BAG zur Kündigung nach künstlicher Befruchtung

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 02.04.2015

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG ist eine ohne behördliche Zustimmung ausgesprochene Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft bekannt war oder sie ihm innerhalb zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Ab welchem Zeitpunkt der besondere Kündigungsschutz im Falle einer künstlichen Befruchtung eingreift, war bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden. Folgender Fall gab dem BAG (Urteil vom 26. März 2015 - 2 AZR 237/14, PM 17/15) jetzt Gelegenheit den maßgeblichen Zeitpunkt zu präzisieren: Die klagende Arbeitnehmerin war als eine von zwei Angestellten seit Februar 2012 in der Versicherungsvertretung des Beklagten beschäftigt. Ermahnungen oder Abmahnungen etwa wegen schlechter Leistungen erhielt sie nicht. Mitte Januar 2013 teilte sie dem Beklagten mit, dass sie seit mehreren Jahren einen bisher unerfüllten Kinderwunsch hege und ein erneuter Versuch einer künstlichen Befruchtung anstehe. Der Embryonentransfer erfolgte am 24. Januar 2013. Am 31. Januar 2013 sprach der Beklagte - ohne behördliche Zustimmung - eine ordentliche Kündigung aus. In der Folge besetzte er die Stelle mit einer älteren Arbeitnehmerin. Am 7. Februar 2013 wurde bei der Klägerin eine Schwangerschaft festgestellt. Hierüber informierte sie den Beklagten am 13. Februar 2013. Das BAG hält die Kündigung für unwirksam und gibt der Kündigungsschutzklage statt. Die Klägerin habe bei Zugang der Kündigung wegen des zuvor erfolgten Embryonentransfers den besonderen Kündigungsschutz des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG genossen. Maßgeblich sei der Zeitpunkt der Einsetzung der befruchteten Eizelle (sog. Embryonentransfer) und nicht erst mit ihrer erfolgreichen Einnistung (Nidation). Die Kündigung verstoße zudem gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG iVm. §§ 1, 3 AGG. Insofern kann sich das BAG auf die Entscheidung des EuGH in Sachen Sabine Mayr stützen 26. Februar 2008 (NZA 2008, 345), wonach es eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts darstellt, wenn eine Kündigung hauptsächlich aus dem Grund ausgesprochen wird, dass die Arbeitnehmerin sich einer Behandlung zur In-vitro-Fertilisation unterzieht. Im Streitfall habe das LAG nach den gesamten Umständen davon ausgehen dürfen, dass die Kündigung wegen der (beabsichtigten) Durchführung einer solchen Behandlung und der damit einhergehenden Möglichkeit einer Schwangerschaft erklärt wurde.

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