Vorratsdatenspeicherung: Speicherfrist zehn Wochen für Verkehrsdaten, aber Ausnahmen

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 15.04.2015

Hier der Kompromiss von Union und SPD zu dem Thema, das wir hier schon häufig angesprochen haben. Nach den Terroranschlägen in Frankreich hat sich Handlungsdruck aufgebaut.  Laut Minister Maas werden die TK-Anbieter nunmehr verpflichtet, Telefonnummern, Zeitpunkt und Dauer des Anrufs sowie bei Internetnutzung die IP-Adressen für die Dauer von zehn Wochen zu speichern, und zwar anlasslos - kein Quick Freeze. Noch einige Details:

  • Bewegungsprofile dürfen nicht erstellt werden.

  • Die Verbindungsdaten müssen in Deutschland gespeichert werden.

  • Daten aus Funkzellen sollen nur für vier Wochen gespeichert werden.

  • Alle Email-Daten fallen nicht unter die Speicherpflicht.

  • Die Daten von Berufsgeheimnisträgern (Ärzte, Anwälte oder Journalisten) sollen zwar gespeichert werden, sie dürfen von den Ermittlern aber nicht verwendet werden.

Link zu den Leitlinien.

Sobald die Regierung aus ihren Leitlinien einen Gesetzentwurf formuliert hat,  wird sich der Bundestag damit befassen – Änderungen sind wahrscheinlich.

Was meinen Sie: Ist der Kompromiss gemessen an den strengen Vorgaben des EuGH und des BVerfG rechtmäßig?

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31 Kommentare

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Selbst wenn er rechtmäßig wäre - ein neuer und realistisch nicht zu rechtfertigender Eingriff in die Rechte der unter Generalverdacht gestellten Bürger - von einem Justizminister ohne Rückgrat als "Kompromiss" verkauft.

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Vielen Dank. Klar, das bekommt Herr Maas jetzt vorgehalten. Warum heißt es in der BMJV-Presseerklärung "Höchstspeicherfristen"? Die Daten müssen doch 10 bzw. 4 Wochen gespeichert werden.  Was meinen Sie?

Ein Richtervorbehalt ist natürlich eine gute Sache. Aber man sollte sich auch nicht (blauäugig) zuviel (Datenschutz) davon versprechen.

Denn solange die Daten elektronisch gespeichert sind, gibt es, auch wenn es dejure nicht erlaubt ist, trotzdem defacto Möglichkeiten, auf sie zuzugreifen.

Das dürfte selbst auch totalen Laien bekannt sein, und zwar spätestens, seit streng vertrauliche Daten schweizer Banken gestohlen wurden.

Auch, was uns durch Snowden bekannt wurde, spricht doch sehr dafür, daß auch in Fällen, in denen es nicht erlaubt ist, auf Daten zuzugreifen, trotzdem auf diese Daten zugegriffen wird.

Der einzig wirklich sichere Weg zum Schutz von Daten, wäre also wohl, diese Daten gar nicht erst zu erheben, oder wenigstens die elektronische Speicherung baldestmöglichst zu löschen .

Auf der anderen Seite wäre es aber vielleicht auch denkbar, gerade eben mit Hilfe der gespeicherten Daten auch Verstöße (etwa ausländischer Geheimdienste) gegen das Datenschutzrecht (insbesondere Wirtschaftsspionageaktivitäten) aufzudecken - wenn denn in Berlin und Brüssel der politische Mut und Wille dazu vorhanden wäre (wovon ich jedoch nicht überzeugt bin, auch wenn ich es nicht ausschließen würde).

Etwas befremdent finde ich, das viele Politiker das Briefgeheimnis und das Fernmeldegeheimnis und überhaupt Bürgerrechte einschränken wollen mit der verlautbarten Begründung, angeblich würden wir alle von Terroristen bedroht, und es sei nötig um den Terrorismus zu bekämpfen.

Terrorismus gibt es bereits seit über 2000 Jahren, und das BverfG hat sich vom Volkzählungsurteil auch nicht durch den damaligen Terror der RAF abhalten lassen.

Manchmal kommt es mir so vor, als würden einige Politiker und Massenmedien versuchen, eine Art Massenhysterie zu schüren, und den Bürgern zu suggerieren, daß, wenn sie ihre Bürgerrechte nicht aufgeben, sie (oder gar die Menschheit) von Terroristen umgebracht würden.

Was an orwellsche Propaganda (1984) erinnert.

Meiner Einschätzung nach dürften wohl die Atomwaffenarsenale der Großmächte, sowie überhaupt ABC-Waffen, und auch der Klimawandel, und auch die Umweltverschmutzung, eine wesenlich erheblichere Bedrohung der Menscheit darstellen, als ein par verachtenswerte verbrecherische durchgeknallte Terroristen (die es immer schon, und zwar auch schon bereits im alten Rom, gab).

Aber ich lasse mich gerne belehren, denn vielleicht liege ich mit meiner Einschätzung ja auch nicht richtig ...

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Wegen einem BMJ, der sogar am Boden liegend noch umfallen kann, muss jetzt nochmal - wieder - das BVerfG ran.

 

Alleine das Vorhaben ist eine Abkehr von allem, was Maas bislang verlautbart hat. Das alleine reicht aus, um ihn untragbar zu machen. Er hat weniger Rückgrat, als die Lebewesen mit Exosklett; das ist aber nicht das eigentliche Problem: das steckt bei den Grundrechtsfeinden, die ihn bearbeitet haben.

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Sehr geehrter Dr. Spies,

ich habe mich zugegebenermassen nicht in die Materie eingearbeitet.

Grundsätzlich habe ich EuGH und BVerfG so verstanden, dass -grob gesagt- eine umfassende, anlasslose Überwachung nicht zulässig ist.

Wenn ich nun aber die Argumentation von Herrn Maas höre, werde ich stutzig. Es erscheint mir, als wollte man die Verhältnismässigkeit der Massnahme dadurch rechtfertigen, dass sie eben nicht "umfassend" ist, weil man einzelne Arten der Kommunikation ausnimmt. (e-mail, whatsapp) Kindlich erscheint auch das Argument der differenzierten Speicherung, wenn man sich schlicht auf zwei verschiedene Wochenfristen bezieht.

 

Meinem Empfinden nach, sollte dieser Versuch der Vorgabenumgehung nicht statthaft sein.

 

Es mag vielleicht rhetorisch geschickt sein, erst alles in einen Topf zu werfen und dann einzelne Arten der Kommunikation herauszunehmen, um dann zu unterstellen, damit wäre das keine umfassende, anlasslose Überwachung. Hinsichtlich der einzelnen Art (bspw. Verbindungsdaten Handy) hat sich doch nichts geändert.

 

Ein (vielleicht) unpassender Vergleich: "Wir überwachen nicht alle Telefondaten lückenlos, wir haben Faxgeräte explizit ausgenommen"

 

Ein Blumenstrauss bleibt doch ein Blumenstrauss, auch wenn ich ein oder zwei Rosen rausnehme.

 

LG

Ich hoffe, die Diskussion hier im Blog geht noch etwas weiter...

Welche Rolle spielen die Entwicklungen in Frankreich? Erklärt das die Eile von Herrn Maas u.a. (keine vorhergehende Konsultation der Industrie zum Beispiel)?

Frankreich hat (ähnlich wie GB)  seit Jahren die Vorratsdatenspeicherung - von zwölf Monaten. Hinzu kommen soll nunmehr eine Verpflichtung der Internetanbieter, den Geheimdiensten in Echtzeit die Kontrolle des gesamten E-Mail-, SMS- oder Telefonverkehrs zu ermöglichen.

Quelle:

http://www.fr-online.de/datenschutz/ueberwachung-frankreich-laesst-spione-von-der-leine-,1472644,30451946.html

@ Frankreich: wenn eine Echtzeitüberwachung durch die Geheimdienste  zwecks „übergeordneter wirtschaftlicher, industrieller und wissenschaftlicher Interessen“ beschlossen wurde, ist klar, welche Ziele damit verfolgt werden - Wissenschafts- und Wirtschaftsspionage in staatlichem Auftrag. Auch eine Methode, um unerwünschte Konkurrenz fernzuhalten, Investoren abzuschrecken und die althergebrachte Staatswirtschaft (SNCF, EdF, GdF etc.) am Leben zu erhalten.

@ Max Mustermann: das BVerfG hat mitnichten das entschieden, was Sie meinen. Durch Übernahme wortgleicher Formulierungen aus der PM des BVerfG sieht es auf den ersten Blick schon so aus, als richte sich Maas nach den Vorgaben der Verfassungsrichter. Ob alle aufgelisteten Paragrafen des StGB unter "konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person, für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder zur Abwehr einer gemeinen Gefahr" (BVerfG) fallen, kann jedoch begründet bezweifelt werden. Gruppenvergewaltigung, Jugendpornografie, Schleuserei und Btm-Verstöße fallen keineswegs eindeutig darunter, ein Eigentumsdelikt wie schwerer Bandendiebstahl ganz sicher nicht.

Hier sollen offensichtlich Straftaten, die in der aktuellen Diskussion besonders pfui sind, eingeschmuggelt werden.

@ Winston Smith: das könnte bei dem Personal, das sich nun geäußert hat, auch ein Reflex auf die kritischen Nachfragen des BVerfG zur Herdprä... äh, dem Betreuungsgeld sein.

Sollten sich tatsächlich Abgeordnete zutrauen, das BVerfGG ändern zu wollen, kann ich mir angesichts des Ansehens, das a) das BVerfG und b) Bundestagsabgeordnete in der Bevölkerung genießen, gut vorstellen, wie die öffentliche Diskussion verlaufen wird. Ob die, die sich jetzt zu Wort gemeldet haben, tatsächlich das erste durch eine Volksabstimmung beschlossene Gesetz provozieren wollen?

Die BfDI hat heute mit einer Pressemitteilung die Leitlinien zur Vorratsdatenspeicherung kommentiert- was halten Sie davon?

"Die Kernfrage, an der sich ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung messen lassen muss, wird sein, ob und wie die vom Europäischen Gerichtshof aufgeworfene Problematik der anlasslosen Speicherung gelöst werden soll. Aus den nun vorgelegten Leitlinien lässt sich jedenfalls nicht erkennen, dass die in diesem Punkt sehr engen Vorgaben des Gerichtes berücksichtigt wurden. Es bleibt daher fraglich, ob die geplanten Regelungen mit der Europäischen Grundrechtecharta vereinbar sind. Eine valide Beurteilung dieser sowie aller weiteren datenschutzrechtlichen Fragen wird aber letztlich erst erfolgen können, wenn der konkrete Gesetzesentwurf vorliegt.

[...] Im letzten Jahr hob der Europäische Gerichtshof die der Vorratsdatenspeicherung zu Grunde liegende europäische Richtlinie auf, da diese gegen elementare Grundrechte der Europäischen Grundrechtecharta verstieß. Die in diesem Zusammenhang vom Gericht vorgelegte Begründung wurde von vielen Beobachtern als ein scheinbar unüberwindbares Hindernis für eine neuerliche Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten bewertet. Auch die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit hatte Zweifel geäußert, ob eine Vorratsdatenspeicherung, die den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs entspricht, überhaupt noch einen Mehrwert mit sich bringen würde, der den massiven Grundrechtseingriff rechtfertigt."

 

Link: http://www.bfdi.bund.de/DE/Infothek/Pressemitteilungen/2015/13_LeitlinienZurVDS.html

Der Innenminister geht "frohgemut" in die Auseinandersetzungen.

Ein noch zu klärender Punkt: die Definition von Standortdaten  Möglicherweise soll der Standort eines Handynutzers nicht nur immer dann festgehalten werden, wenn er einen Anruf (oder eine SMS) eintrifft  oder er selbst jemanden anruft, sondern auch bei jeder Internet-Verbindung. Das wäre dann häufig alle paar Minuten.

Was meinen Sie zu diesen Plänen?

Quelle: http://www.zeit.de/digital/datenschutz/2015-04/vorratsdatenspeicherung-vosshoff-de-maiziere

Im Ergebnis läuft dies auf eine Ausweitung der "Vorratsdatenspeicherung" auf eine ständige Ortung aller Smartphone-Nutzer hinaus, was m.E. gerade im Hinblick auf die vom BVerfG und vom EuGH definierten Anforderungen bedenklich erscheint. Es steht zu befürchten, dass im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens weitere Punkte bekannt werden.

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De Maiziere hat keine Angst, vor Gericht zu unterliegen (jedenfalls, wenn das Presseorgan "Zeit" ihn korrekt wiedergibt).

Das braucht er wohl auch nicht, denn wenn er vor Gericht verliert, ist er wohl insoweit privelegiert, als er (anders als Otto-Normalbürger) wohl weder Gerichtskosten noch Anwaltskosten zu tragen braucht (die Kosten trägt dann wohl der Steuerzahler).

De Maiziere kann als Minister also wohl verfassungswidrige Gesetze auf den Weg bringen, die sogar für einige Jahre (solange dauern Verfassungsbeschwerde-verfahren oft) Rechtswirkungen entfalten werden, und wenn das Gesetz durch das BVerfG als verfassungswidrig aufgehoben wird, brauchen er und die Bundestagsabgeordneten die ihn unterstützten und das Gesetz verabschiedeten sich keiner Verantwortung zu stellen und keine Kosten zu tragen.

Machen wir es Politikern nicht zu einfach, verfassungswidrige Gesetze in die Welt zu setzen?

Sollte es nicht irgendeine Sanktion oder Kostenfolge geben, welche nicht den Fiskus trifft, sondern die verantwortlichen Politiker? 

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Es gibt wohl im BMJV bereits einen internen Entwurf, der Ende dieser Woche in vorabgestimmter Fassung Herrn Maas vorgelegt werden soll.

Die Zeit für die Beteiligung der Industrie soll auf 1 Woche begrenzt sein -  die Frist für die Konsolidierung der Stellungnahme ist also extrem kurz.

Insgesamt sind alle Fristen sind kurz ausgelegt, denn die Verabschiedung im Kabinett soll wohl noch vor dem SPD-Parteitag erfolgen.

Gibt es Kommentare?

Mit der Verabschiedung noch vor dem Parteitag möchte Gabriel wohl verhindern, daß die Parteibasis mitredet, mitdiskutiert, unbequeme Fragen oder Änderungsanträge stellt.

Gabriel möchte also anscheiend eine Willensbildung von Oben nach Unten.

Demokratie ist eigentlich als Willensbildung von Unten nach Oben gedacht.

Aber das scheint Gabriel nicht zu wissen, oder nicht wissen zu wollen.

Vielleicht betrachtet er die CDU ja als Vorbild.

Daß man solchen Politikern Eingriffe in und Einschränkungen der Bürgerrechte zuzugestehen soll bereitet ein mulmiges Gefühl ...

Zu Helmut Schmidt, Hans-Dietrich Genscher, Hans-Joachim Vogel, Burkhardt Hirsch, Gerhart Baum, hatte ich mehr Vertrauen ...

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Es sei mir eine unbedarfte Frage gestattet:

In den Leitlinien heisst es:

 

 

Erfahren die Betroffenen von dem Abruf der Daten?

Der Abruf der Daten ist keine verdeckte Maßnahme. Die betroffenen Personen sind grundsätzlich vor dem Abruf der Daten zu benachrichtigen. Ist eine heimliche Verwen- dung nach gerichtlicher Prüfung ausnahmsweise zulässig, bedarf es einer nachträglichen Benachrichtigung, von der nur mit richterlicher Bestätigung abgesehen werden kann. 

 

Nehmen wir einmal an, jemand wird bei der Vorbereitung eines Bombenanschlags gefasst.

Wie soll das dann praktisch gehen?

Eine Auswertung der Metadaten seines Handys alleine wird zu keinem Erfolg führen (können).

Es muss ja ebenso die angerufene resp. anrufende Person verifiziert werden, ansonsten sind die Daten wertlos. Aus ihnen würde sich ja nur Häufigkeit und Dauer und Zeitpunkt ergeben.

Um ein terroristisches Netzwerk aufzudecken, müssten die Querverbindungen dieser Teilnehmer ja auch untersucht werden.

 

So geht die NSA bei der 3-degrees-of-seperation-Methode vor.

 

Umfasst der Richtervorbehalt auch diese Auswertung?

Und wie will man alle diese Personnen informieren?

 

Angenommen eine Rufnummer hatte in 10 Wochen 260 verschiedene Kontakte, dann würde ein mapping nach dem 3-degrees-Modell über 6`900`000  Knotenpunkte ausbilden.

vgl. hierzu die interaktive Grafik des guardians:

http://www.theguardian.com/world/interactive/2013/oct/28/nsa-files-decod...

 

(real wird die NSA auch die Verbindungen des 3. Grades überprüfen, womit wir rein rechnerisch bei 4,5 Milliarden Verknüpungen wären)

 

Wie wollen die die denn informieren?  

@Max Mustermann

Als "betroffene Person" wird nur die definiert werden, gegen die sich die Ermittlung richtet.

Personen, gegen die nicht ermittelt wird, werden auch nicht informiert werden müssen.

Das muss man nicht für überzeugend halten, aber so wird es wohl praktisch ablaufen.

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@ Löffelmann: wenn man natürlich nur veraltete Entscheidungen herauspickt, kann man jeden Grundrechtseingriff "begründen". Die mittlerweile bestehenden Möglichkeiten zum Data Mining und die chilling effects muss er deswegen unterschlagen.
In einer Erörtung bekäme er von einem Deutschlehrer für so ein Machwerk die Note 6.

So soll es wohl weitergehen: Umsetzung 18 Monate nach Inkrafttreten, 12 Monate davon erstellt die BNetzA und das BSI den Anforderungskatalog, somit verbleiben letztlich nur 6 Monate zur Umsetzung.

Was halten Sie von den Plänen?

Gestern hat das Repräsentantenhaus hier in Washington den USA Freedom Act verabschiedet, wonach die TK-Datenspeicherung bei den TK-Unternehmen erfolgen soll - ähnlich dem europäischen System. Der Senat muss allerdings noch zustimmen. Änderungen am Gesetz sind durchaus möglich.

Der schon bestehenede FISA Court müßte die Zugriffe auf die Daten dann autorisieren. Allerdings scheint dies nicht die einzige Möglichkeit zu sein, um an diese Daten zu gelangen.

http://www.washingtonpost.com/blogs/monkey-cage/wp/2015/05/13/what-the-usa-freedom-act-giveth-and-taketh-away/

 

Zwischenzeitlich hat netzpolitik.org den Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung veröffentlicht. Das Gesetz soll noch vor der Sommerpause verabschiedet werden, was angesichts der Tatsache, dass sowohl BVerfG und EuGH in der Vorratsdatenspeicherung einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte gesehen haben, doch sehr erstaunt. Interessant ist, dass der Standort nicht nur bei Beginn der "Nutzung mobiler Telefondienste", sondern auch bei der Nutzung öffentlicher zugänglicher Internetnutzungszugangsdienste gespeichert werden soll. Da Smartphones inzwischen meist mit Datenflats genutzt werden und in der Regel zur Nutzung einen Internetzugang benötigen, kommt dies der Anlegung von Bewegungsprofilen weiter Teile der Öffentlichkeit gleich und ist angesichts des sich daraus ergebenden Eingriffs in die Grundrechte m.E. mehr als bedenklich.

Der Referentenentwurf findet sich unter der folgenden Adresse:

https://netzpolitik.org/wp-upload/2015-05-15_BMJV-Referentenentwurf-Vorratsdatenspeicherung.pdf

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@Mein Name:
Angesichts der explodierenden Teilnehmerzahlen an Twitter, Facebook, Instagram, Whatsapp und den Verkaufszahlen bei Smartphones und Tablets und dem brennenden Interesse an sonstigen gadgets  halte ich den "Chilling effect" der VDS  für ein reines Phantasieprodukt. Die Leute kaufen und nutzen Kommunikationsmittel völlig ungechillt.

@Max Mustermann: Ihr Beispiel trifft es genau. Man kann durch die VDS nicht viel mehr als Zeitpunkt, Endgerätenummer, Teilnehmernummern, Dauer und ungefähren Standort (bei Mobilfunk) erfahren. Und keine Inhalte. Um an die zu kommen, braucht man im geheimdienstlichen Bereich einen Zugriff und eine Ausstattung wie NSA und BND; Polizei und Justiz bei Strafverfolgung eine Anordnung der Telekommunikationsüberwachung nach 100a StPO (vulgo: "Abhören" der Gesprächs/Email/SMS -Inhalte).

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@gaestchen #28

Ich bin kein Fan und Nutzer dieser sozialen Saugnetze. Zumindest halte ich mich so gut es geht davon fern, aus Prinzip, nicht aus Angst. Trotzdem missfällt mir das "in einen Topf werfen" von freiwilligem Kommunikationsverhalten, damit verbundener verdeckter gewerblicher Informationsgewinnung und andererseits staatlicher Überwachung unter Fledderei der Persönlichkeitsrechte.

Das private Verhalten rechtfertigt nicht das staatliche Verhalten. Das staatliche Versagen beginnt bereits bei der unterlassenen Regulierung und Kontrolle der gewerblichen Angebote. Wenn mir in D eine sichere Verbindung zu meinem Email-Postfach offeriert wird (https), dann MÜSSTE die Verbindung auch zwischen den Email-Providern in D gesichert sein und nicht beliebig über unsichere Netze geroutet werden. Denn das wäre/ist Täuschung. Es gibt jedoch offensichtlich keine Vorgaben, keine Rechtsprechung, kein Verantwortungsgefühl. Minister mit juristischer Ausbildung behaupten die Email sei eine Postkarte. Wer da unbekümmert was reinschreibt, ist selbst schuld, wenn alle Welt das lesen kann. Das ist technisch und eigentlich auch juristisch unbegründet. Wer dann verlangt, der Endnutzer könne/müsse selbst verschlüsseln, erwartet auch, dass ich als Städter jedes Hühnerei selbst bei der glücklichen Henne abhole und dem Handel sein Versprechen nicht glauben darf. Warum eigentlich? Ist Täuschung und Betrug doch legal?

Die Behauptung, es würde mit den Verkehrsdaten "nicht viel" erfahren ist Augenwischerei. Denn Massendatenspeicherung verfolgt 2 grundsätzliche Ziele. Das allgemein bekannte Ziel ist das Bevorraten für den Fall der rückwirkenden Aufklärung. Das ist schon problematisch, allerdings ein verständlicher Wunsch von Ermittlern Bei sauberem Verhalten und wirksamer Kontrolle (die es faktisch nicht gibt) vielleicht noch teilweise begründ- und hinnehmbar.

Das 2. Ziel wird mit dem altbackenen Argument "Wer sollte das denn alles auswerten" verdrängt oder sogar bewusst vernebelt. Aber Technologien des Data Mining werden parallel seit einigen Jahren entwickelt und sind im Prinzip einsatzbereit. Es geht um automatisierte Auswertung mit künstlicher, selbstlernender Intelligenz. Nicht der Mensch gibt die sogenannten "Selektoren" vor, sondern bewertet nur noch die Nützlichkeit und Qualität der Vorschläge und Erkenntnisse der eigenständig im Datenwust wühlenden künstlichen Intelligenz. Es geht also um Erkenntnisgewinn in jeder Beziehung, Profile für jede Form des Seins, das Durchleuchten und die Vorhersage des Verhaltens Einzelner und ganzer Gruppen. Es geht dabei natürlich auch um Kategorisierung, Wahrscheinlichkeiten, Verdacht, Datenfehler, Komplexität, Abgabe von Verantwortung an undurchsichtige Technik usw.. Wenn es z.B. um die Suche nach Auslösern von tödlichen Krankheiten geht, sind diese Methoden ethisch ein Segen. Wenn es aber um Machtausübung, Politik, Verdachtsgenerierung und Beweismittel geht, dann führt die ungebremste Massenüberwachung zur Geisterfahrt gegen Demokratie und Rechtsstaat.

Was hielten Sie davon, wenn ich automatisiert und aufwandslos aus einem Erkenntnisraster aus vielen tausenden Profilen (Verkehrsdaten, öffentliche Äußerungen) Anderer statistisch zu 90 % zutreffende Aussagen zu Ihrer persönlichen Gruppenzugehörigkeit, Ihrem Beruf, Vorlieben, Verbindlichkeiten, Zeitverhalten und zukünftigen Absichten und Tun generieren könnte, ohne das Sie diese jemals öffentlich gemacht hätten? Es reichten dafür unter Umständen ein paar Verkehrsdaten, die die an Massendaten trainierte KI für mich herausfindet. Mit 90 % Wahrscheinlichkeit sind Sie dann enttarnt. Womit auch immer. Auf jeden Fall gläsern. Das ich als Datensammler vielleicht neben fehlerhaften Daten auch die falschen Häkchen gesetzt habe, den Algorithmus der Suche und Erkenntnis gar nicht verstehe und den Hinweistext des Herstellers "90 % Treffer auf 10.000 Fälle" ignoriere, hilft Ihnen dann nicht mehr. Von wegen, Sie gehören zu den anderen 10 %. Das haben bisher alle behauptet.

Da wollen Sie hin?         

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