Fahrtenbuch: "Ich kann den OWi-Täter auch nicht erkennen - das Foto ist zu schlecht" ...das hilft dem Halter auch nicht weiter!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 08.05.2015
Rechtsgebiete: FahrtenbuchVerkehrsrecht1|5502 Aufrufe

Fahrtenbuchauflagen zu umgehen, wenn man als Halter im OWi-Verfahren "gemauert" hat, ist schwierig. Hier ein Fall, in dem ein wohl schlechtes Messfoto vorlag und der Halter auch meinte, den Fahrer nicht erkennen zu können:

Der Antrag, mit dem der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines fristgerecht eingelegten Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte Verfügung des Antragsgegners vom 09.07.2014 begehrt, durch die ihm die Führung eines Fahrtenbuchs für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... bis einschließlich 08.07.2015 aufgegeben worden ist, ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 80 Abs. 5 i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Zunächst hat der Antragsgegner die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Verfügung zum Führen eines Fahrtenbuches in einer den Formerfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise damit begründet, dass die sofortige Vollziehung der Verfügung im öffentlichen Interesse liege, weil eine Gefährdung der Verkehrssicherheit zu besorgen wäre, wenn der Halter des Fahrzeugs nicht sofort verpflichtet würde, ein Fahrtenbuch zu führen. Insoweit ist nämlich zu sehen, dass sich im Bereich des Verkehrsrechts in Fällen der vorliegenden Art das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung regelmäßig gerade aus den Gesichtspunkten ergibt, die für den Erlass des Verwaltungsaktes selbst maßgebend waren.
Ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. u. a. Beschlüsse vom 12.05.2014, 6 L 601/14, und vom 18.02.2014, 6 L 24/14, m. w. N.
Die vom Gericht in der Sache selbst zu treffende Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO richtet sich danach, ob das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen behördlichen Verfügung gegenüber dem Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des von ihm eingelegten Rechtsbehelfs schwerer wiegt (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO). Im Rahmen dieser vom Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigten. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf des Antragstellers nach dem zum Entscheidungszeitpunkt gegebenen Erkenntnisstand aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird; bei offensichtlichen Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs überwiegt demgegenüber regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.
Dies zugrunde legend kann der Antragsteller die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die ihm auferlegte Führung eines Fahrtenbuchs nicht beanspruchen, weil sich die Verfügung des Antragsgegners vom 09.07.2014 nach Maßgabe der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Überprüfung als offensichtlich rechtmäßig erweist und der Widerspruch des Antragstellers daher aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird.
Rechtsgrundlage für die von dem Antragsteller angefochtene Verfügung ist die Vorschrift des § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO. Danach kann die zuständige Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Dabei müssen Verkehrsvorschriften in nennenswertem Umfang verletzt worden sein. Ein einmaliger, unwesentlicher Verstoß, der sich nicht verkehrsgefährdend auswirken kann und auch keinen Schluss auf die Unzuverlässigkeit des Kraftfahrers zulässt, reicht nicht aus.
Vgl. zu diesem rechtlichen Maßstab u. a. BVerwG, Beschluss vom 09.09.1999, 3 B 94.99, ZfS 2000, 368; ferner OVG des Saarlandes, Beschluss vom 17.11.2009, 1 B 466/09
Für die erforderliche Gewichtung des betreffenden Verkehrsverstoßes ist regelmäßig das Punktesystem des § 4 StVG in der hier noch anzuwendenden, bis zum 30.04.2014 geltenden Fassung i. V. m. der Anlage 13 zu § 40 FeV heranzuziehen, weil in diesem in rechtlich verbindlicher Weise (vgl. § 4 Abs. 3 StVG a. F.) eine typisierende Bewertung von Verkehrsverstößen nach dem Maß ihrer Gefährlichkeit vorgegeben wird. Dabei ist anerkannt, dass bereits die erstmalige Begehung eines wenigstens mit einem Punkt bewerteten Verkehrsverstoßes hinreichenden Anlass für eine Fahrtenbuchauflage geben kann, ohne dass es auf die Gefährlichkeit des Verkehrsverstoßes erhöhende Umstände im Einzelfall oder das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr ankommt.
Vgl. dazu u. a. die Urteile der früher für Straßenverkehrsrecht zuständigen 10. Kammer des VG des Saarlandes vom 21.04.2011, 10 K 776/10, und vom 29.10.2008, 10 K 276/07, m. w. N.
Danach ist im vorliegenden Fall unzweifelhaft eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften von nicht unerheblichem Gewicht im Sinne des § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO gegeben. Mit dem auf den Antragsteller zugelassenen Kraftfahrzeug mit dem amtl. Kennzeichen ... wurde am 27.03.2014 innerhalb einer geschlossenen Ortschaft die insoweit zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 31 km/h (nach Toleranzabzug) überschritten, so dass eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, die im Fall der Ahndung seinerzeit gemäß Nr. 5.4 der Anlage 13 zu § 40 FEV mit drei Punkten bewertet worden wäre. Dies vermag auf der Grundlage des § 31 a Abs. 1 StVZO auch unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage ohne Weiteres zu rechtfertigen.
Im Weiteren war auch die Feststellung des für diesen Verkehrsverstoß verantwortlichen Fahrzeugführers nicht binnen der dreimonatigen Verfolgungsverjährung (§ 26 Abs. 3 StVG i. V. m. §§ 31 ff. OwiG) möglich. Die Unmöglichkeit einer Feststellung des Fahrzeugführers im Sinne von § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVO ist gegeben, wenn die Verwaltungsbehörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat. Für die Beurteilung der Angemessenheit des erforderlichen Ermittlungsaufwandes kommt es wesentlich darauf an, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Dabei dürfen Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit der Behörde sich an den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten. Ist der Fahrzeughalter erkennbar nicht gewillt, an der Aufklärung der Verkehrszuwiderhandlung mitzuwirken, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben. Weitere Ermittlungen können in einer solchen Situation nur ausnahmsweise dann in Betracht kommen, wenn Verdachtsmomente vorliegen, die in eine bestimmte Richtung deuten und eine Aufklärung auch ohne Mitwirkung des Fahrzeughalters aussichtsreich erscheinen lassen.
Vgl. dazu BVerwG, u. a. Urteil vom 17.12.1982, 7 C 3.80, VRS 64, 466, und Beschluss vom 01.03.1994, 11 B 130.93, VRS 88, 158, m. w. N.; ferner OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 15.03.2011, 1 B 197/11, und vom 03.05.2010, 1 B 101/10, m. w. N.
Davon ausgehend sind entgegen der Auffassung des Antragstellers im konkreten Fall alle der zuständigen Verwaltungsbehörde nach den Gegebenheiten zumutbaren und auch angemessenen Versuche zur Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers zum Tatzeitpunkt unternommen worden. Dem Antragsteller wurde als von einer Ordnungswidrigkeitenanzeige Betroffener durch das Amt für Ordnungswidrigkeiten des Saarpfalz-Kreises am 31.03.2014 ein Anhörungsbogen übersandt, in dem er unter alternativ erteilter Belehrung als Beschuldigter bzw. Zeuge um die Angabe des für den in Rede stehenden Verkehrsverstoß verantwortlichen Fahrzeugführers gebeten worden war. Hierauf hat der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 07.04.2014 lediglich dahingehend Stellung genommen, dass er sich nicht in der Lage sehe, die Person des Fahrzeugführers zu identifizieren, er jedoch trotz der schlechten Bildqualität der Überzeugung sei, dass er selbst nicht der Fahrer des Fahrzeugs zum Tatzeitpunkt gewesen sei. Daraufhin hat das Amt für Ordnungswidrigkeiten des Saarpfalz-Kreises zunächst unter dem 08.04.2014 die zuständige Meldebehörde um Übermittlung eines Passbildes des Antragstellers sowie einen Bildabgleich gebeten, ob eventuell der Ehegatte, die Tochter oder der Sohn des Antragstellers als Fahrzeugführer in Betracht komme, sofern der Antragsteller selbst als Fahrzeugführer ausscheide. Im Anschluss daran hat die Zentrale Bußgeldbehörde des Landesverwaltungsamts die Polizeiinspektion A-Stadt mit Schreiben vom 07.05.2014 im Rahmen eines Fahrer-Ermittlungsersuchens um Feststellung des verantwortlichen Fahrers und dessen Anhörung gebeten, ohne dass allerdings der Fahrzeugführer ermittelt werden konnte, da der Antragsteller trotz wiederholten Aufsuchens seines Anwesens dort nicht angetroffen werden konnte und seine Ehefrau gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten am 16.05.2014 zudem angegeben hat, dass sie die Person auf dem Bild nicht kenne, es sich aber weder um ihren Ehemann, d. h. den Antragsteller, noch um einen nahen Verwandten ihres Mannes handeln würde.
Vgl. den Vermerk des Ermittlungs- und Servicedienstes der Polizeiinspektion A-Stadt vom 20.05.2014, Bl. 36 der Verwaltungsakten des Antragsgegners.
Mit dieser Vorgehensweise haben die zuständigen Behörden in der Sache alle notwendigen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen, die im Regelfall zur Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers führen. Dass es letztlich nicht dazu gekommen ist, ist maßgeblich auch darauf zurückzuführen, dass der Antragsteller an der Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers nicht in der rechtlich gebotenen Weise mitgewirkt hat, sondern sich lediglich darauf berufen hat, aufgrund der schlechten Bildqualität zu dem Fahrer keine Angaben machen zu können. Dass der Antragsteller den verantwortlichen Fahrzeugführer anhand des entsprechenden Beweisfotos nicht erkannt haben will, kann ihn im gegebenen Zusammenhang aber nicht entlasten, da der Qualität des dem Antragsteller übersandten Beweisfotos keine entscheidende Bedeutung zukommt. Bei im Wege des optischen Messverfahrens festgehaltenen Geschwindigkeitsüberschreitungen dient das Messfoto in erster Linie dem Nachweis, dass mit einem bestimmten Fahrzeug eine konkrete Geschwindigkeitsüberschreitung begangen wurde. Ist aufgrund der schlechten Bildqualität oder aus anderen Gründen, beispielsweise einer Sonnenbrille des Fahrers, eine zweifelsfreie Personenidentifizierung nicht möglich, so sind aus diesem Grunde weitere angemessene und zumutbare Ermittlungen durchzuführen, bei denen es dann erst recht auf eine kooperative Mitwirkung des Fahrzeugshalters als der für das Fahrzeug verantwortlichen Person ankommt. Dabei kommt einem möglichen Hinweis des Fahrzeughalters, die schlechte Bildqualität mache es ihm unmöglich, die Person des Fahrers zu identifizieren, keine rechtliche Relevanz zu. Denn normalerweise ist der Personenkreis, dem ein Fahrzeughalter sein Fahrzeug anvertraut, überschaubar. Selbst ein in Betracht kommender größerer Personenkreis kann angesichts der dem Fahrzeughalter in Bezug auf die Örtlichkeit und den Zeitpunkt der verkehrsrechtlichen Zuwiderhandlung bekannten Fakten regelmäßig weiter eingeschränkt werden. Der Antragsteller wäre da vorliegend zumindest gehalten gewesen, den möglichen Täterkreis einzugrenzen und die Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreis der Nutzungsberechtigten zu fördern.
Vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 17.11.2009, 1 B 466/09; ferner Kammerbeschlüsse vom 18.02.2014, 6 L 24/14, und vom 12.05.2014, 6 L 601/14; ferner OVG Lüneburg, Beschluss vom 08.11.2004, 12 LA 72/04, DAR 2005, 231, sowie OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.11.2005, 8 A 280/05, NZV 2006, 223.
Diese von dem Antragsteller rechtlich geforderte, indes von ihm ersichtlich verweigerte Mitwirkung bei der Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers war daher unabhängig von der im Übrigen keineswegs schlechten Bildqualität des Beweisfotos die maßgebliche Ursache dafür, dass der für die Geschwindigkeitsüberschreitung verantwortliche Fahrzeugführer nicht festgestellt werden konnte.
Ohne Erfolg beruft sich der Antragsteller auch darauf, dass die Ermittlungen nicht zutreffend geführt worden seien, weil gegen ihn ausweislich des Anhörungsschreibens vom 31.03.2014 als Betroffener ermittelt worden sei, die zuständige Behörde ihn jedoch auch ausdrücklich als Zeuge hätte vernehmen können. Davon abgesehen, dass die in Rede stehenden Ermittlungen zu Recht gegen den Antragsteller als Betroffenen geführt worden sind, weil er als Halter des betreffenden Fahrzeuges vorrangig als Tatverdächtiger anzusehen war, ist die Frage, ob die zuständige Behörde auch eine ausdrückliche Vernehmung des Antragstellers als Zeuge hätte in Betracht ziehen müssen, ersichtlich ohne rechtliche Relevanz. Entscheidend ist vorliegend allein, dass der Antragsteller den ihn obliegenden Mitwirkungspflichten nicht in der gebotenen Weise nachgekommen ist.
Da angesichts des gegebenen, gemäß Nr. 5.4 der zum Zeitpunkt der Verkehrszuwiderhandlung geltenden Anlage 13 zu § 40 FEV mit drei Punkten nach dem Punktesystem des § 4 StVG zu bewertenden Verkehrsverstoßes auch die Anordnung der Fahrtenbuchauflage für die Dauer von 12 Monaten nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt
vgl. etwa Beschluss der Kammer vom 12.05.2014, 6 L 601/14 m. w. N.
ist der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO zurückzuweisen.

VG Saarlouis, Beschluss vom 23.09.2014 - 6 L 1017/14

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Hallo Herr Krumm,

 

leider leiden manche Beiträge im Beck Blog, so auch dieser hier, unter einer echt unübersichtlichen Formatierung. Ich würde mir wünschen, dass Sie ein wenig mehr die Inhalte herausziehen und für den weiter interessierten Leser auf den Volltext verweisen.

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