissen will, nämlich dass sie sich als Sachwalterin des Kindes sieht. Die von der Werbung angesprochenen Verkehrskreise unterliegen damit nicht der Gefahr, durch die Werbung irre geführt zu werden.

OLG Düsseldorf v. 11.11.2014 – 20 U 26/14

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14 Kommentare

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Eine auf den ersten Blick nicht nachvollziehbare Entscheidung, zumal sich auch Fachkreise nicht immer eingehend mit den beruflichen Hintergründen der Verfahrensbeteiligten beschäftigen (können). Aber man muss wohl auch zugestehen, dass es nicht von Nachteil ist.

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Eine schlicht und einfach falsche Entscheidung. Den "Kundenanwalt" hat das selbe Gericht übrigens verboten, vgl. https://goo.gl/Bbwk66. Das Urteilsdatum "11.11." hat in bestimmten Düsseldorfer Kreisen übrigens nicht zu Unrecht eine ganz besondere Bedeutung...

Seltsames Ergebnis. Bei einem "Opferanwalt", "Verbraucheranwalt", "Mieteranwalt" und auch bei einer "Kinder- und Jugendanwältin" hätte ich persönlich eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als gegeben angenommen. Ich bin Volljurist, weiß, was ein Fachwalt ist und dass das alles keine Fachanwaltsbezeichnungen sind, lese regelmäßig Zeitung und würde mich, bei aller Demut, als nicht unterdurchschnittlich wachsam oder gebildet ansehen. Wenn ich das missverstehen würde, wundere ich mich, welche Verkehrskreise denn hier angesprochen werden, dass ich nicht zu dem erlauchten Kreis gehöre, der das "kapiert".

Bei einer Bestellung als Beistand in Familienrechtssachen finde ich das auch noch ziemlich sensibel. Wenn der Inhaber einer Kfz-Werkstatt als "Unfallanwalt" auftritt, mag das mal zu einer fehlerhaften Unfallschadensabrechnung führen. Das ist ärgerlich genug. Aber in Familiensachen geht es (gefühlt) dann doch um mehr.

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In der Zeit, als ich Referendar war, saß oftmals im Gerichtssaal als Zuschauer ein spindeldürrer Mann mit der Physiognomie von "Uncle Sam is watching you", der sich zu den Fällen, denen er beiwohnte, Notizen machte, sich das Aktenzeichen von der Tagesordnung abschrieb und sodann auf Briefpapier, auf dem er sich als "Tribun" bezeichnete, schriftliche Eingagaben verfasste.

 

Der Fall wurde nicht berufsrechtlich gelöst, sondern psychiatrisch: Der Mann kam ins Landeskrankenhaus.

 

 

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@ Notker S. in #4

Mich interessiert die berufsrechtliche Lösung. Wer dürfte sich berufsrechtlich als "Tribun" bezeichnen oder würde dies, Ehrlichkeit vorausgesetzt, für sich beanspruchen? Sie?

Dieser spindeldürre Mann kann ja nur in öffentlichen Verhandlungen von Zivil- und Strafrecht als (stiller) Tribun aufgetreten sein. Im Familienrecht sitzt gewiss kein "fremder" Tribun im Gerichtssaal.

Eigentlich zu viele Worte, Gast bringt es mit #5 wohl auf den Punkt.

 

 

 

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@RA Rübenach: Äpfel und Birnen.

Die Werbung "Ergo-Kundenanwalt" richtete sich im Gegensatz zum hier entschiedenen Fall nicht an ausgebildete Juristen. Das ist der entscheidende Unterschied.

Eine richtige Entscheidung mit einer richtigen Begründung. Wie man sieht, ist das in Düsseldorf auch am 11.11. möglich. Wer Kinderanwältin oder Verfahrenspflegerin ist, das entscheiden eben Familienrichter und Familiensenate, einerseits durch Bestellung und andererseits durch Feststellung, dass eine regelmäßige Übernahme von Verfahrenspflegschaften vorliege, was für die Kostenberechnung von Bedeutung ist. 

Kinderanwältin ist eine geläufige Bezeichnung für Verfahrenspflegerin, die jeder kennt, der sich nur ein bisschen mit Familienrecht befasst hatte. Niemand - jedenfalls kein Familienrichter - denkt sich dabei, dass es sich um eine Rechtsanwältin handelt, wobei es auch Rechtsanwältinnen gibt, die regelmäßig Verfahrenspflegschaften übernehmen. Aus ihren Briefbögen geht aber selbstverständlich eindeutig hervor, dass sie Rechtsanwältinnen sind.

Noch etwas: Kinderanwältinnen dürfen in der Verhandlung auch eine Robe tragen, wenn sie wollen. Auch das führt nicht dazu, dass man sie für Rechtsanwältinnen hält.

Nur weil die Beklagte "mehrfach" als Verfahrensbeiständin nach § 158 FamFG bestellt worden ist, darf sie natürlich  nicht außerhalb des Gerichtssaals und außerhalb der Zulassungswirkung dauerhaft die Berufsbezeichnung „Kinder- und Jugendanwalt“ führen. Wenn sie das will, möge Sie studieren und die dementsprechenden Abschlüsse machen und die Zulassung zur Anwaltschaft beantragen. Dann darf sie das möglicherweise, wobei sie aber immer noch nicht den falschen Anschein eines Fachanwalts bewirken darf. Bis dahin verstößt sie gegen § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG und ggf. sogar gegen § 132a Abs. 1, 2 StGB.

 

Im ganz konkreten besonderen Einzelfall mag die Entscheidung ggf. nachvollziehbar sein, denn nach den Feststellungen bietet die Beklagte angeblich "gegenüber der Allgemeinheit keine Dienstleistungen an" (obwohl sie aber den Briefkopf "gegenüber der Allgemeinheit verwendet" - Rdnr. 21 des Urteils), hätte dann aber keinerlei über den ganz konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung.

 

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"Kinder- und Jugendanwalt" ist eine umgangssprachliche Amtsbezeichnung. Daran ändert nichts, dass das Amt berufsmäßig geführt und mithin als Berufsbezeichnung (Art. 12 GG ?) verstanden werden kann. Das Amt begründet aber weder ein vertragliches, noch ein gesetzliches Vertretungs- oder Schuldverhältnis. Wettbewerbsverzerrung kommt mangels geschäftlicher Handlung schon daher nicht in Betracht.

Nicht unproblematisch wäre dennoch, wenn eine Rechtsanwältin in ihrem anwaltlichen Briefkopf außerhalb ihrer Amtsführung und bei geschäftlicher Handlung i.S. des Wettbewerbsrechts eine Amtsbezeichnung - wie eben "Kinder- und Jugendanwältin" - mitführte. Rechtsanwältinnen dürfen ihre Briefköpfe mit den von ihnen ausgeübten öffentlichen Ämtern schmücken (siehe: https://www.jurion.de/Urteile/AnwG-Hamm/1999-05-25/AR-10_98). Aber gerade in der umgangssprachlichen Amtsbezeichnung "Kinder- und Jugendanwalt" liegt ein Hinweis auf eine besondere anwaltliche Tätigkeit, die möglicherweise für eine fachanwaltliche Qualifikation gehalten werden könnte. Läge der Fall aber so wesentlich anders, wenn z.B. "Erste Oberamtsanwältin a.D." im Briefkopf stünde?

Es gibt keine umgangssprachliche Amtsbezeichnung dieser Art. Nicht unter Juristen,weil die wissen,dass die Bezeichnung Unsinn ist und auch nicht in der Bevölkerung. Dort wissen die wenigsten Menschen,dass Kindern im Verfahren ein Beistand beigeordnet wird. Die Bezeichnung wurde von Verfahrensbeiständen "eingeführt" ,die sich davon einen bestimmten Eindruck versprechen, ansonstenen könnten sie sich einfach Verfahrensbeistand nennen, so wie es korrekt ist.

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@ Gast: falsch, als Beispiel sei nur "Bundesaußenminister" genannt.

Wenn der "Kinder- und Jugendanwalt" mit seinem Briefkopf auch Schriftverkehr zB mit Eltern, der Schule oder sonstigen Dritten führt, die er im Rahmen seiner Vermittlungstätigkeit anspricht, sind diese Personen natürlich nicht per se in der Lage zu erkennen, dass hier ein Sozialpädagoge zu ihnen spricht. Gegenüber dem Gericht und den am Verfahren beteiligten Personen muss er sich nicht als Kinder- und Jugendanwalt bezeichnen,diese Beteiligten wissen,dass er kein Anwalt,sondern Sozialpädagoge ist.Für diesen Personenkreis tut er es auch nicht. Sondern für die Menschen,die ihn dann ausserhalb eines Gerichtsverfahrens ansprechen und Rat suchen.Dies ist eine reine Marketingmassnahme, die irreführend ist . Die Entscheidung ist falsch und nicht nachzuvollziehen. Wenn ich als Anwalt in Verfahren mit Verfahrensbeistandschaft meine Meinung zu pädagogischen Massnahmen o.ä. äußere, muss ich mir im Übrigen nicht selten vom Verfahrensbeistand sagen lassen,diesbezüglich sei ich ein Laie....

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